16.12.2024: Israels Armee hat das Gesundheitssystem im Gazastreifen nahezu vollständig zerstört: mit Bomben, Blockaden und der Unterstützung vieler Journalisten, schreibt der Journalist Fabian Goldmann in seiner Untersuchung über die Zerstörung des Gesundheitswesen in Gaza und die Rolle deutscher Medien bei der Verbreitung israelischer Propaganda.
"Der Internationale Strafgerichtshof muss damit beginnen, leitende Journalisten wegen ihrer Mittäterschaft bei Israels Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzuklagen."
Jonathan Cook, britischer Journalist (https://www.jonathan-cook.net/)
Nach den jüngsten Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vom 3. Dezember werden von den 35 von ihr bewerteten Krankenhäusern in Gaza nur 17 als "teilweise funktionsfähig" bezeichnet. Fünf sind "vollständig beschädigt" und 13 werden als "nicht funktionsfähig" eingestuft. (https://www.who.int/publications/m/item/herams-opt-gaza-infographics-2024-11-en)
In Nordgaza hat Israel alle drei Krankenhäuser gezwungen, ihren Betrieb einzustellen, mit Ausnahme des Kamal-Adwan-Krankenhauses in Beit Lahia, das notdürftig mit nur zwei bis vier Medizinern betrieben wird, nachdem die israelischen Streitkräfte den Großteil des medizinischen Personals verhaftet oder zwangsvertrieben haben. Das Kamal-Adwan-Krankenhaus ist Tag und Nacht israelischen Angriffen mit Scharfschützen und Drohnen ausgesetzt.
"Letzte Nacht war eine der schwierigsten Nächte, die wir je erlebt haben. Wieder einmal nahmen ferngesteuerte, mit Sprengstoff ausgestattete Roboter das Gebiet in der Nähe des Kamal Adwan Krankenhauses ins Visier, was bei den Patienten große Angst auslöste und Türen und Fenster zertrümmerte. ... Drei Mitglieder unseres medizinischen Teams wurden verletzt, darunter Dr. Nihad, der zum dritten Mal verletzt wurde, während er in der Notaufnahme und Aufnahmeabteilung des Krankenhauses arbeitete", klagte der Leiter des Krankenhauses, Dr. Hussam Abu Safia, am 13. Dezember. "Wir fordern internationalen Schutz für das Krankenhaus und sein Personal sowie die Bereitstellung spezialisierter Operationsteams, medizinischer Hilfsgüter und wichtiger Medikamente, um sicherzustellen, dass wir die Menschen, die wir behandeln, auch weiterhin versorgen können." (https://x.com/SuppressedNws/status/1867552783613710467)
Einen Tag zuvor (12.12.) hat ein Scharfschütze der israelischen Besatzungsarmee den letzten orthopädischen Chirurgen im belagerten Norden Gazas mit einem Kopfschuss ermordet. Dr. Saeed Joudeh war auf seinem Weg zur Arbeit im Kamal Adwan Krankenhaus.
In deutschen Medien sind die Angriffe, die zu anderen Zeiten und bei anderen politischen Konstellationen noch für Breaking News und Schlagzeilen auf Titelseiten gesorgt hätten, so gut wie kein Thema.
Die israelischen Streitkräfte (IDF) haben ihre Einsätze gegen medizinische Einrichtungen in Gaza wiederholt damit gerechtfertigt, dass diese von Hamas-Kämpfern genutzt würden. Eine Behauptung, die Andrew Cayley, leitender Staatsanwalt am Internationalen Strafgerichtshof bezweifelt, "weil eindeutig Lügen verbreitet werden" und die militärische Präsenz der Hamas in diesen Krankenhäusern, wenn überhaupt vorhanden, stark übertrieben werde.
Andrew Cayley deutete an, dass israelische Operationen gegen Gesundheitseinrichtungen im Gazastreifen vom Internationalen Strafgerichtshof untersucht werden würden. "Luftangriffe, Belagerungen, Überfälle auf Krankenhäuser. Dazu kommt der Mangel an Treibstoff, Strom, Lebensmitteln und Medikamenten. Deshalb ist das System zusammengebrochen",sagte er und fügte hinzu. "Wenn wir uns die Schäden an Gesundheitseinrichtungen und die Zerstörung von Gesundheitseinrichtungen ansehen, werden wir uns wahrscheinlich später im nächsten Jahr damit befassen. Wir müssen dies schrittweise tun, einfach aufgrund der Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen." (The Guardian, 11.12.2024)
https://youtu.be/UAmk4efA2t0
Al Jazeera, 5.10.2024: Hinter den Kulissen der Berichterstattung westlicher Medien über Gaza
"Israels Armee hat das Gesundheitssystem im Gazastreifen nahezu vollständig zerstört: mit Bomben, Blockaden und der Unterstützung vieler Journalisten."
Israels Armee hat das Gesundheitssystem im Gazastreifen nahezu vollständig zerstört: mit Bomben, Blockaden und der Unterstützung vieler Journalisten, schreibt der Journalist Fabian Goldmann.
Zehntausende Tote, Millionen Vertriebene, seit 14 Monaten täglich neue Kriegsverbrechen, Genozid-Vorwürfe durch die renommiertesten Experten und Menschenrechtsorganisationen der Welt. Die Massaker in Gaza enden nicht. Alles detailliert und umfassend dokumentiert. Aber für ZDF, Tagesschau und die deutschen "Leitmedien" sind sie keine Schlagzeile wert. Sie verbreiten dieselbe Propaganda wie eh und je, kritisiert Fabian Goldmann.
