11.06.2014: 7. Juni 1984 - Europawahlkampf in Italien. Der Generalsekretär der Italienischen Kommunistischen Partei (PCI) Enrico Berlinguer spricht auf einer Kundgebung in Padua. Nur mit Mühe steht er die Rede durch. Zurück im Hotel fällt der 62jährige ins Koma. Gehirnschlag. Vier Tage später, am 11. Juni 1984, ist einer der innovativsten und populärsten Kommunisten der jüngeren Geschichte tot. Zu seiner Beerdigung kommen 1,5 Millionen Trauernde. Sechs Tage nach seinem Tod triumphiert die Partei bei der Europawahl: Erstmals wird sie vor den Christdemokraten stärkste Partei.
Meinungen
Was Lenin uns zur Ukraine-Krise sagen kann
29.04.2014: Die seit einem halben Jahr sich zuspitzende und anhaltende Krise um die Vorherrschaft in der Ukraine hat - wenig überraschend - auch in der Linken Europas zu sehr unterschiedlichen, ja widersprüchlichen Positionierungen geführt. Vor allem hinsichtlich der Rolle, die in diesem geopolitischen Ringen die Russische Föderation und ihr Oberhaupt, Wladimir Putin, spielen. Während Linke in der Ukraine außerhalb der traditionellen kommunistischen Bewegung Russland des regionalen Hegemonismus und großrussischer Bestrebungen und Einmischungen [s.z.B. Anmerkung ganz am Schluss] anklagen, verkünden - von der DKP-Plattform dkp.news unterstützt - gewisse deutsche Linke, dass ein Dritter Weltkrieg nur an der Seite und im Bündnis mit der RF und W.Putin verhindert werden könne.
In einer solchen Situation ist es - neben einer materialistischen Prüfung der Fakten - gut, sich dessen zu erinnern und das als Maßstab einer Außenpolitik im Interesse der Arbeiterklasse und der Werktätigen aller Länder heran zu ziehen, was Lenin in dieser Hinsicht forderte und vertrat. Darum nachstehend dazu Auszüge aus zwei seiner letzten bedeutenden Darlegungen zur Behandlung der nationalen Frage im Innern und besonders auch im außenpolitischen Umfeld (Finnland, Estland, Polen) des damals sozialistischen Russlands. Es bedarf hier sicher keiner Kommentare, damit unsere Leser die allgemeingültige Essenz in Lenins Forderungen von den Besonderheiten der historischen Situation seiner Aussagen trennen können.
Aus: Referat auf dem 1. Gesamtrussischen Kongress der Werktätigen Kosaken - 1.3.1920
Nachdem der Feldzug gegen Russland gescheitert war, versuchten es die Großmächte mit einer anderen Waffe: Die Bourgeoisie in jenen Ländern verfügt über jahrhundertelange Erfahrungen, und sie verstand es, ihre unzuverlässige Waffe gegen eine neue zu vertauschen. Zuerst hatte sie ihre eigenen Soldaten geschickt, um Russland zu würgen, ihm die Kehle zuzuschnüren. Jetzt will sie es mit Hilfe der Randstaaten versuchen.
Der Zarismus, die Gutsbesitzer und die Kapitalisten unterdrückten eine ganze Anzahl von Völkern der Randgebiete - Lettland, Finnland u.a.. In diesen Ländern haben sie durch die jahrhundertelange Unterdrückung Hass gezüchtet. Das Wort 'Großrusse' wurde zum meist gehassten Wort bei all diesen Völkern, die man im Blut erstickt hatte. Und nun setzt die Entente, nachdem sie mit ihren eigenen Soldaten im Kampf gegen die Bolschewiki gescheitert war, ihre Hoffnung auf die kleinen Staaten: versuchen wir es, Sowjetrussland mit ihrer Hilfe zu erdrosseln!
