Wirtschaft

17.12.2025: Rekordaufträge für ThyssenKruppMarineSystem Kiel (TKMS) ++ Rüstungsboom treibt TKMS-Gewinne ++ Fusionen für Kriegsfähigkeit ++ IG Metall: "es geht vor allem darum, in allen Bereichen über modernste Technologien zu verfügen"

Der größte deutsche Marineschiffbauer ThyssenKruppMarineSystem Kiel (TKMS) meldete auf der Bilanzpressekonferenz am 8.12.25 einen Auftragsbestand in Rekordhöhe. Mit 18,2 Milliarden Euro liegt er 55 Prozent über dem Vorjahr. Demnach sorgten Großaufträge für den Bau und die Modernisierung von U-Booten für eine Umsatzsteigerung um 9,3 Prozent. Unterm Strich bleibt ein Nettogewinn von 108 Millionen Euro (gegenüber 88 Millionen im Vorjahr).

TKMS neues Logo

Die Auftragsbücher des U-Boot-Bauers sind prall gefüllt, die Werft ist bis Anfang der 2040er Jahre ausgelastet. Der Auftragseingang lag im Geschäftsjahr 2024/25 bei 8,8 Milliarden Euro und damit knapp sechsmal so hoch wie im Vorjahr (1,5 Milliarden Euro). Vor allem die Nachbestellung von vier U-Booten im Rahmen des deutsch-norwegischen Programms, ein Großauftrag für die Modernisierung von sechs U-Booten der deutschen Marine und einen Auftrag über zwei weitere U-Boote nach Asien sorgen für volle Bücher.

Ende November lieferte TKMS das zweite von sechs U-Booten an die Türkei aus. Bei der Vergabe eines Auftrags für acht bis zwölf konventionelle U-Booten für Kanada hat die Werft einen Mitbewerber aus Südkorea. Eine Entscheidung wird 2026 erwartet.

Fulminanter Börsenstart macht Lust auf Mehr

Im Oktober hatte TKMS einen fulminanten Börsenstart hingelegt - der Börsenwert überschritt mit mehr als sechs Milliarden Euro zeitweise den des Mutterkonzerns Thyssenkrupp. "Wir streben weiterhin eine Dividendenquote von 30 bis 50 Prozent des Nettoergebnisses an, zahlbar ab 2027," so der Finanzvorstand Paul Glaser auf der Bilanzpressekonferenz.

Mit der gut gefüllten Kriegskasse ausgestattet geht die Kieler Rüstungswerft jetzt auf Shoppingtour und dem Vernehmen nach sind die ersten Weichen bereits gestellt. Erstes Objekt der Begierde soll German Naval Yards Kiel (GNYK) sein.

German Naval Yards Kiel

Bekannt ist, dass es schon seit einiger Zeit Gespräche zwischen TKMS und der französischen GNYK-Mutter CMN über eine Übernahme gibt. Durch die Übernahme von GNYK würde TKMS neben der MV-Werft in Wismar eine zweite große Werft mit modernen Anlagen für den Großschiffbau in Blockbauweise für den Bau von Marineschiffen bekommen. So könnten in Kiel neben U-Booten künftig auch Fregatten und Korvetten gefertigt werden.

Die 400 Mitarbeiter:innen von GNYK kämen dann zur Werft TKMS, die damit am Standort Kiel rund 4.000 Beschäftigte hätte. Beide Unternehmen entstammen der Kieler HDW (Howaldtswerke-Deutsche Werft), die 2005 von Thyssen-Krupp übernommen wurde. GNYK wurde zunächst als HDW Gaarden ausgegliedert, 2011 wurde daraus Abu Dhabi Mar und 2015 GNYK. das mittlerweile Bestandteil der europäischen Schiffbaugruppe CMN Naval ist.

Während TKMS sich am Standort auf den Bau von U-Booten konzentriert, verfügt GNYK vor Ort über mehrere Hallen sowie große Trockendock- und Krankapazitäten. Zuletzt war GNYK in Schieflage geraten, nachdem aufgrund des bereits Jahre im Verzug befindlichen Fregattenprojekts der Klasse F126 die vereinbarten Bauleistungen für das Vorhaben nicht bei GNYK abgerufen wurden. Bereits in der Vergangenheit hatte GNYK deshalb Personal und Hallen-Kapazitäten zeitweise an TKMS "vermietet".

