04.12.2024: Bruno Sgarzini von Diario Red führte ein Interview mit Dyab Abou Jahjah, Direktor der Hind Rajab Foundation, über die Aktivitäten der Stiftung, rechtliche Schritte gegen die israelischen Kriegsverbrecher und Täter des Völkermordes in Gaza einzuleiten.
Eine der Herausforderungen bei der Bekämpfung von Völkermord, ethnischer Säuberung und Kriegsverbrechen in Gaza ist die reale Möglichkeit, die Verantwortlichen strafrechtlich zu verfolgen: von Benjamin Netanjahu selbst bis hin zu den verantwortlichen Soldaten, Leutnants, Kapitänen und Generälen.
Das juristische Terrain ist zu einem Labyrinth von Strategien geworden, die darauf abzielen, hochrangige israelische Beamte für ihre zahllosen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Rechenschaft zu ziehen.
Vor dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC/IStGH) versuchen die Staatsanwaltschaft und verschiedene Menschenrechtsgruppen, die Beamten und Militärs, die sie für die Geschehnisse in Gaza verantwortlich machen, strafrechtlich zu verfolgen. (siehe kommunisten.de, 22.11.2024: "IStGH erlässt Haftbefehle gegen Benjamin Netanjahu und Yoav Gallant")
Vor dem Internationalen Gerichtshof (ICJ/IGH), der sich mit Streitigkeiten zwischen Staaten wegen Verstößen gegen internationale Verträge und die UN-Charta befasst, versucht Südafrika, Israel in einem langwierigen Prozess, der viele Jahre dauern wird, des Völkermordes zu überführen. (siehe kommunisten.de, 27.1.2024: "Internationaler Gerichtshof: Israel muss völkermörderische Handlungen verhindern")
Ein dritter Bereich ist die Ebene der zwischenstaatlichen Gerichtsbarkeit, die es erlaubt, Einzelpersonen wie beispielsweise Soldaten, Offiziere und Geschäftsleute vor nationalen Gerichten für Verbrechen zu belangen, die von der israelischen Justiz nicht untersucht werden. Für Amnesty International gilt dies für "Verbrechen nach internationalem Recht, wie Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Völkermord oder Folter, wo immer sie begangen wurden". Der spanische Richter Baltazar Garzón setzte diesen Grundsatz 1998 in die Praxis um, als er von London die Verhaftung von Augusto Pinochet wegen dessen Beteiligung an den Verbrechen des Völkermords, des internationalen Terrorismus, der Folter und des Verschwindenlassens von Personen während seiner Zeit als Diktator forderte.
"Wir fordern die nationalen Regierungen auf, ihr Bekenntnis zum Völkerrecht zu verstärken, diese Fälle gründlich zu untersuchen und konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um diejenigen, die Gräueltaten begangen haben, zur Rechenschaft zu ziehen. Die Justiz kann und darf nicht selektiv sein."
Hind Rajab Foundation
Die Hind Rajab Stiftung (www.hindrajabfoundation.org), die nach dem palästinensischen Mädchen benannt ist, das von israelischen Panzern getötet wurde, ist eine in Belgien ansässige Organisation, die versucht, diese Möglichkeiten zu nutzen, indem sie die Einleitung von Ermittlungen gegen Soldaten mit doppelter Staatsangehörigkeit in ihren Herkunftsländern fordert. Beim Internationalen Strafgerichtshof (ICC/IStGH) hat die Stiftung eine Klage gegen 1.000 israelische Soldaten eingereicht, die sich auf achttausend Beweise stützt. "Diese Personen sind direkt in Kriegsverbrechen im Gazastreifen verwickelt und ihre strafrechtliche Verfolgung ist von entscheidender Bedeutung, um eine umfassende Rechenschaftspflicht und Gerechtigkeit für die Opfer sicherzustellen", heißt es von der Hind Rajab Foundation.