Churchill, der die gleiche Politik treibt wie Nikolaus Romanow, will Krieg führen und führt Krieg, ohne sich im geringsten um das Parlament zu kümmern. Er prahlte damit, dass er 14 Staaten gegen Russland mobilisieren werde - das war 1919 - und dass im September Petrograd und im Dezember Moskau erobert würden. Er hat jedoch den Mund ein wenig gar zu voll genommen. Er setzte seine Hoffnung darauf, dass Russland in diesen kleinen Ländern überall verhasst ist, vergaß aber, dass man in diesen kleinen Ländern eine sehr klare Vorstellung davon hat, wer Judenitsch, Koltschak und Denikin sind. Es gab eine Zeit, da nur wenige Wochen sie vom endgültigen Sieg zu trennen schienen. Zur Zeit des Feldzugs von Judenitsch, als dieser unweit von Petrograd stand, erschien in den 'Times', der reichsten englischen Zeitung, ein Artikel - ich habe diesen Leitartikel selbst gelesen - in dem man Finnland anflehte, ihm befahl, forderte: helft Judenitsch, auf euch schaut die ganze Welt; ihr werdet Freiheit, Zivilisation und Kultur in der ganzen Welt retten. Kämpft gegen die Bolschewiki! So sprach England, das das bis über die Ohren verschuldete Finnland völlig in der Tasche hatte, zu Finnland, das nicht zu maulen wagt, weil es ohne England nicht für eine Woche Brot hat.
So versuchte man, alle diese kleinen Staaten zum Kampf gegen die Bolschewiki zu treiben. Aber das scheiterte zweimal, denn die Friedenspolitik der Bolschewiki erwies sich als ernstgemeint und wurde von ihren Feinden für aufrichtiger gehalten als die Friedenspolitik aller übrigen Länder; und eine ganze Reihe von Ländern sagte sich: Wie sehr wir auch jenes Großrussland, das uns unterdrückt hat, hassen, so wissen wir doch, dass es Judenitsch, Koltschak und Denikin waren, die uns unterdrückt haben, und nicht die Bolschewiki. Das frühere Oberhaupt der weißgardistischen finnischen Regierung hat nicht vergessen, dass es im November 1917 persönlich aus meinen Händen das Dokument entgegennahm, in dem wir ohne den geringsten Vorbehalt erklärten, dass wir die Unabhängigkeit Finnlands bedingungslos anerkennen.
Damals schien das eine bloße Geste zu sein. Man glaubte, der Aufstand der Arbeiter Finnlands werde das vergessen machen. Nein, solche Dinge geraten nicht in Vergessenheit, wenn sie durch die ganze Politik einer bestimmten Partei bestätigt werden. Und sogar die finnische bürgerliche Regierung erklärte: "Überlegen wir einmal: Wir haben in den 150 Jahren der Unterdrückung durch die russischen Zaren immerhin manches gelernt. Wenn wir gegen die Bolschewiki kämpfen, so helfen wir damit Judenitsch, Koltschak und Denikin in den Sattel. Wer aber sind diese Herrschaften? Kennen wir sie etwa nicht? Sind das nicht dieselben zaristischen Generale, die Finnland, Lettland, Polen und eine ganze Reihe anderer Völker unterdrückt haben? Und wir sollen diesen unseren Feinden gegen die Bolschewiki beistehen? Nein, warten wir ab."
Sie wagten es nicht, direkt abzulehnen: denn sie sind abhängig von der Entente. Sie unterstützten uns nicht direkt, sie warteten ab, schoben die Sache hinaus, schrieben Noten, schickten Delegationen, setzten Kommissionen ein, nahmen teil an Konferenzen und - konferierten so lange, bis Judenitsch, Koltschak und Denikin geschlagen waren und die Entente auch die zweite Kampagne verloren hatte. Wir waren die Sieger geblieben.