Inzwischen wird auch laut über eine Kooperation mit der Marinesparte der Lürssen-Werft nachgedacht. Die gehört mittlerweile zum Rüstungskonzern Rheinmetall. Entsprechende Anfragen hatte der bisherige Mutterkonzern ThyssenKrupp stets abgewunken - TKMS ist da viel offener und kann sich auch eine Zusammenarbeit mit anderen europäischen Konzernen vorstellen. Branchen-Experten gehen sogar davon aus, dass es weitere Fusionen geben könnte. Ein hoher eigener Aktienkurs ist für TKMS dabei eine starke Basis.

Rüstungspolitisches Desaster F126: Bundesregierung stellt Weichen für einen Kurswechsel Richtung TKMS

Unklar ist, was eine schnelle Übernahme für das von Krisen blockierte Fregattenprojekt F126 der Deutschen Marine bedeuten würde. GNYK war bei der Produktion der sechs Fregatten durch den Generalunternehmer Damen Naval für den Bau der Vorschiffe und den Zusammenbau der Rümpfe ausgewählt worden. Doch das Projekt steckt seit mehr als einem Jahr in der Krise. Seit 2024 gibt es einen Baustopp beim Typschiff "Niedersachsen". Damen Naval müsste sich bei einem Verkauf von GNYK an TKMS einen neuen Partner für das Projekt suchen.

Die Fregatte F126 galt als Prestigeprojekt der deutschen Marine – und wird nun zu einem rüstungspolitischen Desaster. Der niederländische Auftragnehmer Damen Naval war mit Entwicklung und Bau des größten Kriegsschiffs der Marine so überfordert, dass die Bundesregierung ihm den Auftrag nach mehr als fünf Jahren entzieht. Stattdessen soll die künftige Rheinmetall-Tochter NVL (Naval Vessels Lürssen) übernehmen. Doch auch dieser Rettungsplan könnte scheitern. Derzeit laufen Verhandlungen zwischen Damen Naval, dem Bundesverteidigungsministerium (BMVg) und NVL zur Übertragung der Projektverantwortung. Die Prüfung könnte bis zu sechs Monate dauern.

Fregatte F126

Das BMVg hat ein erhebliches Interesse an der Fortsetzung des Projektes. Etwa 1,8 Milliarden Euro sind bereits investiert, erste Sektionen stehen. Ein Abbruch würde für Minister Pistorius zum politischen Risiko.

Das Parlament hingegen treibt eine Alternativlösung voran, um die Marine nicht weitere Jahre auf ein Projekt mit ungewissem Ausgang warten zu lassen. Die Haushälter des Bundestags halten sich daher schon Alternativoptionen offen. So kann das Verteidigungsministerium nach einem Beschluss des Haushaltsausschusses in den kommenden Haushaltsjahren etwa 7,8 Milliarden Euro gegebenenfalls auch in die Beschaffung alternativer Schiffe investieren, wie das Fachportal "Europäische Sicherheit & Technik" am 14.11.25 meldete. Als Alternativplattform wird die MEKO A200 von TKMS favorisiert.

Ob Pistorius und sein Ministerium den Notausgang aus dem Deal am Ende wirklich nehmen, ist offen, die Option besteht aber nun.

Die Fregatten der Klasse F126 werden 166 Meter lang und haben eine Besatzung von jeweils bis zu 198 Soldatinnen und Soldaten. Sie werden zur dreidimensionalen Seekriegführung befähigt sein – können also Ziele unter Wasser, auf dem Wasser und in der Luft bekämpfen. Ihre wichtigsten Aufgaben werden die Seeraumüberwachung, das Durchsetzen von Embargos, die Unterstützung von Spezialkräften sowie Evakuierungsoperationen sein. Durch die Einrüstung von speziellen Missionsmodulen können die Mehrzweckkampfschiffe flexibel an unterschiedliche Einsatzszenarien angepasst werden.

Zurück zur Bilanzpressekonferenz: Die vor wenigen Tagen veröffentlichte nationale Sicherheitsstrategie der USA ist aus Sicht von TKMS-Chef Oliver Burkhard "ein Weckruf" für Europa, sich mehr um seine Sicherheit zu kümmern. "Meines Erachtens ist spätestens diese nationale Sicherheitsstrategie der allerletzte Weckruf", Europa könne nicht länger darauf hoffen, dass "an jeder Ecke" jemand stehe, der dem Kontinent zur Seite springe.

Was sagt die IG Metall dazu?

Während die italienischen Gewerkschaften mit Generalstreiks gegen die Hochrüstung protestieren (siehe kommunisten.de: "Generalstreik gegen Aufrüstung: 68% Beteiligung, eine halbe Million auf den Plätzen"), halten sich die deutschen Gewerkschaften bedeckt.