In diesem Interview geht der Direktor der Stiftung, Dyab Abou Jahjah, auf die Schwierigkeiten beim Zustandekommen dieser Gerichtsverfahren ein und erläutert, wie der juristische Kampf den breiteren Kampf der pro-palästinensischen Bewegung gegen den israelischen Völkermord in Gaza ergänzt.
Frage: Die Stiftung hat sowohl vor dem Internationalen Strafgerichtshof als auch vor den Gerichten der Herkunftsländer vieler Doppelstaatsangehöriger in Uniform Verfahren gegen hochrangige israelische Beamte wegen Kriegsverbrechen angestrengt. Der Großteil ihrer Energie konzentriert sich auf die Verfolgung der beteiligten Soldaten und nicht auf Personen wie Netanjahu oder seinem Verteidigungsminister.
Dyab Abou Jahjah: Die Klage des IStGH ist relevant, aber symbolisch. Es ist unwahrscheinlich, dass Benjamin Netanjahu oder einer seiner Komplizen vor diesem Gericht angeklagt wird. Nicht jetzt und nicht in zehn Jahren. (Anm.: Ein Verfahren kann nicht in Abwesenheit der Angeklagten eröffnet werden.)
Im Gegensatz dazu sind die Chancen in den nationalen Rechtssystemen größer. Aus diesem Grund konzentriert die Stiftung ihre Bemühungen darauf, Fälle gegen Doppelstaatsangehörige vor nationale Gerichte zu bringen. Dabei handelt es sich natürlich nicht um hochrangige Politiker wie den Premierminister oder Mitglieder seines Kabinetts.
Dadurch werden jedoch komplizierte Fragen der Rechtsprechung vermieden, wie etwa die Frage, ob man für Verbrechen zuständig ist, die in einem anderen Land begangen wurden. Wenn Ihre eigenen Bürger betroffen sind, ist die Antwort klar: "Ja, Sie sind zuständig".
Außerdem können wir mit diesem Ansatz ein weiteres wichtiges Hindernis umgehen: die Immunitätsdebatte. Wenn Staatsoberhäupter oder andere hochrangige Persönlichkeiten strafrechtlich verfolgt werden, stellt sich immer die Frage nach der diplomatischen oder staatlichen Immunität. Dies gilt jedoch nicht für Soldaten, da sie solche Privilegien nicht genießen. Dies ist ein wesentlicher Vorteil unserer Strategie zur Bekämpfung von Völkermord und Kriegsverbrechen in Gaza. Die strafrechtliche Verfolgung israelischer Verbrecher, selbst auf der Ebene von Soldaten, Leutnants oder Hauptmännern, bietet letztlich die Möglichkeit, das gesamte israelische Völkermordprojekt zu verfolgen.
Frage: Besteht noch Hoffnung, dass diese Maßnahmen Israel davon abhalten können, seine Kriegsverbrechen und seinen Völkermord im Gazastreifen fortzusetzen, oder zumindest zu verhindern?
Dyab Abou Jahjah: Das zu verhindern ist nicht mehr möglich, weil es bereits geschehen ist und ungebremst geschieht. Unser Ziel ist es daher, die Verantwortung festzustellen. Vielleicht kann auf diese Weise verhindert werden, dass etwas Ähnliches in der Zukunft geschieht, sei es in Gaza oder anderswo. Das Problem ist, dass, wenn ein Völkermord geschieht, niemand ihn vorher verhindert, niemand ihn vermeidet und in vielen Fällen niemand handelt, um ihn zu stoppen, obwohl die Staaten dazu verpflichtet sind.