Wenn alle diese kleinen Staaten gegen uns marschiert wären - und man hatte ihnen Hunderte Millionen Dollar, die besten Kanonen und Waffen gegeben, sie verfügten über englische Instrukteure mit Kriegserfahrungen -, wenn sie gegen uns marschiert wären, so hätten wir zweifelsohne eine Niederlage erlitten. Das ist jedem vollkommen klar. Aber sie marschierten nicht, weil sie zugeben mussten, dass die Bolschewiki ehrlicher waren als die anderen. Wenn die Bolschewiki erklären, dass sie die Unabhängigkeit eines jeden Volkes anerkennen, dass das zaristische Russland auf der Unterdrückung anderer Völker aufgebaut war und dass die Bolschewiki niemals für diese Politik eingetreten sind, eintreten oder jemals eintreten werden, dass sie niemals einen Krieg zur Unterdrückung eines Volkes führen werden - wenn sie das sagen, schenkt man ihnen Glauben. Das haben wir nicht von den lettischen oder polnischen Bolschewiki, sondern von der polnischen, lettischen, ukrainischen usw. Bourgeoisie erfahren.
Darin äußerte sich die internationale Bedeutung der bolschewistischen Politik. Das war eine Prüfung nicht in der russischen, sondern in der internationalen Arena. Das war eine Prüfung nicht mit Worten, sondern mit Feuer und Schwert. Das war eine Prüfung im letzten entscheidenden Kampf. Die Imperialisten waren sich darüber im klaren, dass sie keine eigenen Soldaten hatten, dass man den Bolschewismus nur erdrosseln kann, wenn man internationale Kräfte zusammenfasst, aber alle diese internationalen Kräfte wurden geschlagen.
Was ist eigentlich Imperialismus? Es ist Imperialismus, wenn einige der reichsten Staaten die ganze Welt unterdrücken, wenn sie wissen, dass sie anderthalb Milliarden Menschen in der ganzen Welt beherrschen, wenn sie sie unterdrücken, und wenn diese anderthalb Milliarden Menschen spüren, was englische Kultur, französische Kultur und amerikanische Zivilisation heißt, nämlich rauben, jeder so gut er kann. Jetzt sind bereits drei Viertel Finnlands von amerikanischen Milliardären aufgekauft. Die Offiziere, die aus England und Frankreich in unsere Randstaaten kamen, um deren Truppen zu instruieren, haben sich aufgeführt wie die unverschämten russischen Adligen in einem besiegten Land. Sie haben alle nach rechts und nach links spekuliert. Und je mehr die finnischen, polnischen und lettischen Arbeiter hungern, um so stärker wird der Druck, den die Handvoll englischer, amerikanischer und französischer Milliardäre und deren Handlanger auf sie ausüben. Und das geschieht in der ganzen Welt.
Nur die Russische Sozialistische Republik hat das Banner des Krieges für die wirkliche Befreiung erhoben, und die Sympathie der ganzen Welt wendet sich ihr zu. Wir haben durch unsere Politik gegenüber den kleinen Ländern die Sympathie aller Völker der Erde erobert. Das aber sind Hunderte und aber Hunderte Millionen. Sie sind jetzt unterdrückt und unwissend. Sie sind der am wenigsten entwickelte Teil der Bevölkerung, aber der Krieg hat sie aufgeklärt. Ungeheure Volksmassen wurden in den imperialistischen Krieg hineingerissen. England schleppte zum Kampf gegen die Deutschen Regimenter aus Indien herbei. Frankreich rief Millionen Neger zu den Waffen und schickte sie gegen die Deutschen in den Kampf. Aus ihnen wurden Stoßtrupps gebildet, sie wurden an den gefährlichsten Stellen eingesetzt, wo die Maschinengewehre sie wie Gras niedermähten. Und sie haben dabei manches gelernt.
Wie die russischen Soldaten unter dem Zaren erklärten: Wenn schon zugrunde gehen, dann im Kampf gegen die Gutsbesitzer - so sagten auch diese Soldaten: Wenn wir umkommen müssen, dann nicht, um den französischen Räubern zu helfen, die deutschen Kapitalisten, die deutschen Räuber zu plündern, sondern um uns von den deutschen und französischen Kapitalisten zu befreien. In allen Ländern der Welt, in demselben Indien, wo dreihundert Millionen Menschen von England geknechtet werden, erwacht das Bewusstsein, und mit jedem Tage wächst die revolutionäre Bewegung an. Sie alle richten ihren Blick auf einen Stern, auf den Stern der Sowjetrepublik, denn sie wissen, dass die Sowjetrepublik im Kampf gegen die Imperialisten ungeheure Opfer gebracht und den härtesten Prüfungen standgehalten hat.
