05.11.2024 Ein neuer Bericht von Francesca Albanese, der UN-Sonderberichterstatterin für die Lage der Menschenrechte in den palästinensischen Gebieten, warnt davor, dass sich der israelische Völkermord in Gaza auf das Westjordanland ausweitet.
Francesca Albanese, die UN-Sonderberichterstatterin für die Lage der Menschenrechte in den seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten, stellte am 30. Oktober 2024 ihren jüngsten Bericht der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York vor. Der Bericht trägt den Titel "Völkermord als koloniale Auslöschung" [1]
Albanese äußerte: "Völkermord ist ein komplexes und heimtückisches Verbrechen. Die Beweisführung einer zerstörerischen Absicht gestaltet sich schwierig – allerdings nicht, wenn diese so offensichtlich ist, von einer politischen Doktrin des ideologischen Hasses gestützt und in institutionellen Strukturen und Maßnahmen zum Ausdruck gebracht wird."[2]
Der neue Bericht folgt auf ihren Bericht vom März 2024 mit dem Titel "Anatomy of a genocide", in dem Albanese zu dem Schluss kam, dass es "vernünftige Gründe für die Annahme" gibt, dass die Schwelle für die Begehung des Verbrechens des Völkermords in Gaza überschritten wurde. (siehe kommunisten.de, 27.3.2024: "UN-Bericht: Anatomie eines Völkermordes")
Der aktuelle Bericht erweitert die Analyse jedoch auf das Westjordanland, einschließlich Ostjerusalem, und zeigt, wie Israel in den gesamten von ihm kontrollierten besetzten Gebieten einen Völkermord an den Palästinensern begeht.
Albanese schreibt in ihrem Bericht:
"Während das Ausmaß und die Art des andauernden israelischen Angriffs auf die Palästinenser je nach Gebiet variieren, ist die Gesamtheit der israelischen Zerstörungsakte, die sich gegen das gesamte palästinensische Volk richten, mit dem Ziel, das gesamte Land Palästina zu erobern, eindeutig erkennbar. Die Muster der Gewalt gegen die Gruppe als Ganzes rechtfertigen die Anwendung der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes (Völkermordkonvention), um den Völkermord im gesamten besetzten palästinensischen Gebiet zu beenden, zu verhindern und zu bestrafen."
Insgesamt werde diese völkermörderische Gewalt mit dem Ziel ausgeübt, ein "Groß-Israel" zu schaffen, das dem expansionistischen zionistischen Ziel dient, das gesamte historische Palästina (und Gebiete darüber hinaus) zu übernehmen. Bei diesem Unterfangen werden alle Palästinenser zur Zielscheibe.
"Das Streben nach einem "Großisrael" (Eretz Israel), das die jüdische Souveränität über das Gebiet festigt, das heute sowohl Israel als auch das besetzte palästinensische Gebiet umfasst, ist seit den Anfängen des zionistischen Projekts und vor der Gründung Israels ein langjähriges Ziel."
"Völkermord als koloniale Auslöschung", Bericht an die UN [1]
Wie ist es möglich, dass Sie nach 42.000 Toten kein Mitgefühl für die Palästinenser empfinden können?
"Ich meine, Sie können so weitermachen und Sie werden für den Rest der Welt, der sich in Aufruhr befindet, immer irrelevanter werden."
Bei der Vorstellung ihres Berichts vor dem Dritten Ausschuss der UN-Generalversammlung drückte die italienische Menschenrechtsanwältin ihre Frustration aus:
"Ich bin immer schockiert und enttäuscht, wenn ich diesen Raum betrete, weil viele von Ihnen dasselbe Papier verlesen, das Sie letztes Jahr vor sich hatten. Natürlich verurteilen wir den Angriff der Hamas, natürlich bekunden wir unsere Solidarität mit den israelischen Opfern. Natürlich fordern wir die Freilassung der Geiseln, sowohl der israelischen als auch der palästinensischen. Aber ist es möglich, dass man nach 42.000 Toten kein Mitgefühl für die Palästinenser empfinden kann? Diejenigen unter Ihnen, die kein Wort über die Geschehnisse in Gaza verloren haben, zeigen, dass das Mitgefühl in diesem Raum verflogen ist, aber Mitgefühl ist der Klebstoff, der uns als Menschheit vereint.
