27.01.2024: nachträglich ergänzt: Wortlaut der vorsorglichen Maßnahmen in deutscher Übersetzung ++ Vortrag des Urteils durch die Oberste Richterin Joan Donoghue in Stichpunkten ++ Video des Vortrags ++ vollständiger Text des Urteils in englischer Sprache ++
Am Freitag, 26, Januar 2024, hat der Internationale Gerichtshof (International Court of Justice ICJ / IGH) in Den Haag eine vorläufige Entscheidung in der von Südafrika gegen Israel angestrengten Klage gefällt hatte, in der dem Israel Völkermord im Gazastreifen vorgeworfen wird.
Es ist das erste Mal, dass Israel auf der Grundlage der Völkermordkonvention der Vereinten Nationen [1] verklagt wird, die nach dem Zweiten Weltkrieg angesichts der Gräueltaten an Juden und anderen verfolgten Minderheiten während des Holocausts verfasst wurde.
Der IGH ist das höchste Gericht der Vereinten Nationen. Er wurde 1945 gegründet und befasst sich mit Streitigkeiten zwischen Staaten und gibt Gutachten ab. Die derzeitigen Richter am IGH kommen aus den Vereinigten Staaten, Russland, China, der Slowakei, Marokko, Libanon, Indien, Frankreich, Somalia, Jamaika, Japan, Deutschland, Australien, Uganda und Brasilien. Der Gerichtshof wurde durch die Hinzufügung eines Richters von jeder Seite des Falles, in diesem Fall Südafrika und Israel, erweitert.
Das Urteil wurde von Richterin Joan E. Donoghue vorgetragen. Joan E. Donoghue ist eine US-amerikanische Juristin, die ab 1984 in verschiedenen Positionen für das US-amerikanische Außenministerium tätig war. Seit dem 9. September 2010 gehört sie als Richterin dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag an, 2021 wurde sie zu dessen Präsidentin gewählt.
In diesem Stadium des Prozesses ging es nicht darum, einen Völkermord festzustellen, sondern zu bestätigen, ob die beanstandeten Handlungen Israels in Gaza plausibel als Völkermordhandlungen angesehen werden können, die gegen die Konvention zur Verhütung und Bestrafung des Völkermordverbrechens verstoßen. Das Gericht sagte in allen Punkten Ja und dass die Gefahr eines irreparablen Schadens bestünde, wenn Israel nicht damit aufhöre, weshalb vorsorgliche Maßnahmen angeordnet wurden
Die Oberste Richterin Joan Donoghue unterstrich das Recht Südafrikas, die Klage einzureichen, und wies den Antrag Israels auf Abweisung der Klage zurück. Nach Ansicht des Gerichts fallen einige der von Israel begangenen Handlungen und Unterlassungen unter die Bestimmungen der Völkermordkonvention.[1]
"Wir sind befugt, im Falle eines Völkermordes gegen Israel über Notmaßnahmen zu entscheiden", bekräftigte die vorsitzende Richterin Donoghue.
Das Gericht wies Israel als Besatzungsmacht an, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Handlungen zu verhindern, die nach der Völkermordkonvention verboten sind.
Der IGH hat Israel angewiesen, Maßnahmen zu ergreifen, um die Anstiftung zum Völkermord im Gazastreifen zu verhindern und zu bestrafen, und verwies dabei auf die Äußerungen von israelischen Politikern.
Das Gericht legte eine Liste vorläufiger Maßnahmen vor, die Israel einhalten muss, darunter die Verhinderung aller Tötungshandlungen, der Verursachung schwerer körperlicher oder geistiger Schäden und der Zufügung körperlicher Zerstörung. Israel wird angewiesen. die unverzügliche Versorgung des Gazastreifens mit lebenswichtigen humanitären Gütern zu gewährleisten. Das Gericht sagte außerdem, Israel müsse die Vernichtung von Beweisen für einen Völkermord verhindern.