"Ihr könnt Verbrechen begehen, und wir sind vielleicht nicht in der Lage, euch jetzt zu stoppen, aber in der Zukunft werdet ihr nicht verhindern können, dass ihr als Verbrecher bezeichnet und vor Gericht gestellt werdet“
Der Internationale Gerichtshof hat klargestellt: Wenn die plausible Wahrscheinlichkeit eines Völkermordes besteht, sind die Staaten verpflichtet, einzugreifen. Er wies Israel sogar an, seine Militäroperation in Rafah, sowohl nördlich als auch südlich von Gaza, einzustellen. Doch diese Anweisung wurde nicht befolgt. (Anmerkung des Autors: Am 24. Mai erließ der Internationale Gerichtshof ein Urteil, in dem er Israel anordnete, seine Militäroffensive in Rafah einzustellen, den Grenzübergang zu Ägypten für humanitäre Hilfe wieder zu öffnen und eine UN-Erkundungsmission in den Gazastreifen einzulassen).
Diese Verbrechen dürfen jedoch nicht ungestraft bleiben und müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Es ist von entscheidender Bedeutung, auf rechtlicher Ebene eine entschlossene Haltung einzunehmen, um Israel und seinen Soldaten eine klare Botschaft zu übermitteln: "Ihr könnt Verbrechen begehen, und wir sind vielleicht nicht in der Lage, euch jetzt zu stoppen, aber in der Zukunft werdet ihr nicht verhindern können, dass ihr als Verbrecher bezeichnet und vor Gericht gestellt werdet“
"Diese Menschen können nicht länger auf diese Weise handeln, töten, Verbrechen begehen und dann normal leben."
Vor einigen Wochen reiste beispielsweise ein israelischer Geschäftsmann, der als Auftragnehmer der Armee an der Zerstörung von Häusern im Gazastreifen beteiligt war, ins Vereinigte Königreich, um an einer Hochzeit teilzunehmen. Während seines Aufenthalts postete er in den sozialen Medien Videos und Fotos von sich, auf denen er Palästinenser auslacht und verhöhnt, während er ihre Häuser mit einem seiner Bulldozer zerstört. Dieser Mann dachte, er könne ins Vereinigte Königreich reisen und seinen Aufenthalt genießen. Also haben wir schnell gehandelt: Wir haben Anwälte beauftragt und vor den britischen Gerichten Klage gegen ihn eingereicht. Immerhin gelang es uns, ihn daran zu hindern, seinen Besuch zu genießen, da er befürchtete, verhaftet zu werden. Und schließlich wurde er gezwungen, seine sozialen Netzwerke zu deaktivieren (Anmerkung des Autors: Es handelt sich um Alon Elgali, den Inhaber des Bauunternehmens Meshek Afar Ltd, das mit dem Abriss von Gebäuden in Rafah beauftragt ist).
Diese Aktionen senden eine klare Botschaft: Diese Menschen können nicht länger auf diese Weise handeln, töten, Verbrechen begehen und dann normal leben. Diese Normalität ist für sie vorbei. Diese Normalität wird für sie nicht mehr möglich sein. Und wir werden dafür sorgen, dass es nie wieder so sein wird. Auch das ist ein Teil unseres Kampfes.
Frage: In den letzten Wochen gab es zahlreiche Gespräche zwischen privaten Unternehmen, der Regierung Biden und der Regierung Netanjahu über die Möglichkeit, dass ein privates Unternehmen, die Global Delivery Company (GDC), im Zuge der laufenden ethnischen Säuberungsaktion die Sicherheit im nördlichen Gazastreifen übernimmt.
Dyab Abou Jahjah: Der Privatsektor ist ein wichtiger und notwendiger Akteur in diesem Völkermord; ohne seine Beteiligung wäre er nicht möglich, insbesondere die des israelischen Privatsektors und vieler internationaler und multinationaler Privatunternehmen. sie stellen nicht nur Technologie und Cyberkapazitäten zur Verfügung, sondern spielen auch eine Schlüsselrolle in der Logistik und tragen zum "Abriss" von Häusern und Gebäuden bei. Auf internationaler Ebene stellen sie Waffen, Flugzeugtreibstoff und andere wichtige Ressourcen zur Verfügung. Jedes Unternehmen, das zu einem Völkermord beiträgt, macht sich ebenso wie Staaten oder Einzelpersonen an diesem Verbrechen mitschuldig, indem es Beihilfe leistet, und wird somit zu einem integralen Bestandteil des Verbrechens. Aus diesem Grund ist es für die Hind Rajab Stiftung ein wichtiges Anliegen, auch die Verantwortung des Privatsektors zu thematisieren.