"Die westlichen Medien sind Teil des Mechanismus des Völkermords geworden“
Craig Mokhiber, ehemaliger Leiter des UN-Menschenrechtsbüros in New York, der wegen der Untätigkeit der UN auf den Völkermord im Gazastreifen zurückgetreten ist
Fabian Goldmann prangert auf seinem X-Account (https://x.com/goldi/) die Verbreitung israelischer Kriegspropaganda und die Verteidigung des Völkermordes an den Palästinenser:innen durch die deutschen "Leitmedien" an:
"Wenn der Völkermord endet, kann ich ein dickes Buch über Journalisten der Mainstream-Medien schreiben, die ständig viele Stunden meiner Zeit und der meiner Kollegen verschwendet haben, indem wir für sie unentgeltlich harte Arbeit geleistet und unwiderlegbare Beweise für israelische Verbrechen gesammelt haben, und die dann NIEMALS auch nur ein einziges Wort davon veröffentlicht haben, niemals!"
Muhammad Shehada, Abteilungsleiter bei Euro-Mediterranean Human Rights Monitor, https://x.com/muhammadshehad2
Während israelische Soldaten vor einem Jahr gerade Gazas Al-Schifa-Krankenhaus beschossen, ließen die Tagesthemen Israels Armeesprecher 7min lang unwidersprochen "dutzende Krankenhäuser" als "Terror-Zentralen" bezeichnen und in die Kamera lügen, dass man diese dennoch nicht angreifen werde. Eine Jahr später hat Israels Armee jedes einzelne Krankenhaus im Gazastreifen bombardiert, beschossen und gestürmt. Dass unter keinem von ihnen eine "Hamas-Zentrale" gefunden wurden, hat das Publikum der Tagesthemen bis heute nicht erfahren.
Die ganze Geschichte hat Fabian Goldmann untersucht:
Wenn Journalisten Krankenhäuser sturmreif schreiben
Israels Armee hat das Gesundheitssystem im Gazastreifen nahezu vollständig zerstört: mit Bomben, Blockaden und der Unterstützung vieler Journalisten.
Fabian Goldmann, 10. November 2024
"Israel greift die Infrastruktur der Hamas an", meldete die Tagesschau. Vom "Kampf um die Hamas-Zentrale" berichtete BILD. Die FAZ titelte: "Einmarsch in die Terrorbasis". Worüber Medien mit diesen und hunderten ähnlichen Schlagzeilen vor einem Jahr berichteten, war nicht das Schleifen einer schwer gesicherten Festungsanlage, nicht der Sturm auf eine mit Waffen und Kämpfern gefüllte Garnison. Der Ort, den Medien wochenlang zur "Terrorbasis” und "Hamas-Zentrale” erklärte, war ein Krankenhaus. Und der vermeintliche "Kampf” fand nicht zwischen zwei feindlichen Truppen statt. Stattdessen standen sich eine hochgerüstete Armee auf der einen und tausende Patienten, Ärzte und andere wehrlose Menschen auf der anderen Seite gegenüber. Als die israelische Armee ihre Truppen schließlich wieder abzog, waren vom einst größten Krankenhaus im Gazastreifen kaum mehr als Trümmer und Massengräber übrig. Die angebliche "Hamas-Kommandozentrale” unter Gazas Al-Schifa-Klinik wurde nie gefunden.
Vielleicht der größte unter all den Tabubrüchen
Über ein Jahr dauert der Krieg im Nahen Osten nun schon an. Zehntausende Menschen wurden getötet, hunderttausende verwundet, Millionen ins Elend gestürzt, große Teile Palästinas und des Libanon liegen in Trümmern. Und mit ihnen jede Menge einstige Gewissheiten über internationales Recht, westliche Werte, zivilisatorische Errungenschaften, den unbestimmten Glauben, dass jedes Unrecht doch irgendwann einmal ein Ende haben muss.
Die Geschichte des Krieges, mit dem Israel seit dem Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 die Region überzieht, ist auch eine nicht enden wollender Tabubrüche. In der immer länger werdenden Liste schockierender Ereignisse, ist kaum eine Entwicklungen so unfassbar, so folgenreich für die Betroffenen, wie wenn ausgerechnet jene Orte zum Ziel von Leid und Zerstörung werden, die selbst kein anderes Ziel haben, als Menschen vor Leid zu bewahren.
Nicht versehentlich, sondern systematisch, lange angekündigt und vorbereitet. Nicht im Nebel des Krieges, sondern vor den Augen der Welt. Nicht als ein fürchterlicher Einzelfall, sondern immer und wieder. Nicht durch irgendeinen abtrünnigen, isolierten Paria dieser Welt, sondern mit den Waffen und Geldern der Mächtigen. Nicht begleitet von medialer Empörung und journalistischen Enthüllungen, sondern mit der propagandistischen Unterstützung vieler Medienschaffender, die solang immer neue PR-Meldungen über die "Hamas-Kommandozentrale unterm Krankenhaus” abschrieben, bis vom Gesundheitssystem des Gazastreifens nichts mehr übrig war.
Schon nach einer Woche bekam die Al-Schifa-Klinik ihr “Todesurteil”
Wie Israels Armee mit medialer Rückendeckung das Gesundheitssystem des Gazastreifens zerstörte, lässt sich am Beispiel jeder der 36 Kliniken in der Region erzählen. Aber der Fall des Al-Schifa-Krankenhauses ist besonders: Weil die Propaganda-Kampagne gegen die Klinik die erste ihrer Art war und damit den Weg für viele weitere ebnete. Und weil die Stürmung und die spätere Zerstörung der Klinik, die allein für ein Drittel der Gesundheitsversorgung im Küstenstreifen verantwortlich war, die schlimmsten Folgen mit sich brachte.
Bei Fabian Goldmann weiterlesen: https://www.schantall-und-scharia.de/wenn-journalisten-krankenhaeuser-sturmreif-schreiben/
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