Der Internationale Gerichtshof forderte Israel außerdem auf, innerhalb eines Monats nach der Entscheidung einen detaillierten Bericht über diese Maßnahmen vorzulegen.
Die Hamas wird aufgefordert, die Gefangenen frei zu lassen; alle Parteien sind an das humanitäre Völkerrecht gebunden.
https://twitter.com/GozukaraFurkan/status/1750869990704570762
Die vorsorglichen Maßnahmen, die mit den Forderungen Südafrikas übereinstimmen, wurden mit großer Mehrheit (15 gegen 2 bzw. 16 gegen eine Stimme) angenommen. Richterin Julia Sebutinde aus Uganda stimmte gegen alle Maßnahmen, Aharon Barak aus Israel gegen die meisten.
Die ugandische Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Adonia Ayebare, hat sich nach dem Urteil des IGH auf X zu Wort gemeldet und das Abstimmungsverhalten der ugandischen Richterin Julia Sebutinde in dieser Angelegenheit scharf kritisiert. "Die Entscheidung von Richter Sebutinde am Internationalen Gerichtshof gibt nicht die Position der Regierung Ugandas zur Lage in Palästina wieder", erklärte Ayebare. "Ugandas Unterstützung für die Notlage des palästinensischen Volkes wurde durch Ugandas Abstimmungsverhalten bei den Vereinten Nationen zum Ausdruck gebracht."
Nicht angenommen wurde der Antrag Südafrikas, Israel anzuweisen, den Militäreinsatz im Gazastreifen zu beenden. Die Umsetzung der beschlossenen sofortigen Maßnahmen würde aber von Israel verlangen, die massive Bombardierung von Gaza einzustellen.
Urteil hat internationale Bedeutung
Das Urteil geht zudem "über Israel hinaus", da es die rechtlichen und politischen Verpflichtungen der Länder hervorhebt, Maßnahmen zu ergreifen, um den Völkermord in Gaza zu verhindern. Das Gericht hat ein plausibles Risiko eines Völkermordes festgestellt und Länder wie die USA, Deutschland, Großbritannien - die größten Waffenlieferanten an die israelische Regierung - haben entsprechend der Völkermordkonvention die Verpflichtung, Völkermord zu verhindern und sich nicht mitschuldig zu machen. Deshalb werden nach der Entscheidung des IGH in Den Haag auch Forderungen nach einer Aussetzung von Waffentransfers an die israelische Regierung wieder laut, die einer Komplizenschaft gleichkommen und gegen internationales Recht verstoßen.
Die Staaten, die Israels Abschlachten im Gazastreifen unterstützen, sind nun gesetzlich darüber informiert, dass gegen sie wegen Beihilfe zum Völkermord, Verschwörung zum Völkermord und Anstiftung zum Völkermord ermittelt werden könnte.
Seit Erlass des Beschlusses des Internationalen Gerichtshofs stellt jede Bewaffnung Israels für Gaza, jede Flächenbombardierung von Zivilisten und ziviler Infrastruktur, jede Tötung von Zivilisten, jede Vertreibung und Blockade von Nahrungsmitteln und Medikamenten durch Israel in Gaza einen Verstoß gegen die völkerrechtlich verbindlichen Beschlüsse des Internationalen Gerichtshofs dar.
