Analysen

30.04.2024: Internationaler Gerichtshof (IGH) verkündete die Entscheidung über den Antrag Nicaraguas auf Verhängung von Dringlichkeitsmaßnahmen gegen Deutschland ++ IGH "tief besorgt" über die Lage in Gaza, hält aber die Verhängung von Dringlichkeitsmaßnahmen gegenwärtig nicht für erforderlich ++ der Antrag Deutschlands, das Verfahren einzustellen, wird ebenfalls abgelehnt, so dass das Verfahren fortgesetzt werden kann. ++ Moataz El Fegiery: Kein Sieg für Deutschland

 

Heute hat der Internationale Gerichtshof in Den Haag die mit Spannung erwartete Entscheidung zur Klage Nicaraguas gegen Deutschland wegen Beihilfe zum Völkermord an den Palästinenser:innen verkündet. Konkret ging es über den Antrag Nicaraguas auf Verhängung von Dringlichkeitsmaßnahmen gegen Deutschland.

Nicaragua argumentierte während der zweitägigen Anhörungen Anfang des Monats, dass Berlin gegen die Völkermordkonvention von 1948 und das Völkerrecht verstoßen habe, indem es Israel mit Waffen belieferte, wohl wissend, dass die Gefahr eines Völkermords besteht. Zudem habe Deutschland die Finanzierung des UN-Hilfswerkes für Palästina UNRWA eingestellt. Die UNRWA sei jedoch ein "lebenswichtiges" Mittel zur Unterstützung des palästinensischen Volkes und der "wichtigste Partner für die Hilfe für die Menschen im Gazastreifen."

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums im Gazastreifen wurden seit Beginn des Krieges am 7. Oktober 34.535 Palästinenser:innen getöteten, davon mindestens 14.500 Kinder, 8.000 Menschen werden unter den Trümmern vermisst und 77.704 sind verletzt. Nach UN-Angaben lassen die israelsischen Behörden viel zu wenig Lebensmittel nach Gaza durch, so dass eine akute Hungersnot besteht.

Deutsche Panzerfäuste für Israels Vernichtungskrieg

Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Waffenlieferant Israels. Die Bundesregierung hat im vergangenen Jahr Rüstungsexporte im Wert von 326,5 Millionen Euro an Israel genehmigt - zehnmal so viel wie im Vorjahr.

Gazakrieg deutsche Panzerfaeuste Panoramahttps://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2024/Todeszone-Gaza-Waffen-aus-Deutschland-,gaza566.html

Die ARD-Politik-Magazin Panorama berichtet: "Gewehrmunition, Schulterwaffen, Radfahrzeuge, Elektronik und Kriegsschiffe - das genehmigte Arsenal geht quer durch das Spektrum des modernen Kriegshandwerks. Deutschland ist nach den Vereinigten Staaten der zweitwichtigste Waffenlieferant für Israel. Die Bundesregierung unterscheidet dabei zwischen "Kriegswaffen" und "sonstigen Rüstungsgütern", eine Differenzierung, die von Kritikern als künstlich bewertet wird. Denn ein Dieselmotor für einen Panzer oder Steuerungselektronik für Drohnen (sonstige Rüstungsgüter) dienen ebenso der Kriegsführung wie Panzerfäuste. … .
Im Jahr 2023 lieferte Deutschland 3.000 Panzerfäuste an Israel, darunter wohl viele vom Typ Matador. Der Begriff "Panzerfaust" führt etwas in die Irre, zumal wenn es um Gaza geht. Der Matador eignet sich bestens für den Stadtkrieg. Denn er kann nicht nur feindliche Panzer (über die die Hamas nicht verfügt), sondern auch Gebäude zerstören. In sozialen Netzwerken kursieren Videos, die israelische Soldaten zeigen, wie sie genau das tun." [1]

Fünf Dringlichkeitsmaßnahmen

Nicaragua forderte das Gericht auf, fünf dringliche Maßnahmen zu erlassen, über die das Gericht in einem Eilverfahren entscheidet.

  1. Erstens soll Deutschland insbesondere seine Militärhilfe, einschließlich militärischer Ausrüstung aussetzen.
  2. Zweitens soll Deutschland unverzüglich sicherstellen, "dass die bereits an Israel gelieferten Waffen nicht zur Begehung von Völkermord verwendet werden, nicht zu Völkermord beitragen oder in einer Weise eingesetzt werden (…), die gegen das humanitäre Völkerrecht verstößt."
  3. Drittens soll Deutschland "unverzüglich alles tun, um seinen Verpflichtungen aus dem humanitären internationalen Recht nachzukommen."
  4. Viertens soll Deutschland seine Entscheidung, die Finanzierung des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) auszusetzen, zurücknehmen und sicherstellen, "dass die humanitäre Hilfe das palästinensische Volk erreicht, insbesondere in Gaza".
  5. Fünftens soll Deutschland die Lieferung von militärischer Ausrüstung an Israel einstellen, damit diese nicht weiter zur "Begehung schwerer Verbrechen gegen das Völkerrecht verwendet werden können".