Aber die Fälle müssen rechtzeitig und sorgfältig vorbereitet werden, um sie richtig zu machen. Denn auf der Seite der Unternehmen stehen die besten Anwälte und Kanzleien, die bereit sind, aggressiv gegen unsere Eingaben vorzugehen. Das Ziel ist nicht, Alibiarbeit zu leisten, sondern solide und nachhaltige Fälle aufzubauen. Wir gehen also langsam und konsequent vor, ohne die Tatsache aus den Augen zu verlieren, dass in dieser Phase das Hauptaugenmerk auf den Soldaten liegt, die ein offensichtliches, direktes und kritisches Ziel darstellen.
Frage: Einige Länder, wie die Schweiz, sind besorgt über die Möglichkeit, wegen Mittäterschaft an Kriegsverbrechen in Gaza angeklagt zu werden , wenn beispielsweise die Hilfe für das UNRWA (Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten) eingestellt wird, nachdem es von der Knesset, dem israelischen Parlament, verboten wurde. Wird die Stiftung auch mitschuldige Staaten verklagen, weil sie den Völkermord in Gaza ermöglicht oder daran teilgenommen haben?
Dyab Abou Jahjah: Der wirksamste Weg, Länder zu verklagen, ist der Internationale Gerichtshof (ICJ/IGH), da er für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Staaten zuständig ist. Er ist der am besten geeignete Mechanismus für diesen Zweck. Darüber hinaus können auch Einzelpersonen über den Internationalen Strafgerichtshof (ICC/IStGH) Klage gegen Länder erheben. Obwohl ein Land nicht direkt angeklagt werden kann, ist es möglich, mit dem Finger auf bestimmte Personen zu zeigen, z. B. auf einen Präsidenten, einen Minister oder eine andere verantwortliche Person, und dem Ankläger eine so genannte "Information" zu übermitteln. Auf diese Weise kann ein Haftbefehl oder ein Ermittlungsverfahren beantragt werden. Dies ist ein Weg, den wir erkunden wollen.
Der effektivste Weg, Länder zur Verantwortung zu ziehen, ist jedoch die eigene nationale Justiz. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Staaten zwar oft das Völkerrecht missachten, aber ihre eigenen Gesetze ernst nehmen. Der Grundsatz der Gewaltenteilung wird auf internationaler Ebene nur selten angewandt, da das Recht dort stärker von der Geopolitik und den globalen Machtverhältnissen beeinflusst wird. Im Gegensatz dazu sind die nationalen Gerichte zwar nicht immun gegen äußere Einflüsse, aber oft unabhängiger.
"Wir machen uns keine Illusionen darüber, dass unsere rechtlichen Schritte den gegenwärtigen Völkermord stoppen werden; wir wissen, dass nur Macht, Kräfteverhältnisse, Widerstandsaktionen, Boykotte und Mobilisierung dieses Ziel erreichen können."
Ein deutliches Beispiel für den Unterschied zwischen nationaler und internationaler Justiz ist die von den Vereinigten Staaten sanktionierte "Haager Invasionsakte". Dieses Gesetz, so unglaublich es auch erscheinen mag, ermächtigt die US-Regierung, in die Niederlande einzumarschieren, um einen US-Bürger zu befreien, wenn dieser vom IStGH verhaftet wird. Aus diesem Grund wird der IStGH zur einzigen brauchbaren Alternative, wenn die nationalen Rechtssysteme völlig von den Regierungen abhängig sind und es ihnen an Unabhängigkeit fehlt.