Wortlaut der vorsorglichen Maßnahmen83. Der Gerichtshof erinnert daran, dass seine Anordnungen über vorsorgliche Maßnahmen gemäß Artikel 41 der Satzung bindende Wirkung haben und somit völkerrechtliche Verpflichtungen für jede Partei schaffen, an die die vorsorglichen Maßnahmen gerichtet sind (Vorwurf des Völkermordes nach der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Verbrechens des Völkermordes (...) 85. Der Gerichtshof hält es für notwendig, darauf hinzuweisen, dass alle Parteien des Konflikts im Gazastreifen an das humanitäre Völkerrecht gebunden sind. Er ist zutiefst besorgt über das Schicksal der Geiseln Geiseln, die während des Angriffs in Israel am 7. Oktober 2023 entführt wurden und seitdem von der Hamas und anderen bewaffneten Gruppen festgehalten werden festgehalten werden, und fordert ihre sofortige und bedingungslose Freilassung. 86. Aus diesen Gründen, (2) Mit fünfzehn gegen zwei Stimmen, (3) Mit sechzehn gegen eine Stimme, (4) Mit sechzehn gegen eine Stimme, (5) Mit fünfzehn gegen zwei Stimmen, (6) Mit fünfzehn gegen zwei Stimmen, |
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Quelle: https://www.icj-cij.org/sites/default/files/case-related/192/192-20240126-ord-01-00-en.pdf, eigene Übersetzung |
Ablauf der Sitzung des Internationalen Gerichtshofes am Freitag, 26. Januar 2024
Pünktlich um 12 Uhr eröffnet die vorsitzende Richterin Joan Donoghue die Sitzung des Internationalen Gerichtshofes (International Court of Justice ICJ / IGH) und begrüßte die Vertreter Südafrikas und Israels.
Sechzehn der 17 Richter des Gerichts sind bei der Sitzung anwesend. "Richter Robinson, der ordnungsgemäß sowohl an der Beratung als auch an der Schlussabstimmung teilgenommen hat, ist aus mir bekannten Gründen nicht in der Lage, heute seinen Platz auf der Richterbank einzunehmen", sagte Donoghue.
Donoghue beginnt ihre Rede mit einem Verweis auf die Hamas-Angriffe in Israel am 7. Oktober. Sie fährt fort, dass Israel eine groß angelegte Militäroperation im Gazastreifen zu Lande, zu Wasser und in der Luft gestartet hat, die zu massiven Opfern unter der Zivilbevölkerung, zur weitgehenden Zerstörung der zivilen Infrastruktur und zur Vertreibung der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung des Gazastreifens geführt hat.
Weiter zitiert sie eine Erklärung des hochrangigen UN-Beamten Martin Griffiths, in der er sagte: "Gaza ist zu einem Ort des Todes und der Verzweiflung geworden".
Das Gericht sei sich des Ausmaßes der menschlichen Tragödie in der Region sehr bewusst und zutiefst besorgt über den anhaltenden Verlust von Menschenleben und das menschliche Leid.
Der Internationale Gerichtshof kommt zu dem Schluss, dass es eine ausreichende Grundlage für die Klage Südafrikas gegen Israel gibt und wird die Klage nicht wie von Israel verlangt abweisen. Richterin Donoghue erklärt, dass das Gericht für die Entscheidung über Sofortmaßnahmen in diesem Fall zuständig ist, und dass das Gericht den Fall, in dem Israel des Völkermordes in Gaza beschuldigt wird, nicht abweisen wird. Nach Ansicht des Gerichts fallen einige der von Israel begangenen Handlungen und Unterlassungen unter die Bestimmungen der Völkermordkonvention.[1]
Donoghue zitierte eindringlich aus der Völkermordkonvention:
"Das Gericht erinnert daran, dass sich alle Vertragsstaaten gemäß Artikel 1 der Konvention verpflichtet haben, das Verbrechen des Völkermordes zu verhüten und zu bestrafen".
Artikel II sieht vor, dass "Völkermord jede der folgenden Handlungen bedeutet, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu vernichten:
a. Tötung von Mitgliedern der Gruppe;
b. Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe;
c. vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen;
d. Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind;
e. gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe."
"Gemäß Artikel III der Völkermordkonvention sind auch folgende Handlungen durch die Konvention verboten: die Verschwörung zum Völkermord, die direkte oder öffentliche Aufforderung zum Völkermord, der Versuch, Völkermord zu begehen, und die Beihilfe zum Völkermord", fügte sie hinzu.