Deutschland wies die Vorwürfe zurück und sein Anwält:innen argumentierten, dass Nicaraguas Klage übereilt sei, auf fadenscheinigen Beweisen beruhe und wegen mangelnder Zuständigkeit verworfen werden müsste.

 

Pistorius Gallant  


Internationaler Gerichtshof: Nicaragua beschuldigt Deutschland der Beihilfe zum Völkermord. Deutschland weist Anschuldigungen zurück.

11.04.2024: Achtzig Jahre nach dem Holocaust sitzt Deutschland wegen Beihilfe zum Völkermord auf der Anklagebank ++ Zusammenfassung der Vorträge Nicaraguas und Deutschlands vor dem Internationalen Gerichtshof am 8. und 9. April 2024

 

IGH hält Dringlichkeitsmaßnahmen gegen deutsche Waffenexporte gegenwärtig nicht für erforderlich

ICJ Nica Germany Richtergremium

 

 

Der vorsitzende Richter Nawaf Salam (Libanon), der die Entscheidung des Weltgerichtshofs verkündete, erklärte, der IGH sei "weiterhin zutiefst besorgt über die katastrophalen Lebensbedingungen der Palästinenser im Gazastreifen, insbesondere angesichts des anhaltenden und weit verbreiteten Entzugs von Nahrungsmitteln und anderen lebensnotwendigen Gütern, dem sie ausgesetzt sind, wie das Gericht in seinem Beschluss vom 28. März 2024 festgestellt hat".

Er erinnerte alle Parteien daran, dass sie verpflichtet sind, Artikel 1 der Genfer Konvention "zu respektieren und zu gewährleisten". "Aus dieser Bestimmung folgt, dass jeder Vertragsstaat dieser Konvention, unabhängig davon, ob er an einem bestimmten Konflikt beteiligt ist oder nicht, verpflichtet ist, dafür zu sorgen, dass die Anforderungen der betreffenden Instrumente eingehalten werden", sagte Nawaf Salam.

Mahnend fügt er hinzu, dass das Gericht "es für besonders wichtig hält, alle Staaten an ihre internationalen Verpflichtungen in Bezug auf die Weitergabe von Waffen an Parteien eines bewaffneten Konflikts zu erinnern, um das Risiko zu vermeiden, dass diese Waffen für Verstöße gegen das Völkerrecht verwendet werden". Ausdrücklich erwähnte das Gericht in diesem Zusammenhang auch Deutschland.

Das Gericht lehnte jedoch mit 15 zu 1 Stimmen die Verhängung von Sofortmaßnahmen gegen Deutschland wegen seiner Waffenexporte nach Israel mit der Begründung ab, dass die derzeitigen Umstände dies nicht erforderten.

"Das Gericht stellt mit 15 zu 1 Stimmen fest, dass die Umstände, wie sie sich dem Gericht momentan (gegenwärtig; original: at present) darstellen, nicht so sind, dass es von seiner Befugnis nach Artikel 41 der Satzung Gebrauch machen muss, um vorläufige Maßnahmen anzuordnen", sagte Gerichtspräsident Salam.

Eine Rolle dabei mag gespielt haben, dass die deutsche Regierung bereits in der vergangenen Woche angekündigt hat, die Finanzierung der UNRWA wieder aufzunehmen und dass die Waffenlieferungen an Israel im Vergleich zu den Vormonaten deutlich verringert wurden. Zudem haben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die immer wieder erklären, "bedingungslos" an der Seite der militant-zionistischen Netanjahu-Regierung zu stehen, zwischenzeitlich ihren Ton geändert, als die Zahl der zivilen Opfer im Gazastreifen in die Höhe schnellte. Sie wurden zunehmend kritischer gegenüber der humanitären Lage im Gazastreifen und sprachen sich gegen eine Bodenoffensive in Rafah aus.

Das Gericht folgte der Argumentation Deutschlands, dass es seit Beginn der Offensive gegen Gaza kaum Waffen nach Israel exportiert habe. Bei der Anhörung am 9. April hatten die Rechtsvertreter:innen Deutschlands behauptet, dass 98 Prozent der nach dem 7. Oktober erfolgten militärischen Transfers nach Israel nicht-militärischer Natur gewesen seien, dass drei von vier Exportgenehmigungen nicht-tödliches Material betroffen habe.

Die Richter haben diese von den deutschen Jurist:innen vorgetragenen Behauptungen akzeptiert. Richter Nawaf Salam erklärte, dass Deutschland seit Beginn des Konflikts nur vier Ausfuhrgenehmigungen für Kriegswaffen an Israel erteilt habe, zwei für Übungsmunition und eine für Testzwecke, sowie eine Lieferung von 3.000 tragbaren Panzerabwehrwaffen.

Das andere entscheidende Argument, ist, dass Israel selbst [noch] nicht verurteilt wurde, gegen die Völkermordkonvention zu verstoßen. Der IGH hat im Januar nur Dringlichkeitsmaßnahmen gegen Israel verhängt, um der Gefahr eines Völkermordes, der "plausibel" erscheint, zu begegnen. Bis ein endgültiges Urteil fällt, kann es Jahre dauern. Diese Argumentation kann für andere Länder, die mit ähnlichen Fällen im Zusammenhang mit ihren Waffentransfers an Israel konfrontiert sein könnten, von entscheidender Bedeutung sein.