In Europa wurde ein großer Teil unserer Fälle von den nationalen Gerichten der verschiedenen Länder bearbeitet. Verbrechen gegen die Menschlichkeit verschwinden nicht, verjähren nicht und können aufgrund ihrer Natur auch noch Jahre später behandelt werden. Wir machen uns keine Illusionen darüber, dass unsere rechtlichen Schritte den gegenwärtigen Völkermord stoppen werden; wir wissen, dass nur Macht, Kräfteverhältnisse, Widerstandsaktionen, Boykotte und Mobilisierung dieses Ziel erreichen können.
Rechtliche Schritte sind ein wichtiger Bestandteil dieser breiteren Perspektive, da sie dazu beitragen, Präzedenzfälle zu schaffen und künftige Verbrechen zu verhindern. Aus diesem Grund richtet sich einer der von uns vorbereiteten Fälle gegen eines der Länder, die an diesem Völkermord beteiligt sind.
Frage: Die Klage der Stiftung beim IStGH richtet sich laut Ihrem Bericht gegen 1.000 Soldaten und stützt sich auf 8.000 Beweise. Welche Schritte werden unternommen, um sicherzustellen, dass diese Beweise nicht von israelischen Rechtsvertretern verworfen werden?
Dyab Abou Jahjah: Die meisten unserer Beweise stammen aus offenen Quellen. Dazu gehören online veröffentlichte Inhalte wie Bilder und Videos, die von Soldaten geteilt wurden, sowie entsprechende Analysen und Recherchen zu diesem Material. Um diese Beweise in juristische Beweise umzuwandeln, ist ein viel strengerer Prozess erforderlich, als sie zu sammeln und der Staatsanwaltschaft zu übergeben.
Der erste Schritt besteht darin, eine Überwachungskette für das Beweismaterial zu erstellen: Es muss sichergestellt werden, dass das Material nicht manipuliert, mit Photoshop verändert oder durch künstliche Intelligenz modifiziert wurde. Die Überprüfung und der Nachweis der Herkunft des Materials ist eine wichtige erste Herausforderung, die die Extraktion von Metadaten und anderen technischen Details zur Wahrung der Authentizität des Materials beinhaltet.
Diese Beweise müssen dann in einen breiteren Kontext gestellt werden. Wenn beispielsweise ein Soldat auf dem Dach eines zerstörten Hauses steht, muss unbedingt festgestellt werden, wann und wo dies geschehen ist. Dazu müssen das Datum und der genaue Ort ermittelt und mit zusätzlichen Informationen abgeglichen werden. Fragen wie "Welcher Brigade oder Einheit gehörte dieser Soldat an?" oder "Was war sein Auftrag in diesem Gebiet?" sind von entscheidender Bedeutung, um festzustellen, ob diese Aktion mit dem angegebenen militärischen Ziel in Verbindung steht.
Nach internationalem Recht sind manche Handlungen zwar zu verurteilen, stellen aber nicht immer ein Verbrechen dar. So kann unter bestimmten Umständen die Zerstörung ziviler Infrastruktur oder sogar der Verlust von Menschenleben unter der Zivilbevölkerung gerechtfertigt sein, wenn sie einer militärischen Notwendigkeit entspricht und verhältnismäßig ist. Wenn sich jedoch herausstellt, dass eine solche Notwendigkeit nicht bestand, handelt es sich nach internationalem Recht um ein Kriegsverbrechen.