Ich meine, Sie können so weitermachen und Sie werden für den Rest der Welt, der sich in Aufruhr befindet, immer irrelevanter werden. Und das gilt nicht nur für den globalen Süden.
Schauen Sie sich die jungen Menschen in Europa an, in den westlichen Ländern, denen gegenüber viele von Ihnen, darunter auch mein eigenes Land, und Deutschland und Frankreich und Großbritannien, demonstrieren, dass die Menschenrechte zwar gut sind, um in Schulen und Universitäten gelehrt zu werden, aber wagen Sie es nicht, die Versammlungs- und Meinungsfreiheit auf der Straße auszuüben – erst recht wenn es für Palästina ist, und umso mehr, je mehr es unseren Verbündeten Israel betrifft. Das ist es, was Sie den jungen Generationen vermitteln."
Albanese empörte sich über die Untätigkeit des Sicherheitsrates:
"Die Institutionen des Staates Israel, die sich selbst als rechtsstaatliches System bezeichnen – die Exekutive, das Parlament, die Gerichte – haben es versäumt, Machtmissbrauch einzudämmen und zu beseitigen. Stattdessen haben sie gemeinsam den Lauf der aktuellen Katastrophe vorangetrieben. Und während internationale Tribunale hoffentlich Einzelpersonen zur Rechenschaft ziehen werden, muss die Verantwortung des Staates als solche verstanden und bewertet werden und kann nicht warten. Dieser hätte bereits im vergangenen Oktober vom Sicherheitsrat gestoppt werden müssen, nachdem Dutzende unabhängiger UN-Experten drei Frühwarnungen herausgegeben hatten, als der ICJ seine ersten vorläufigen Maßnahmen verabschiedete, als ich meinen ersten Bericht vorlegte, oder bevor Rafah besetzt wurde oder bevor die Invasion des Libanon stattfand. Doch stattdessen lässt mich das Schweigen oder schlimmer noch die Rechtfertigung durch eine kleine, aber sehr einflussreiche Anzahl von Staaten in diesem Raum völlig sprachlos werden. Und doch besteht überall dort, wo Leben zu retten sind, die dringende Notwendigkeit, einzugreifen, um neue Gräueltaten zu verhindern, die die Menschheitsgeschichte weiter prägen werden. Lasst diesen Moment jetzt sein."
"Ich verstehe nicht, warum Mitgliedsstaaten, einschließlich der Vereinigten Staaten, sich nicht einfach an das geltende Recht halten können. Ich bin wirklich besorgt über die Gesetzlosigkeit, die hier vorangetrieben wird. Ich wiederhole: Das Völkerrecht besagt, dass Israel sich zum jetzigen Zeitpunkt – nach der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs – aus den besetzten palästinensischen Gebieten zurückziehen muss. Dafür gibt es auch eine Frist. Sie läuft im September nächsten Jahres ab. Die Frage ist, was tun die Vereinigten Staaten, um dieser Entscheidung nachzukommen? Was tun die Vereinigten Staaten, um sicherzustellen, dass Israel die einstweiligen Maßnahmen des Internationalen Gerichtshofs einhält? Der Rest ist, denke ich, Augenwischerei."