Antrag Deutschlands auf Einstellung des Verfahrens abgelehnt

Das 16-köpfige Richtergremium gab jedoch dem deutschen Antrag auf Abweisung des Verfahrens nicht statt. Abgewiesen wurde lediglich der Eilantrag Nicaraguas nach Dringlichkeitsmaßnahmen. Das Verfahren wird fortgesetzt und das Gericht wird nun noch die Argumente beider Seiten zur Begründetheit der Klage Nicaraguas anhören, was wahrscheinlich Monate dauern wird.

Außenministerium begrüßt die Entscheidung

Das deutsche Auswärtige Amt schrieb nach dem Urteil auf X, dass es die Entscheidung des IGH begrüße.
"Wir begrüßen den heutigen Beschluss des Internationalen Gerichtshof ICJ im Eilverfahren von Nicaragua gegen Deutschland. Deutschland ist keine Konfliktpartei in Nahost - im Gegenteil: Wir setzen uns Tag & Nacht für eine Zweistaatenlösung ein. Wir sind größter Geber von humanitärer Hilfe für die Palästinenser. Wir arbeiten unerlässlich, dass die Hilfe die Menschen in Gaza erreicht
Wir sehen aber auch: Der Terror des 7.10. hat diese neue Spirale von Leid erst losgetreten, gegen den sich Israel verteidigen muss. Noch immer sind über 100 Geiseln in der Hand der Hamas, die die Menschen in Gaza als Schutzschilde missbraucht." (https://twitter.com/AuswaertigesAmt/status/1785299986235765150)

 

Kari Flugzeug wirft Lebensmittel und Bomben  

 Kommentar


Die Heuchelei ist atemberaubend. 

 

 

Kein Sieg für Deutschland

Moataz El Fegiery, Leiter des Menschenrechtsprogramms am Doha Institute for Graduate Studies, sagte, die Entscheidung des IGH stelle keinen Sieg für Deutschland dar.

"Natürlich haben wir gehofft, dass es heute einige Maßnahmen geben würde, weil dies eine wichtige rechtliche Botschaft an viele andere Länder wäre, die Israel derzeit mit Waffen und Rüstung unterstützen", so El Fegiery gegenüber Al Jazeera.

Aber "das Gericht hat Deutschland daran erinnert, dass es nach internationalem Recht verpflichtet ist, keine Waffen zu liefern, die bei Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden könnten", fügte El Fegiery hinzu.

Das Gericht habe auch festgestellt, dass die Bedingungen zum jetzigen Zeitpunkt keine vorläufigen Maßnahmen rechtfertigten, was aber auch bedeute, dass sich die Umstände ändern könnten und eine solche Entscheidung in der Zukunft getroffen werden könne, erklärte der Experte.

Außerdem habe das Gericht den deutschen Antrag auf Abweisung des Verfahrens abgelehnt.

"Das ist nicht das Ende der Geschichte. Der Rechtsstreit wird weitergehen, und das Gericht wird sich mit vielen anderen Fragen befassen, etwa mit der Zuständigkeit für die Prüfung des Falles oder der Begründetheit", sagte El Fegiery. "Ich denke, wenn das Gericht heute die Einstellung des Verfahrens abgelehnt hat, steckt in dem ganzen Prozess auch eine Art politische Botschaft."

El Fegiery fügte hinzu, dass der Fall Nicaraguas Teil einer "globalen Mobilisierung" für Gaza sei, die wahrscheinlich Klagen gegen Waffenverkäufe vor nationalen Gerichten auslösen werde.

 

Anmerkungen

[1] Panorama, 18.4.2024: "Todeszone Gaza: Waffen aus Deutschland"
https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2024/Todeszone-Gaza-Waffen-aus-Deutschland-,gaza566.html


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UNRWA Gazakrieg Essenausgabe

UNRWA Nothilfeaufruf für Gaza
Vereint in Menschlichkeit, vereint in Aktion

Mehr als 2 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Palästina-Flüchtlinge, zahlen den verheerenden Preis für die Eskalation im Gazastreifen.
Zivilisten sterben, während die Welt zusieht. Die Luftangriffe gehen weiter. Familien werden massenweise vertrieben. Lebensrettende Hilfsgüter gehen zur Neige. Der Zugang für humanitäre Hilfe wird nach wie vor verweigert.
Unter diesen Umständen sind Hunderttausende von Vertriebenen in UNRWA-Schulen untergebracht. Tausende unserer humanitären Helfer sind vor Ort, um Hilfe zu leisten, aber Nahrungsmittel, Wasser und andere lebenswichtige Güter werden bald aufgebraucht sein.
Das UNRWA fordert den sofortigen Zugang zu humanitärer Hilfe und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für bedürftige Palästina-Flüchtlinge.
Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

Spenden: https://donate.unrwa.org/gaza/~my-donation


 

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