Das ist die zweite Karte der Entente, die wir gestochen haben. Das ist ein Sieg im internationalen Maßstab. Das bedeutet, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung der Erde unsere Friedenspolitik gutheißt. Das bedeutet, dass die Zahl unserer Verbündeten in allen Ländern zunimmt, zwar bei weitem nicht so schnell, wie wir es wünschen, aber immerhin zunimmt.
Der Sieg, den wir im Kampf gegen die Offensive errungen haben, die Churchill gegen uns vorbereitet hatte, zeigt, dass unsere Politik richtig ist. Und dann haben wir einen dritten Sieg errungen - den Sieg über die bürgerliche Intelligenz, über die Sozialrevolutionäre und Menschewiki, die in allen Ländern aufs schärfste gegen uns eingestellt waren. Aber auch sie alle haben eine Wendung vollzogen und sind jetzt gegen einen Krieg mit Sowjetrussland. In allen Ländern hat die bürgerliche Intelligenz, haben die Sozialrevolutionäre und Menschewiki - diese Sorte Menschen existiert unglücklicherweise in allen Ländern (Beifall) - die Einmischung in die Angelegenheiten Russlands verurteilt. In allen Ländern haben sie erklärt, dass das eine Schande ist.
Als England den Deutschen eine Blockade Sowjetrusslands vorschlug und Deutschland darauf eine ablehnende Antwort gab, riss auch den englischen und sonstigen Sozialrevolutionären und Menschewiki die Geduld. Sie erklärten: "Wir sind Gegner der Bolschewiki und halten sie für Gewaltmenschen und Räuber, aber wir können es nicht gutheißen, dass man den Deutschen den Vorschlag macht, Russland zusammen mit uns durch eine Hungerblockade zu erdrosseln." Also ist innerhalb des gegnerischen Lagers, in ihren eigenen Ländern, in Paris, London usw., wo man gegen die Bolschewiki hetzt und sie ebenso behandelt, wie man unter dem Zaren mit den Revolutionären umgesprungen ist - überall ist die bürgerliche Intelligenz mit der Forderung aufgetreten: "Hände weg von Sowjetrussland!" In England werden von der bürgerlichen Intelligenz unter dieser Losung Meetings einberufen und Aufrufe erlassen.
Das war der Grund für die Aufhebung der Blockade. Sie konnten Estland nicht halten, und wir haben einen Friedensvertrag mit ihm abgeschlossen und können nun Handelsbeziehungen aufnehmen. Wir haben ein Fenster zur zivilisierten Welt aufgestoßen. Wir besitzen die Sympathie der Mehrheit der Werktätigen, während die Bourgeoisie besorgt ist, möglichst rasch den Handel mit Russland aufzunehmen.
Jetzt fürchten uns die Imperialisten, und sie haben auch allen Grund dazu; denn Sowjetrussland ist aus diesem Krieg stärker denn je hervorgegangen. Englische Publizisten schrieben über Zersetzungserscheinungen in den Armeen aller Länder und dass es in der ganzen Welt nur ein Land gibt, in dem die Armee an Kraft zunimmt, nämlich Sowjetrussland. Sie versuchten, Gen. Trotzki zu verleumden, und behaupteten, das sei daraus zu erklären, dass in der russischen Armee eine eiserne Disziplin herrsche, die durch rigorose Maßnahmen, aber auch durch eine geschickte, großzügige Agitation aufrechterhalten werde.
Wir haben das niemals bestritten. Krieg ist Krieg, und er verlangt eine eiserne Disziplin. Haben die Herren Kapitalisten etwa nicht solche Mittel angewendet? Oder haben die Herren Kapitalisten etwa keine Agitation getrieben? Besitzen sie etwa nicht hundertmal mehr Papier und Druckereien? Wenn man die Menge unserer und ihrer Literatur nimmt, ist es da nicht, als ob man ein Erbsenkorn bei uns mit einem Berg bei ihnen vergleicht? Dennoch hat ihre Agitation Schiffbruch erlitten, und unsere hat gesiegt. ...