Im Nachgang zu der Veranstaltung im Menschenrechtsrat der UN forderte Albanese die UN-Mitgliedstaaten auf, eine Suspendierung Israels als UN-Mitglied wegen des Völkermords an den Palästinensern in Gaza und der jahrzehntelangen illegalen Besetzung palästinensischen Landes in Betracht zu ziehen. "Genug ist genug", sagte sie.[3]
"beispiellose Angriffe" gegen Albanese
Im Vorfeld hatte die Israel-Lobby eine massive Verleumdungskampagne gegen Albanese gestartet. Die US-Botschafterin bei der UN, Linda Thomas-Greenfield, erklärte, dass Albanese "für ihre Rolle ungeeignet ist". Und setzte hinzu: "Die Vereinten Nationen sollten keinen Antisemitismus von einer UN-Beamtin dulden, die mit der Förderung der Menschenrechte beauftragt wurde." Der israelische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Danny Danon, forderte gleich direkt den Rücktritt oder die Entlassung der UN-Sonderberichterstatterin. Für den Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, werde Israel von Albanese "dämonisiert" und bediene "damit antisemitische Narrative".
So spielten die persönlichen Angriffe auch eine Rolle sowohl bei der Vorstellung des Berichts im UN-Menschenrechtsausschuss wie bei der folgenden Pressekonferenz.
Sowohl Chile wie China solidarisierten sich mit Albanese: "Wir möchten zunächst auf die beispiellosen Angriffe eingehen, denen die Sonderberichterstatterin in letzter Zeit ausgesetzt war, und sie hat die volle Unterstützung von Chile. Wenn sie nicht unabhängig und geschützt ist, kann sie ihre Aufgaben nicht frei von Druck ausüben", erklärte der chilenische UN-Botschafter.
"China weiß es zu schätzen, dass die Sonderberichterstatterin trotz des Drucks für die legitimen Rechte des palästinensischen Volkes eintritt" führte der chinesische UN-Botschafter aus. "Erst gestern hat die Vertreterin der USA die Sonderberichterstatterin in den sozialen Medien politisch unter Druck gesetzt, was die Doppelmoral und Heuchelei der USA in Menschenrechtsfragen voll und ganz offenbart."
"Nicht ich bin die Story. Die Story ist, dass die Palästinenser Gefahr laufen, ausradiert zu werden. … Ich werde meine Arbeit machen, solange ich dieses Mandat habe, und damit hat es sich."
"Ich bin genauso schockiert wie Sie, wenn ich sehe, wie sich die Vereinigten Staaten in diesem Zusammenhang verhalten, im Zusammenhang mit dem Völkermord, der sich im Gaza abspielt", sagte Albanese zu den Verleumdungen durch die US-amerikanische UN-Botschafterin. "Aber ich bin nicht überrascht, dass sie jeden angreifen, der die Fakten anspricht, die sich, offen gesagt, unter unserer Beobachtung in Gaza abspielen. Und sie tun dies so brutal, weil sie sich herausgefordert fühlen – denn die Vereinigten Staaten sind nicht einfach nur Beobachter. Die Vereinigten Staaten sind ein Wegbereiter für das, was Israel tut, und haben daher natürlich einen Interessenkonflikt, sagen wir, wenn sie Angriffe gegen jeden orchestrieren, der Israel kritisiert."
Albanese wollte dieses Thema aber nicht weiter diskutieren.
"Ich fühle mich wirklich nicht wohl dabei, eine weitere Diskussion über die Angriffe gegen mich zu führen, weil diese nicht gegen mich gerichtet sind und nicht ich die Story bin. Die Story ist die Tatsache, dass es die Palästinenser sind, die Gefahr laufen, von ihrem Land ausradiert zu werden." Und weiter: "Ich glaube nicht, dass Israel der einzige Staat ist, der Sonderberichterstatter angreift. Sonderberichterstatter werden angegriffen, wenn sie die Menschenrechtsberichte von Mitgliedstaaten unter die Lupe nehmen, und es gibt Staaten, die lauter und heftiger sind als andere.
Im Fall von Israel ist auffällig, dass es eine Gruppe von Staaten gibt, die das, was Israel sagt und tut, nachplappert und nachbetet, und es gibt eine Armee von Handlangern, die buchstäblich Erfindungen produzieren, die nur ein einziges Ziel haben, nämlich die Aufmerksamkeit von dem abzulenken, wo sie sein sollte.
