09.05.2025: Ein Kommentar von Leo Mayer zum Städtepartnerschaftsabkommen zwischen Berlin und Tel Aviv
Vor 80 Jahren marschierte die Rote Armee in Berlin, der Hauptstadt des völkermörderischen Nazi-Regimes, ein. In Berlin hatten die Nazi-Behörden zum Zweck der Besiedlung und der Vernichtung und Versklavung der "slawischen Untermenschen" den "Generalplan Ost“ entwickelt. Von Berlin aus wurde die millionenfache Vernichtung in den Konzentrationslagern organisiert.
Unter unsäglichen Opfern hatte die Sowjetarmee, gemeinsam mit den Alliierten der Anti-Hitlerkoalition, Europa und die Welt vom Hitler-Faschismus befreit.
Zur Feierstunde im Bundestag waren unter anderem Holocaust-Überlebende und die in Deutschland vertretenen Diplomaten eingeladen. Eigentlich liegt nahe, dass dabei auch der wichtigsten Befreier gedacht wird, aber das passt nicht ins offizielle anti-russische Konzept. Und so waren der russische und der belarussische Botschafter nicht eingeladen worden. Wegen des Ukrainekrieges, heißt es aus dem Bundestag.
Seltsamerweise hatte der selbe Bundestag kein Problem, den Botschafter Israels einzuladen, Repräsentant einer Regierung, gegen dessen Regierungschef und den Ex-Verteidigungsminister ("wir kämpfen gegen menschliche Tiere") ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofes (IGH) wegen des Verdachts der Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorliegt; Vertreter einer Regierung, dessen Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, am 21. März unmissverständlich erklärte, was Israels Plan für Gaza ist: "Zerstören, zerschmettern, abholzen, auslöschen, zermalmen, zertrümmern, verbrennen, grausam sein, bestrafen, ruinieren, zerstören!", und dessen Finanzminister Bezalel Smotrich vor vier Tagen offen sagte: "Die Zeit ist gekommen, ganz Gaza zu besetzen … eine Militärregierung zu errichten, ihnen Territorium abzunehmen, Präsident Trumps Plan umzusetzen, 1,5 bis 2 Millionen Gaza-Bewohner aus Gaza zu vertreiben.“ Der Internationale Gerichtshof ermittelt gegen Israel, weil er einen Völkermord an den Palästinensern für plausibel hält.
Die finstere Ideologie der Faschisten Ben-Gvir und Smotrich ist inzwischen die offizielle Politik der gesamten israelischen Regierung: Den Palästinensern das Leben in Gaza unmöglich zu machen, sie zu töten oder zu vertreiben und den Gazastreifen dauerhaft zu besetzen.
Seit Monaten erleben wir einen Völkermord live, den systematischen Einsatz von Hunger als Kriegswaffe - das Welternährungsprogramm hat bekannt gegeben, dass ihm aufgrund der nun schon seit drei Monaten andauernden totalen Blockade durch Israel die Nahrungsmittelvorräte im Gazastreifen ausgegangen sind. Fast 290.000 Kinder stehen aufgrund der israelischen Hungerblockade "am Rande des Todes", etwa 3.500 Kinder unter fünf Jahren sind "unmittelbar vom Hungertod bedroht". Krankenhäuser werden bombardiert, Hilfslieferungen blockiert, über 52.000 Menschen bereits getötet – die Mehrheit davon Frauen und Kinder. (viele Untersuchungen gehen davon aus, dass die tatsächliche Zahl der Todesopfer bei über Hunderttausend liegt)
Und jetzt: die vollständige Kontrolle über ein Gebiet, das bereits in Trümmern liegt, und die Vertreibung der Überlebenden des Völkermords.
"Lebensraum" für die jüdische Bevölkerung
Israels Angriff reicht weit über Gaza hinaus. Es hat seine militärischen Operationen auf den Libanon und Syrien ausgeweitet, wo es auf Zivilisten Bomben regnen lässt, wahllos Infrastruktur zerstört und Gebiete besetzt. "Lebensraum needed for Israel's exploded population" ("Lebensraum benötigt für Israels explodierte Bevölkerung") begründete die israelische Zeitung "The Times of Israel" am 4. Dezember 2024 die zionistische Pläne zur Eroberung von "Lebensraum" für die jüdische Bevölkerung und die Schaffung eines "Groß-Israel".
Bereits im September 2023 präsentierte Netanjahu vor der UN-Generalversammlung eine Landkarte, die die vollständige Annexion von Gaza und dem Westjordanland zeigte.
Ende Oktober 2024 wurde der "Generalplan" bekannt, ein Plan zur Umwandlung des Gazastreifens in eine geschlossene Militärzone und der "vollständigen und strengen Blockade". "Sie werden sich entweder ergeben oder verhungern müssen. Das bedeutet nicht unbedingt, dass wir jeden Menschen töten werden. Das wird nicht nötig sein. Die Menschen werden dort nicht leben können. Das Wasser wird dort versiegen", zitierte Associated Press am 14. Oktober 2024 einen der Verfasser, den Generalmajor und ehemaligen Leiter des Nationalen Sicherheitsrates Giora Eiland.