Allerdings können sie noch Polen gegen uns hetzen. Die polnischen Gutsbesitzer und Kapitalisten schäumen vor Wut, sie drohen uns, erheben Ansprüche auf das Territorium von 1772 und wollen sich die Ukraine unterwerfen. Wir wissen, dass Frankreich in Polen hetzt, dass es Millionen dorthin wirft, denn es ist sowieso bankrott und setzt nun seine letzte Hoffnung auf Polen. Wir aber sagen den Genossen in Polen, dass wir Polens Freiheit ebenso wie die jedes anderen Volkes achten. Und der russische Arbeiter und Bauer, der unter dem Joch des Zarismus geschmachtet hat, weiß sehr wohl, was für ein Joch das war.
Wir wissen, dass es das größte Verbrechen war, Polen unter das deutsche, österreichische und russische Kapital aufzuteilen, dass diese Teilung das polnische Volk zu langjähriger Knechtschaft verurteilte. Damals galt der Gebrauch der Muttersprache als Verbrechen, und das ganze polnische Volk wurde in dem einen Gedanken erzogen - sich von diesem dreifachen Joch zu befreien. Deshalb verstehen wir den Hass, der die Seele des Polen erfüllt. Und wir sagen ihnen, dass wir die Grenze, an der unsere Truppen jetzt stehen - und sie stehen weit entfernt von den Gebieten mit polnischer Bevölkerung - niemals überschreiten werden. Wir schlagen einen Frieden auf dieser Grundlage vor, weil wir wissen, dass das für Polen eine große Errungenschaft wäre. Wir wollen keinen Krieg wegen territorialer Grenzen, weil wir die verfluchte Vergangenheit, wo jeder Großrusse als Unterdrücker galt, auslöschen wollen.
Wenn aber Polen auf unser Friedensangebot schweigt, wenn es dem französischen Imperialismus, der es zum Kriege gegen Russland hetzt, auch weiterhin Handlungsfreiheit gewährt, wenn in Polen täglich neue Züge mit Kriegsmaterial eintreffen, wenn die polnischen Imperialisten uns drohen, dass sie Russland mit Krieg überziehen werden, dann sagen wir: "Versucht es nur! Wir werden euch eine Lehre erteilen, die ihr nie vergesst." (Beifall.)
Aus: Zur Frage der Nationalitäten oder der 'Autonomisierung' - 30./31. Dezember 1922
Ich habe bereits in meinen Schriften über die nationale Frage geschrieben, dass es nicht angeht, abstrakt die Frage des Nationalismus im allgemeinen zu stellen. Man muss unterscheiden zwischen dem Nationalismus einer unterdrückenden Nation und dem Nationalismus einer unterdrückten Nation, zwischen dem Nationalismus einer großen Nation und dem Nationalismus einer kleinen Nation.
Was die zweite Art von Nationalismus betrifft, so haben wir Angehörigen einer großen Nation uns in der geschichtlichen Praxis fast immer einer Unzahl von Gewalttaten schuldig gemacht, ja mehr als das, unmerklich für uns selbst fügen wir den anderen eine Unzahl von Gewalttaten und Beleidigungen zu - ich brauche mir nur meine Wolgazeit ins Gedächtnis zurückzurufen und mich daran zu erinnern, wie man bei uns die Nichtrussen behandelt, wie man einen Polen nicht anders denn "Polacken" nennt, jeden Tataren als "Fürsten" verspottet, den Ukrainer nur beim Spitznamen "Chochol" ruft, alle Georgier und die Angehörigen anderer kaukasischer Stämme als "Kapkaser" verhöhnt.