Ich werde also keine Diskussion darüber führen, wie ich diese Angriffe auffasse, denn sie richten sich nicht nur gegen mich. Sie richteten sich auch gegen die Sonderberichterstatter für die besetzten palästinensischen Gebiete, die vor mir kamen, und insbesondere in diesem Jahr wurde der Generalsekretär verunglimpft und sogar zur Persona non grata erklärt – willkommen im Club."
"Ich werde meine Arbeit machen, solange ich dieses Mandat habe, und damit hat es sich", fügte sie hinzu.
Francesca Albanese: "Gaza ist jetzt eine Wüste aus Trümmern, Müll und menschlichen Überresten." |
||
Video der einleitenden Rede von Francesca Albanese, Sonderberichterstatterin für die Lage der Menschenrechte in den seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten, mit der sie dem Menschenrechtsrat, einem Nebenorgan der Generalversammlung der Vereinten Nationen, am 30. Oktober 2024 in New York ihren jüngsten Bericht vorlegte. |
Völkermordgefahr im Westjordanland
In ihrem neuen Bericht beginnt Albanese erneut mit der Feststellung des Völkermordes in Gaza. Sie schreibt, dass sich die Situation seit ihrem ersten Bericht nur verschlimmert hat und dass Israel den Internationalen Gerichtshof ignoriert hat:
"Selbst bei vorsichtiger Betrachtung stellen diese vielfältigen Qualen genau den irreparablen Schaden dar, vor dem der Internationale Gerichtshof seit Januar 2024 gewarnt hat und den Israel den Palästinensern als Gruppe absichtlich zugefügt hat."
Albanese fährt dann mit dem Westjordanland fort:
"Völkermordgefahr im Westjordanland, einschließlich Ostjerusalem ... Die Verwüstung, die Gaza zugefügt wurde, breitet sich nun auf das Westjordanland, einschließlich Ostjerusalem, aus. Im Dezember 2023 sagte der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant voraus, dass 'wenn klar wird, was die IDF in Gaza getan hat, wird sich dies auch auf Judäa und Samaria [Westjordanland] auswirken'".
Die Nachrichten aus dem Westjordanland im vergangenen Jahr wären für sich genommen schon eine aufsehenerregende Geschichte gewesen, wenn nicht der Gazastreifen mit seinen Szenen der völligen Zerstörung und des Todes alles überschattet hätte. Doch Albanese bietet eine vergleichende Perspektive:
"Vom 7. Oktober 2023 bis Ende September 2024 führten israelische Streitkräfte mehr als 5.505 Razzien [im Westjordanland] durch. Gewalttätige Siedler, unterstützt von israelischen Streitkräften und Beamten, führten 1.084 Angriffe durch, bei denen mehr als 692 Palästinenser getötet wurden – das Zehnfache des jährlichen Durchschnitts der letzten 14 Jahre von 69 Todesopfern – und 5.199 verletzt wurden ... Das Muster, Kinder ins Visier zu nehmen, ist schockierend. Seit dem 7. Oktober wurden 169 palästinensische Kinder getötet, von denen fast 80 Prozent in den Kopf oder den Oberkörper geschossen wurden. Dies entspricht einem Anstieg von 250 Prozent gegenüber den vorangegangenen neun Monaten und macht mehr als 20 Prozent der seit 2000 im Westjordanland getöteten Kinder aus."
"Das Muster, Kinder ins Visier zu nehmen, ist schockierend."
Francesca Albanese ist insbesondere empört darüber, dass palästinensische Kinder "auf so viele verwerfliche Arten ins Visier genommen werden – durch Töten, Verstümmeln, Verhungern, Folter, Terror, indem man ihnen Schulen, Träume, Zukunft und Hoffnung nimmt".
In einem Beitrag auf X schreibt sie: "Betrachten Sie das gesamte Verhalten Israels, in dem gesamten Land, das es unrechtmäßig besetzt hält, gegenüber dem gesamten palästinensischen Volk, das dort lebt. Und wenn man sieht, wie insbesondere Kinder ins Visier genommen werden, ... sieht man den zerstörerischen Geist und die Absicht am Werk, bei der Verwirklichung eines Plans, der von langer Hand vorbereitet wurde."