Ein wesentlicher Teil unserer Arbeit besteht also darin, nachzuweisen, ob in jedem einzelnen Fall eine Notwendigkeit für den Kampf bestand oder nicht. Dies erfordert eine gründliche Untersuchung, um die Chronologie der beteiligten Militäreinheiten zu rekonstruieren und zu verstehen, was zum konkreten Zeitpunkt der Ereignisse geschah. Darüber hinaus müssen die Beweise mit den Opfern in Verbindung gebracht werden. Viele unserer Untersuchungen gehen auf Beschwerden von Betroffenen zurück, z. B. von Bewohnern des Gazastreifens, die ihre Häuser oder Familienangehörigen verloren haben oder verletzt wurden. Daher analysieren wir, ob diese Opfer in der Nähe des Ortes und der Zeit waren, die in den Bildern oder Videos dokumentiert sind. Ob sie sich in der gleichen Gegend aufhielten und ob sie von den Ereignissen betroffen waren.
Frage: Ein Fall, der diese Herausforderung veranschaulicht, ist das Verfahren gegen den ecuadorianisch-israelischen Soldaten Sahar Enrique Cohen vor einem Gericht in Guayas, Ecuador, wegen seiner Beteiligung an der Belagerung des Al Shifa-Krankenhauses Anfang dieses Jahres, bei der es nach Angaben mehrerer internationaler Organisationen zu außergerichtlichen Tötungen, zur Zerstückelung von Leichen, zu Folter, zur willkürlichen Inhaftierung von Krankenhauspersonal und zur massiven Vertreibung von Patienten kam.
Dyab Abou Jahjah: Das Justizsystem der meisten Länder beruht auf grundlegenden Prinzipien wie der Unschuldsvermutung und dem Erfordernis eindeutiger Beweise, um eine Anschuldigung zu stützen. Es muss nicht unbedingt bewiesen werden, dass Cohen oder eine andere Person eine Straftat begangen hat; wir müssen jedoch ausreichende Beweise vorlegen, die begründete Hinweise daran aufkommen lassen, dass eine Straftat begangen wurde. Von da an ist es Aufgabe der Staatsanwaltschaft, zu ermitteln.
Unsere Aufgabe ist es nicht, als Ermittler aufzutreten. Wir vertreten die Beschwerdeführer und bringen Argumente vor wie: "Hier wurde ein Verbrechen begangen. Diese Person war am Tatort anwesend. Das hat er gepostet. Dieses Video zeigt keine legitime Kampfsituation, und während er dort war, sind diese Ereignisse eingetreten".
Unser Hauptziel bei der Einreichung einer Beschwerde wie der von Sahar Cohen ist es, eine Staatsanwaltschaft wie die ecuadorianische zu veranlassen, eine formelle Untersuchung einzuleiten. Die Beweise, Cohens Handlungen und Aussagen zu analysieren und ihn gegebenenfalls zu verhören. Wenn sie nach ihrer Analyse genügend Anhaltspunkte findet, um die Person zu verdächtigen, sollte die Staatsanwaltschaft sie vor einem Richter anklagen, um festzustellen, ob sie schuldig oder unschuldig ist, so wie es ein Gericht unter normalen Bedingungen tun sollte.
Frage: Für Israel ist die Kritik an seinem Vorgehen im Gazastreifen und an der Arbeit von Organisationen wie der Hind Rajab Foundation ein Akt des "Antisemitismus". Was bedeutet das für Sie?
Dyab Abou Jahjah: Unsere Position ist klar: Die Stiftung hat sich eindeutig dem Antirassismus verschrieben. Deshalb lehnen wir Antisemitismus ab. Wir bekämpfen und verurteilen ihn vorbehaltlos. In der pro-palästinensischen und Pro-Gerechtigkeits-Bewegung können wir darüber nachdenken, was Antisemitismus heute ist: was er ist und was er nicht ist.
Bei der pro-palästinensischen Bewegung geht es um Gerechtigkeit, um Ideale. Deshalb sind wir offen für diese Gespräche zwischen denjenigen, die sich für die richtigen Werte einsetzen.