So begleitet auch die IG Metall diesen Prozess der Kieler Werft auf dem Weg zum Global Player in Sachen Rüstungsproduktion und -export mehr wohlwollend als kritisch.

"Die deutsche Marineindustrie steht vor einem Technologiesprung: Es geht dabei nicht nur um Schiffe und Boote, sondern auch um unbemannte Fahrzeuge, den Einsatz von Künstlicher Intelligenz, um Konnektivität, Combat Cloud und Multi Domain Operations. Hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung sind unabdingbar, will man in der Weltspitze agieren.
Angesichts der sicherheitspolitischen Lage ist es im Interesse Deutschlands, seine maritimen Schlüsseltechnologien langfristig zu sichern und weiterzuentwickeln. Dazu gehört der Unter- und Überwasserschiffbau. Der deutsche Marineschiffbau ist heute Weltspitze – aber er muss es auch morgen bleiben."
Gemeinsames Positionspapier von SPD-Wirtschaftsforum, IG Metall und Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV)

Ihr Mantra seit dem Börsengang von TKMS lautet: Der "Staat" muss mit mindestens 25,1 Prozent bei der TKMS einsteigen. "Es sei die Aufgabe der Bundesregierung, bei besonders schützenswerten Schlüsseltechnologien wie dem Marineschiffbau auch auf die Aktionärsstruktur von TKMS zu achten," so Stephanie Schmoliner, Geschäftsführerin der IG Metall Kiel-Neumünster, die auch stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende bei TKMS ist.

Die Gewerkschaft befürchtet, dass nach dem Börsengang ein Aktienpaket in "falsche Hände" geraten könnte (FAZ 9.8.25). Für den Bund ist eine Beteiligung allerdings vorerst nicht geplant. Eine Sicherheitsvereinbarung sichert jedoch Vorkaufs- und Zustimmungsrechte bei sensiblen Projekten zu. Zudem "kann" die Bundesregierung ein Aufsichtsratsmitglied benennen. 

Daniel Friedrich, Leiter des IG-Metall – Bezirks Küste, sieht "angesichts russischer Bedrohungen" nach wie vor "Nachholbedarf bei der Marine" und hofft auch auf staatliche Aufträge nicht nur bei TKMS und Rheinmetall-Lürssen sondern auch für die regionalen Zulieferbetriebe für die Rüstungswerften (Kieler Nachrichten 5.12.2025).

Damit bewegt sich die Gewerkschaft auf der Grundlage des Anfang 2024 verfassten gemeinsamen Positionspapier von SPD-Wirtschaftsforums, der IG Metall und des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV), unter dem Titel "Souveränität und Resilienz sichern – Industriepolitische Leitlinien und Instrumente für eine zukunftsfähige Sicherheits- und Verteidigungsindustrie."[1]

Tenor des 12-seitigen Papiers: Wir sehen, dass die Bundesregierung (endlich) in die Rüstung investiert, aber es ist nicht genug und es wird zu wenig in deutsche Unternehmen gesteckt. Deutschland droht seine Kompetenzen in der Rüstung zu verlieren und damit gehen Arbeitsplätze verloren. Die dauerhafte Sicherstellung von hohen Investitionen in den Bereich der Wehrtechnik, z.B. auch durch die gezielte Förderung technologischer Entwicklungen, gepaart mit dem Wunsch nach langfristigen und auskömmlichen Lieferverträgen ist das Schlüsselelement.

Ein bisschen an den Ablasshandel erinnert in diesem Zusammenhang die Forderung der IG Metall Küste nach einer "Übergewinnsteuer für die Rüstungsindustrie" – um damit die friedenspolitischen Sünden wenn nicht zu heilen so zumindest zu schmälern.

"Als Folge des Kriegs (als wenn es nur den "einen" Krieg gäbe, gst) profitieren Unternehmen wie Rheinmetall, Hensoldt, Leonardo und Renk durch rapide steigende Aktienkurse, volle Auftragsbücher und sprudelnde Gewinne – finanziert durch staatliche Aufträge und somit letztlich durch Steuergelder. Das darf keine Lizenz zum Gelddrucken sein", so die IG Metall Küste. "Wer an der Aufrüstung verdient, muss einen fairen Beitrag zum Gemeinwohl leisten. Das ist für uns Gerechtigkeit."

Für eine Gewerkschaft ein seltsames Verständnis von Gerechtigkeit.

Aktien von Ukrainegespraechen belastet

 

txt: Günther Stamer

Anmerkungen

[1] https://www.igmetall.de/download/20240130_Positionspapier_Sicherheits_und_Verteidigungsindustrie.pdf


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