Albanese bezieht sich auf einen Vorfall, bei dem das israelische Militär Kinder daran hindert, die Haj Ziad Jaber Schule im Stadtteil Jaber von Hebron, im südlichen Teil des besetzten Westjordanlandes, zu erreichen, indem es die Straße mit Stacheldraht absperrte.[4]
Der Bericht fährt fort:
"war das nördliche Westjordanland Gegenstand besonders schwerer militärischer Gewalt. Anhaltende Belagerungen, erbarmungslose Razzien und eine große Eskalation seit August 2024, einschließlich Luftangriffen ... Am 27. August 2024 starteten israelische Streitkräfte die Operation 'Summer Camps‘ gegen Jenin, Nablus, Qalqilya, Tubas und Tulkarem und erfüllten damit das Versprechen, den Westjordanland wie Gaza zu behandeln. Tagelang wurden Tausende unter Ausgangssperre gestellt, ohne Nahrung oder Wasser. Israelische Streitkräfte nahmen Krankenwagen ins Visier, blockierten die Eingänge zu Krankenhäusern und belagerten das Krankenhaus von Jenin. Bulldozer zerstörten Straßen, Stromleitungen und die öffentliche Gesundheitsinfrastruktur. Hunderte verloren ihr Zuhause und ihr Eigentum; mehr als 1.000 Familien in Jenin wurden vertrieben. 36 Menschen wurden getötet, darunter acht Kinder. Gezielte Angriffe auf den Gesundheitssektor wurden im Westjordanland wiederholt. Medizinisches Personal und Infrastruktur wurden 538 Mal angegriffen, wobei 23 Menschen getötet und 100 verletzt wurden und 54 medizinische Einrichtungen, 20 mobile Kliniken und 374 Krankenwagen beschädigt wurden, während die notfallmedizinische Versorgung behindert wurde. Die Genehmigungen für Palästinenser, außerhalb des Westjordanlands medizinische Versorgung in Anspruch zu nehmen, gingen stark zurück."
Im Schatten des Krieges und mit dem Fokus auf Gaza hat Israel massive Schritte in Richtung einer Annexion des Westjordanlandes unternommen, und zwar durch Änderungen in der Verwaltung sowie durch Landenteignungen:
"Am 29. Mai 2024 wurde die Verwaltung des Westjordanlandes offiziell vom Militär auf zivile Behörden übertragen – was die de-jure-Annexion vorantrieb – und unter die Leitung von Bezalel Smotrich gestellt, einem engagierten Eretz-Yisrael-Politiker. Die größte Landaneignung seit 30 Jahren wurde daraufhin genehmigt".
Albanese fasst die Analyse der genozidalen Absicht und das Versäumnis, Israel zur Rechenschaft zu ziehen (sowohl international als auch intern), wie folgt zusammen:
"Der Staat Israel basiert auf dem Ziel der Auslöschung der Palästinenser; sein gesamtes politisches System ist auf dieses Ziel ausgerichtet. Staatliche Strukturen haben in der Vergangenheit die Unterdrückung der Palästinenser vorangetrieben; jetzt treiben seine Institutionen, anstatt als Bollwerk zu fungieren, gemeinsam den Verlauf der aktuellen Katastrophe voran".
In ihrer Schlussfolgerung wiederholt Albanese den Punkt aus ihrem früheren Bericht, dass dies alles "eine vorhergesagte Tragödie" ist:
"Der Völkermord in Gaza ist eine vorhergesagte Tragödie, die sich auf andere Palästinenser unter israelischer Herrschaft ausweiten könnte. Seit seiner Gründung hat Israel die besetzten Völker als verhasste Belastung und Bedrohung behandelt, die es auszurotten gilt, und Millionen von Palästinensern über Generationen hinweg alltäglichen Demütigungen, Massenmorden, Masseninhaftierungen, Zwangsumsiedlungen, Rassentrennung und Apartheid ausgesetzt. Mit der Verfolgung seines Ziels eines "Groß-Israel" droht die Auslöschung der indigenen palästinensischen Bevölkerung."