Deutschland an der Seite von Apartheid, ethnischer Säuberung und Völkermord
Und trotzdem tun alte und neue Bundesregierung und die meisten Medien, als wüssten sie nicht, welche Ziele die israelische Regierung verfolgt. Es bleibt bestenfalls bei Floskeln und diplomatischen Mahnungen ohne Konsequenzen.
Nicht nur die Waffen aus Deutschland fließen ungebrochen weiter für Israels Vernichtungskrieg. Während Israels weltweite Isolation zunimmt, vertieft Berlin sein Bündnis mit Tel Aviv.
Am Montag unterzeichneten der Bürgermeister von Tel Aviv-Jaffa, Ron Huldai, und der Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner, in Berlin ein neues Städtepartnerschaftsabkommen. Was für eine abgrundtiefe Schande, der alle Fraktionen des Berliner Abgeordnetenhauses - von AfD bis Linkspartei - zugestimmt haben. "In Beschwörung der Parallelen zwischen dem Nationalsozialismus und der Brutalität Israels", kommentiert der Vorsitzende von Euro-Med Human Rights Monitor, Ramy Abdu.
Der Tagesspiegel, eine der sogenannten "Qualitätszeitungen" Berlins erklärte, dass "die beiden Metropolen viel gemeinsam haben".
In der Tat ist die Wahl einer Partnerstadt ist weit mehr als eine symbolische Geste. Eine solche Entscheidung spiegelt gemeinsame Interessen und Werte wider, die die Städte und ihre Bevölkerung angeblich verbinden. Und die in dieser Partnerschaft zum Ausdruck kommenden Interessen sind bezeichnend: Während die eine Seite Völkermord begeht, unterstützt, fördert und finanziert die andere Seite diesen; während die eine Seite ethnische Säuberungen durchführt, gibt die andere Seite vor, nichts zu wissen; während die eine Seite gezielt Kinder, Journalisten und medizinisches Personal angreift, schaut die andere Seite weg und schwätzt von Menschenrechten; während die eine Seite ein Volk zu Tode hungert, zuckt die andere Seite lediglich mit den Schultern.
Gemeinsam lassen sie ihre Polizei auf Demonstranten, die gegen den Völkermord protestieren, einprügeln; gemeinsam teilen sie die Missachtung des Völkerrechts und der Autorität des Internationalen Strafgerichtshofs.
Diese Liste ist bei weitem nicht vollständig, aber sie ist bereits eine der abstoßendsten, die man sich vorstellen kann. Berlin und Tel Aviv haben, wie die deutsche Presse zu Recht feststellt, in der Tat viel gemeinsam.
Während sich große Teile der Welt allmählich vom israelischen Apartheid-Regime distanzieren, bindet sich Deutschland noch enger an die Völkermörder in Tel Aviv.
Am 12. Mai wird Bundespräsident Steinmeier feierlich Jitzchak Herzog, den Präsidenten eines Staates, dessen Premier wegen Kriegsverbrechen vom Internationalen Strafgerichtshof gesucht wird, "mit militärischen Ehren" empfangen.
Auch Herzog selbst wird beim Genozidverfahren des IGH genannt. Seine Legitimation für das Abschlachten der Zivilisten in Gaza - "Es ist eine ganze Nation, die verantwortlich ist. Die Rhetorik von den unwissenden, unbeteiligten Zivilisten entspricht nicht der Wahrheit." - wird als Beispiel "entmenschlichender Sprache" und als Beweis für Israels "Absicht, die Palästinenser in Gaza zu vernichten", herangezogen.
Am 13. Mai wird Steinmeier dann mit Herzog nach Israel reisen und sich mit dem international gesuchten Netanyahu treffen.
Diese Entscheidungen senden ein klares Signal an die Welt, wofür Deutschland und seine Hauptstadt stehen – und markieren einen beispiellosen Akt der Geschichtsvergessenheit. Wäre die Erschütterung über die Verbrechen des Nazi-Regimes wirklich so bedeutend und prägend, wie im Bundestag anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung und dem Ende des Völkermordes heuchlerisch vorgetragen, dann würde die Bundesregierung die Rüstungsexporte nach Israel sofort stoppen, die diplomatischen Beziehungen aussetzen bis Israel seinen Vernichtungskrieg, die Apartheid und Besatzung beendet, und Sanktionen verhängen.
Für Berlin würde es nur eine natürliche und passende Partnerstadt gegeben: Gaza-Stadt.
Denn wer sich am Völkermord und den Kriegsverbrechen an den Palästinensern beteiligt oder diese unterstützt, ist zu einem verurteilt: Den Haag!
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