Deshalb muss der Internationalismus seitens der unterdrückenden oder sogenannten "großen" Nation (obzwar groß nur durch ihre Gewalttaten, groß nur in dem Sinne, wie ein Dershimorda groß ist) darin bestehen, nicht nur die formale Gleichheit der Nationen zu beachten, sondern auch solch eine Ungleichheit anzuerkennen, die seitens der unterdrückenden Nation, der großen Nation, jene Ungleichheit aufwiegt, die sich faktisch im Leben ergibt. Wer das nicht begriffen hat, der hat die wirklich proletarische Einstellung zur nationalen Frage nicht begriffen, der ist im Grunde auf dem Standpunkt des Kleinbürgertums stehengeblieben und muss deshalb unweigerlich ständig zum bürgerlichen Standpunkt abgleiten.
Was ist für den Proletarier wichtig? Für den Proletarier ist nicht nur wichtig, sondern geradezu lebensnotwendig, sich seitens des Nichtrussen ein Maximum von Vertrauen im proletarischen Klassenkampf zu sichern. Was ist dazu nötig? Dazu ist nicht nur die formale Gleichheit nötig. Dazu ist nötig, durch sein Verhalten oder durch seine Zugeständnisse gegenüber dem Nichtrussen so oder anders das Misstrauen, den Argwohn zu beseitigen, jene Kränkungen aufzuwiegen, die ihm in der geschichtlichen Vergangenheit von der Regierung der "Grossmachtnation" zugefügt worden sind.
Ich denke, für Bolschewiki, für Kommunisten ist es überflüssig, das noch weiter und eingehend zu erklären. Und ich glaube, im gegebenen Fall, in dem es sich um die georgische Nation handelt, haben wir ein typisches Beispiel dafür, wo eine wahrhaft proletarische Einstellung größte Vorsicht, Zuvorkommenheit und Nachgiebigkeit unserseits erfordert. Ein Georgier, der sich geringschätzig zu dieser Seite der Sache verhält, der leichtfertig mit Beschuldigungen des "Sozialnationalismus" um sich wirft (während er selbst ein wahrer und echter "Sozialnationalist", ja mehr noch, ein brutaler großrussischer Dershimorda ist), ein solcher Georgier verletzt im Grunde genommen die Interessen der proletarischen Klassensolidarität, weil nichts die Entwicklung und Festigung der proletarischen Klassensolidarität so sehr hemmt wie die nationale Ungerechtigkeit und weil die "gekränkten" nationalen Minderheiten für nichts ein so feines Gefühl haben wie für die Gleichheit und für die Verletzung dieser Gleichheit, sei es auch nur aus Fahrlässigkeit, sei es auch nur im Scherz, für die Verletzung dieser Gleichheit durch ihre Genossen Proletarier. Deshalb ist in diesem Falle ein Zuviel an Entgegenkommen und Nachgiebigkeit gegenüber den nationalen Minderheiten besser als ein Zuwenig. Deshalb erfordert in diesem Falle das grundlegende Interesse der proletarischen Solidarität und folglich auch des proletarischen Klassenkampfes, dass wir uns zur nationalen Frage niemals formal verhalten, sondern stets den obligatorischen Unterschied im Verhalten des Proletariers einer unterdrückten (oder kleinen) Nation zur unterdrückenden (oder großen) Nation berücksichtigen. ...
Es wäre unverzeihlicher Opportunismus, wenn wir am Vorabend dieses Auftretens des Ostens [der Hunderte Millionen zählenden Völkern Asiens], zu Beginn seines Erwachens, die Autorität, die wir dort haben, auch nur durch die kleinste Grobheit und Ungerechtigkeit gegenüber unseren eigenen nichtrussischen Völkern untergraben würden. Eine Sache ist die Notwendigkeit, uns gegen die westlichen Imperialisten zusammen zu schließen, die die kapitalistische Welt verteidigen. Hier kann es keine Zweifel geben, und ich brauche nicht erst zu sagen, dass ich diese Maßnahmen rückhaltlos gutheiße. Eine andere Sache ist es, wenn wir selbst, sei es auch nur in Kleinigkeiten, in imperialistische Beziehungen zu den unterdrückten Völkerschaften hineinschlittern und dadurch unsere ganze prinzipielle Aufrichtigkeit, unsere ganze prinzipielle Verteidigung des Kampfes gegen den Imperialismus völlig untergraben. Denn der morgige Tag der Weltgeschichte wird eben der Tag sein, an dem die vom Imperialismus unterdrückten Völker, die sich schon regen, endgültig erwachen werden, an dem der lange und schwere Entscheidungskampf um ihre Befreiung beginnen wird.