Und der gesamte Kontext muss in seiner "Gesamtheit" verstanden werden:
"Das völkermörderische Verhalten Israels, das durch die irreführende israelische Darstellungen eines 'Selbstverteidigungskrieges' verschleiert wird, muss in einem breiteren Kontext betrachtet werden, als zahlreiche Handlungen (Gesamtheit des Verhaltens), die sich als Ganzes gegen die Palästinenser als solche (Gesamtheit eines Volkes) in ihrem gesamten Wohngebiet (Gesamtheit des Landes) richten, um die politischen Ambitionen Israels auf die Souveränität über das gesamte ehemalige Mandatsgebiet Palästina zu verwirklichen. Heute scheint der Völkermord an den Palästinensern das Mittel zum Zweck zu sein: die vollständige Entfernung oder Auslöschung der Palästinenser aus dem Land, das so wesentlich für ihre Identität ist und das von Israel illegal und offen beansprucht wird."
Dringlichkeit
Der Bericht von Albanese kommt einmal mehr zu einem äußerst dringlichen Zeitpunkt. Während der Bericht Israels "haltlose Kampagne gegen die UNRWA erwähnt, die die fragilen Lebensadern gefährdete, die für die humanitäre Hilfe in Gaza notwendig sind", hat das israelische Parlament mit überwältigender Mehrheit zwei Gesetze verabschiedet, um die Arbeit der UNRWA zu beenden. (siehe kommunisten.de, 30.10.2024: UNRWA-Verbot: "neue Methode, um Kinder zu töten" und das palästinensische Volk auszulöschen)
Aber es gibt Kräfte, die sich unermüdlich dafür einsetzen, Israel zur Rechenschaft zu ziehen. Am 28. Oktober übermittelte Südafrika dem Internationalen Gerichtshof über 750 Seiten Beweise, unterstützt durch Exponate und Anhänge von über 4.000 Seiten – "Beweise, die zeigen, wie die israelische Regierung durch die Förderung der Zerstörung der in Gaza lebenden Palästinenser gegen die Völkermordkonvention verstoßen hat".
Wie das Gesundheitsministerium von Gaza heute mitteilte, wurden durch israelische Angriffe seit dem 7. Oktober letzten Jahres mindestens 43.391 Palästinenser getötet, darunter über 17.000 Kinder, und 102.347 verwundet. Das Gesundheitsministerium in Gaza meldet ausschließlich nur die Todesfälle, die von Kliniken und Leichenhallen in Gaza mitgeteilt werden. Dabei werden hauptsächlich identifizierbare Tote durch direkten israelischen Beschuss in die Statistik aufgenommen. Leichen die nicht identifizierbar sind oder Tote mit direktem Bezug zu Israels Genozid wie z.B. Hungertote, Seuchentote oder Tote durch einstürzende Gemäuer werden nicht systematisch in die Statistik aufgenommen. Hinzu kommt, dass zahlreiche Menschen gar nicht erst in Kliniken oder Leichenhallen landen, sondern in Massengräbern. Oder vermisst unter Trümmern. Deshalb liegt die tatsächliche Zahl der Opfer des israelischen Vernichtungskrieges weit über den vom Gesundheitsministrium veröffentlichten Zahlen. So geht die medizinische Fachzeitschrift Lancet davon aus, dass bis Ende Oktober mindestens 289.000 Palästinenser durch Israels Krieg gegen Gaza getötet wurden.
Am Wochenende bombardierte Israel bombardierte die Al-Fakhoura-Schule, eine ausgewiesenen "Sicherheitszone", in der Kinder die Polio-Impfung erhalten. Das Fahrzeug einer UNICEF-Mitarbeiterin für die Polio-Impfungen wurde von einem Quadrocopter beschossen. Ein Quadrocopter feuerte auf Menschen, die um die Polio-Impfung anstanden. Mindestens drei palästinensische Kinder und ihre Eltern wurden verwundeten.