In der Fortsetzung des Vortrages erklärt die Präsidentin des IGH, das Gericht erkenne das Recht der Palästinenser an, vor Völkermord geschützt zu werden. "Die Palästinenser scheinen eine ... geschützte Gruppe im Sinne der Völkermordkonvention zu sein“, sagt das Gericht.
Die Präsidentin des IGH erklärt, dass das Gericht die entmenschlichenden Äußerungen einer Reihe hoher israelischer Beamter und Regierungsmitglieder zur Kenntnis genommen hat. Sie listet Äußerungen israelischer Politiker zu "entmenschlichender Sprache" auf, wobei sie den israelischen Verteidigungsminister Yoav Gallant und den israelischen Präsidenten Isaac Herzog hervorhebt. Insbesondere weist sie auf die Aussagen des israelischen Verteidigungsministers Yoav Gallant hin, der eine "vollständige Belagerung" des Gazastreifens anordnet und den Truppen mitteilt, dass sie gegen "menschliche Tiere" kämpfen.
Zumindest einige der Behauptungen Südafrikas über Verstöße gegen die Völkermordkonvention seien berechtigt, sagt das Gericht und fügt hinzu, dass die Zivilbevölkerung "extrem gefährdet" sei. Viele Palästinenser in Gaza haben keinen Zugang zu Nahrungsmitteln und Trinkwasser. Die humanitäre Lage im Gazastreifen droht sich ernsthaft zu verschlechtern, bevor der IGH Gelegenheit hat, ein endgültiges Urteil zu fällen, so der IGH.
Das Gericht entscheidet, dass angesichts der katastrophalen humanitären Lage und aufgrund der Plausibilität eines Völkermords durch Israel in Gaza ausreichend Dringlichkeit besteht, um vorsorgliche Maßnahmen gegen Israel anzuordnen:
Das Gericht ordnet an, dass Israel alle Maßnahmen ergreift, um einen Völkermord zu verhindern.
Das Gericht legt eine Liste vorsorglicher Maßnahmen vor, die Israel einhalten muss, darunter die Verhinderung aller Tötungshandlungen, der Verursachung schwerer körperlicher oder geistiger Schäden und der Zufügung körperlicher Zerstörung. Israel wird angewiesen, die unverzügliche Versorgung des Gazastreifens mit lebenswichtigen humanitären Gütern zu gewährleisten.
Der IGH weist Israel an, Maßnahmen zu ergreifen, um die Anstiftung zum Völkermord im Gazastreifen zu verhindern und zu bestrafen, und verweist dabei auf die Äußerungen von Politikern in Israel.
Das Gericht sagt außerdem, Israel müsse die Vernichtung von Beweisen für einen Völkermord verhindern.
Israel muss innerhalb eines Monats nach der Entscheidung einen detaillierten Bericht über diese Maßnahmen vorzulegen.
"Das Gericht erinnert daran, dass seine Anordnungen zu vorsorglichen Maßnahmen bindende Wirkung haben“, erklärte Richterin Donoghu zum Abschluss.
Das Gericht verzichtete darauf, einen Waffenstillstand zu fordern.
Nach 53 Minuten ist die Tagung des Gerichts beendet.
Video der Verlesung des Zwischenurteils des Internationalen Gerichtshofes
Text der Entscheidung des IGH vom 26. Januar 2024 in englischer Sprache:
https://www.icj-cij.org/sites/default/files/case-related/192/192-20240126-ord-01-00-en.pdf
oder
https://www.middleeasteye.net/news/israel-south-africa-icj-provisional-ruling-read-gaza-genocide
Anmerkungen
[1]
- Völkermord – eine Begriffsbestimmung
https://www.voelkermordkonvention.de/voelkermord-eine-begriffsbestimmung-9308/ - Völkermord – eine Definition
https://www.voelkermordkonvention.de/voelkermord-eine-definition-9158/ - Strafbare Begehungsformen des Völkermords
https://www.voelkermordkonvention.de/strafbare-begehungsformen-des-voelkermords-9311/
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