Mit Israel hingegen gibt es nichts zu diskutieren. Nach deren Logik ist jeder, der sich diesem Völkermord widersetzt, automatisch antisemitisch. Tel Aviv wendet dieses Etikett gegen Menschen, sogar gegen Juden, an, die gegen Rassismus kämpfen. Durch den Missbrauch dieses Wortes hat es seine Bedeutung verloren. Sie haben alles auf eine groteske Karikatur der Realität reduziert. Das ist bedauerlich, denn wenn ein Wort alles bedeutet, bedeutet es nichts.
Frage: In Deutschland zum Beispiel wird in einer vom Parlament verabschiedeten Entschließung jede Kritik an Israel mit "Antisemitismus" in Verbindung gebracht.
Dyab Abou Jahjah: Dies ist ein Versuch, die pro-palästinensische Bewegung zu kriminalisieren, jede Form des Boykotts zu kriminalisieren und eine von Israel geschaffene Definition von Antisemitismus durchzusetzen, die darauf abzielt, jede Kritik an seinen Aktionen zum Schweigen zu bringen. Dies ist eine Herausforderung, die mit Entschlossenheit angegangen werden muss.
Parlamentarische Querfront in Treue zur israelischen Regierung |
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Deutschland ist ein schwerwiegender Fall, aber es ist nicht der einzige in Europa. Was in den Niederlanden geschah, wo die offen pro-israelische extreme Rechte an der Macht ist, kann nicht ignoriert werden.
Vor einigen Wochen skandierten israelische Rechtsextremisten in Amsterdam völkermörderische Parolen, griffen Häuser an, indem sie palästinensische Fahnen herunterrissen, und zerstörten Autos mit palästinensischen Symbolen. Die Polizei hat nicht gehandelt, um die Opfer zu schützen. Und wenn die Justiz nicht funktioniert und die Polizei ihre Pflicht nicht erfüllt, ist es unvermeidlich, dass die Menschen versuchen, sich selbst zu verteidigen, wie sie es getan haben. Das ist nicht gesund für die Gesellschaft, aber es ist eine direkte Folge des fehlenden staatlichen Schutzes.
Nun wollen einige Politiker in den Niederlanden diejenigen, die sich gegen diese Extremisten gewehrt haben, gerichtlich belangen. Glücklicherweise ist es uns gelungen, ein Verfahren gegen die Angreifer einzuleiten, und die niederländische Polizei hat eine Untersuchung gegen die Hooligans eingeleitet, die mit dem Maccabi-Club in Verbindung stehen.
Nach diesem Völkermord darf man nicht zurückhaltend sein, wenn es darum geht, über diese Themen zu sprechen. Länder wie Deutschland sollten kritisiert werden: Man sollte sogar überlegen, ob man rechtliche Schritte einleitet, Proteste organisiert oder zum Boykott gegen ihre Regierung aufruft. Das Gleiche gilt für jedes Land, das eine solche Politik verfolgt. Es ist wichtig, hart zu bleiben, denn was auf dem Spiel steht, ist inakzeptabel: die Akzeptanz des systematischen Massakers an unschuldigen Menschen, einschließlich Kindern.
Was wir erleben, ist eine Abscheulichkeit, und man darf sich nicht durch Versuche entmutigen lassen, diejenigen zu diskreditieren oder zu verfolgen, die auf diese Realität hinweisen. Wir müssen diese Gegenreaktion gegen die pro-palästinensische Bewegung an allen Fronten stoppen: rechtlich, sozial, politisch und kulturell.
Übernommen von Diaro Red, 30.11.2024: Dyab Abou Jahjah: "Debemos detener esta reacción contra el movimiento pro palestino desde todos los frentes: el legal, el social, el político y el cultural”
https://www.diario.red/articulo/internacional/dyab-abou-jahjah-debemos-detener-reaccion-movimiento-pro-palestino-todos-frentes-legal-social-politico-cultural/20241129122311039239.html
eigene Übersetzung
Bilder von kommunisten.de eingefügt