Anmerkung:
Nach dem 'Fünf-Tage-Krieg' im August 2008 novellierte die Staatsduma der Russländischen Föderation auf Initiative des damaligen Präsidenten Dmitrij Medwedew das Verteidigungsgesetz vom 31. Mai 1996 (Zakon 'Ob oborone'), um das militärische Eingreifen in Georgien rückwirkend zu legalisieren. Die Gesetzesänderungen 'erlauben' es nun militärischen Einheiten der Russischen Föderation, "zum Schutze russischer Staatsbürger", d.h., der russischen "Landsleute im Ausland", sowie von Personen anderer ethnischer Zugehörigkeit, die mit russischen Pässen ausgestattet wurden, militärische Operationen außerhalb der russischen Grenzen durchzuführen.
Die Ergänzung des Punktes 2.1 des Artikels 10 des novellierten Verteidigungsgesetzes lautet: "Mit dem Ziel, die Interessen der Russischen Föderation und seiner Bürger zu schützen, den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit aufrecht zu erhalten, können Einheiten der Streitkräfte der Russischen Föderation außerhalb der Grenzen der Russischen Föderation entsprechend den allgemein akzeptierten Prinzipien und Normen des Völkerrechts, den internationalen Verträgen der Russischen Föderation und den geltenden föderalen Gesetzen operativ eingesetzt werden, u. a. um folgende Aufgaben zu erfüllen:
- Schutz von Bürgern der Russischen Föderation außerhalb des Territoriums der Russischen Föderation gegen bewaffnete Überfälle (Punkt 3);
- Abwehr oder Prävention eines bewaffneten Überfalls auf einen anderen Staat, der sich mit einer entsprechenden Bitte an die Russische Föderation wendet (Punkt 2);
Text: Heribert Thomalla
Warnung: "Werdet erst einmal Proletarierinnen!"
27.03.2014: Am Internationalen Frauentag wurden wieder in der ganzen Welt Aktionen durchgeführt. Von Frauen unterschiedlicher Kulturen, unterschiedlicher sozialer Schichten, Frauen verschiedener politischer Zielrichtungen. Proletarierinnen und Nichtproletarierinnen. Es sind nicht mehr nur linke Parteien und Organisationen, Gewerkschaften oder Sozialdemokratie, die diesen Tag nutzen, sich besonders an die Frauen zu wenden. Auch die bürgerlichen Medien singen an diesem Tag das "Hohe Lied" auf die Frau. Dabei gelingt es ihnen nicht, die besondere Lage der Frau in dieser Gesellschaft aufzuzeigen, sie wollen dies gar nicht, bleiben bei ihren Statistiken "wer putzt oder bügelt mehr oder besser" hängen. Sie zeigen uns die Jungunternehmerinnen, die ihre "Karriere" machen. Wir aktiven Frauen erwarten nicht anders von diesen Medien.
Wissenschaft unter den Rädern der Ignoranz - über den verbissenen Kampf des HPB gegen den Neoliberalismus
07.02.2014: Eine Erwiderung von Rainer Dörrenbecher auf Hans-Peter Brenners Auffassungen zum 'Neoliberalismus' in seinem Diskussionsbeitrag "Zum 90.Todestag Lenins - Teil 1: 'Bindeglieder' zwischen Marxismus und Leninismus". In diesem Beitrag hatte sich H.P. Brenner erneut polemisierend mit den Begriffen 'Globalisierung und Neoliberalismus' und deren Inhalt auseinandergesetzt.