Etwa 15.000 Kinder, die in den von Israel belagerten Gebieten in Nordgaza eingeschlossen sind, werden ihre zweite Dosis nicht erhalten, was die Wirksamkeit der Impfkampagne insgesamt beeinträchtigt.
Das passt in das Konzept des "Generalplans", dessen Hauptautor der pensionierte Generalmajor Giora Eiland äußerte, dass Epidemien günstig für die Erreichung des Kriegszieles wären."Schließlich werden uns schwere Epidemien im Gazastreifens dem Sieg näher bringen und die Zahl der Opfer unter den Soldaten der israelischen Armee verringern", schrieb er im November 2023 in der Zeitung Yedioth Ahronoth. (siehe auch kommunisten.de, 18.10.2024: Gaza: Israel hat mit der Endlösung begonnen. Ausrottung und Vertreibung)
Dies ist "der transparenteste Völkermord in der Geschichte der Menschheit", wie der Vorsitzende von Euro-Med, Richard Falk (der auch der ehemalige Vorgänger von Albanese als Berichterstatter 2008-14 ist), sagt. Es müssen jedoch große Anstrengungen unternommen werden, um die Beweise, Argumente und Fälle vorzulegen, um den Palästinensern zumindest den minimalen Schutz vor ihrer völligen Ausrottung, ganz oder teilweise, zu bieten. Der Bericht von Francesca Albanese ist Teil dieser Bemühungen.
Der ehemalige Leiter des UN-Menschenrechtsbüros in New York, Craig Mokhiber, äußert, dass es " keinen 'Tag danach' geben dürfe, ohne die Entwaffnung, Demilitarisierung, Entzionisierung und Demontage des gesamten Regimes. "Der Premierminister, der Präsident, das Kabinett, die Knesset, der Oberste Gerichtshof, das Militär, die Medien, die Geistlichkeit, das diplomatische Korps und ein Großteil der israelischen Öffentlichkeit haben sich begeistert an Kolonisierung, Apartheid, Ausrottung und Völkermord beteiligt. In diesem Zusammenhang kann es keinen „Tag danach“ geben ohne die Entwaffnung, Demilitarisierung, Entzionisierung und Demontage des gesamten Regimes und seine Ersetzung durch eine völlig neue Ordnung, die auf Rückkehr und Entschädigung aller Palästinenser, Übergangsjustiz, Entkolonialisierung, Menschenrechten, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit für alle basiert."[5]
https://youtu.be/3T72SpHzBjs |
Anmerkungen
[1] https://www.un.org/unispal/document/genocide-as-colonial-erasure-report-francesca-albanese-01oct24/ oder
https://documents.un.org/doc/undoc/gen/n24/279/68/pdf/n2427968.pdf
[2] Francesca Albanese, 28.10.2024
https://x.com/FranceskAlbs/status/1851009376510673233
[3] Francesca Albanese, 1.11.2024
https://x.com/AJEnglish/status/1852470678987141589
[4] Francesca Albanese, 3.11.2024
https://x.com/FranceskAlbs/status/1853052866207875464
[5] Craig Mokhiber, 30.10.2024
https://x.com/CraigMokhiber/status/1851644475048616154
- Libanon, Gaza, Westjordanland, Syrien, Iran: Der grenzenlose Krieg für Großisrael
- UNRWA-Verbot: "neue Methode, um Kinder zu töten" und das palästinensische Volk auszulöschen
- Gaza: Israel hat mit der Endlösung begonnen. Ausrottung und Vertreibung
- Deutschland verdoppelt Waffenexporte nach Israel inmitten des Völkermords in Gaza und des Krieges gegen den Libanon
- UN-Bericht: Anatomie eines Völkermordes
- Wieder eine Nakba? Durchgesickerte Dokumente bestätigen israelischen Plan, Palästinenser:innen nach Ägypten zu vertreiben
- "Niemand kann sagen, er habe nichts gewusst."
- Zwei Sichten auf den 7. Oktober