Überlegungen zu Übergängen in mögliche Sozialismen im 21. Jahrhundert
26.01.2014: Unabhängig davon, ob es sich jemand wünscht oder nicht, gilt: Wir leben weder in einer revolutionären noch in einer vorrevolutionären Situation (G. Fülberth). Das ist bereits seit längerem so und wird sich auch nicht so schnell ändern. Die Rahmenbedingungen, wie sie Gramsci bereits in den 30er Jahren für Westeuropa beschrieben hat, werden für viele marxistische Organisationen über Jahrzehnte der Normalfall sein.
Papst Franziskus: „Man muss kämpfen, um zu leben“
11.01.2014: "Wir dürfen nicht mehr auf die blinden Kräfte und die unsichtbare Hand des Marktes vertrauen. ... Diese Wirtschaft tötet. ... Man muss kämpfen, um zu leben – und oft auch nur, um ein wenig würdevoll zu leben." Es sind Passagen wie diese, die zu heftigen Reaktionen auf das Apostolische Schreiben »Evangelii gaudium« des Papstes führten. "Der Papst irrt", titelt Marc Beise, das neoliberale Schlachtross der Süddeutschen Zeitung seine Replik. Für die FAZ sind die "Äußerungen des Papstes repräsentativ für die moderne Unkenntnis vieler Christen über die politische Ökonomie". Die Theologen Kuno Füssel ('ChristInnen für den Sozialismus' und Mitherausgeber von kommunisten.de) und Michael Ramminger sind dagegen der Meinung, dass der Papst mit seiner "Kapitalismusanalyse bis zum Geheimnis des Fetischcharakters von Ware und Kapital vorgedrungen ist".
Zur INITIATIVE kommunistischer und Arbeiterparteien Europas
27.12.2013: Auf Initiative der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) fand am 1. Oktober 2013 ein Gründungstreffen zur INITIATIVE kommunistischer und Arbeiterparteien zur Erforschung und Ausarbeitung europäischer Themen und zur Koordinierung ihrer Aktivitäten statt. Die DKP hat an diesem Treffen nicht teilgenommen und auch die Gründungserklärung nicht unterschrieben. Der 5. PV-Tagung vom 16./17. November 2013 lag nun ein Antrag von Renate Münder und Björn Schmidt zur Mitgliedschaft der DKP in der 'Initiative Kommunistischer und Arbeiterparteien zur Erforschung und Ausarbeitung europäischer Themen und zur Koordinierung ihrer Aktivitäten' vor. Er wurde aber zurückgezogen und soll offensichtlich zu einem späteren Zeitpunkt im PV behandelt werden.
Gedenktafel am Karl-Liebknecht-Haus enthüllt
18.12.2013: Am Dienstag wurde am Berliner Karl-Liebknecht-Haus die Gedenktafel für die in den Jahren 1933 bis 1950 in der Sowjetunion verfolgten und ermordeten deutschen AntifaschistInnen enthüllt. Der Beschluss des Vorstandes der Partei DIE LINKE, am Karl Liebknecht Haus eine Gedenktafel anzubringen, rief und ruft heftige Reaktionen hervor. Auf der nichtautorisierten facebook-Seite "Deutsche Kommunistische Partei" wurde zu einer Gegenkundgebung „gegen die Enthüllung des revisionistischen Tafelprojekts“ aufgerufen. Verteilt wurde die Stellungnahme des Landesvorstands der DKP Berlin, der zwar nicht bezweifelt, dass deutsche KommunistInnen Opfer des von Stalin entfesselten Terrors wurden, der jedoch diese Verbrechen relativiert und es als falsch erachtet, „vermöge der Gedenktafel an das Schicksal der betroffenen Antifaschisten und Kommunisten zu erinnern“. Peter Harry Schmitt, dessen Vater und Großmutter Opfer der Repressionen wurden, schreibt: „Für mich ist das nicht ein hässlicher Erbteil wie es in der Erklärung der DKP Berlin heißt, sondern wir reden über Verbrechen, die uns noch heute belasten und bewegen. .. Ich lasse mir auch bestimmt nicht von der DKP Berlin unterstellen, dass ich letztlich das Geschäft des Gegners betreibe und Gesellschaftskritik auf Knien leiste. .. Ein öffentliches Gedenken verbunden mit aufrechter Aufarbeitung hilft uns allen.“