21.04.2021: Am Montag (19.4.) endete der 8. Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas PCC mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses für das Zentralkomitee und der ersten Sitzung des ZK, auf der die Führungsspitze der PCC für den Zeitraum 2021-2026 gewählt wurde. Angesichts von Corona-Pandemie, Wirtschaftskrise, Einbruch des Tourismus, sich vertiefender Ungleichheiten, der anstehenden Neujustierung des Verhältnisses zu den USA, aber auch interner ungelöster Konflikte musste der Parteitag wichtige Weichenstellungen liefern.
Der Parteitag (16. - 19.4) fand am 60. Jahrestag der Niederlage der von den USA organisierten, bewaffneten und finanzierten Söldnerinvasion in Playa Girón (Schweinebucht) und der Proklamation des sozialistischen Charakters des kubanischen revolutionären Prozesses statt. Wegen der Einschränkungen durch die COVID-19-Pandemie war die Anzahl der Delegierten der mehr als 700.000 Parteimitgliedern in mehr als 58.000 Grundorganisationen auf 300 begrenzt worden.
Fidel Castro beim Kampf gegen die Söldnerinvasion an der Scheinebucht |
Generationenwechsel und Stärkung der kollektiven Führung
Wie erwartet wurde Miguel Díaz-Canel am Montag zum Ersten Sekretär der Kommunistischen Partei Kubas PCC gewählt. In der Uniform eines Armeegenerals hatte Raúl Castro am Freitag in seiner im Fernsehen übertragenen Rede erklärt, dass er im Alter von 90 Jahren die Führung der PCC abgibt. Diesen Schritt hatte er bereits 2018 angekündigt, als er Miguel Díaz-Canel als seinen Nachfolger für das Amt des Staatspräsidenten vorschlug. "NICHTS, ich wiederhole NICHTS, zwingt mich, diese Entscheidung zu treffen", sagte er am Freitag und schlug mit der Hand auf das Rednerpult. Es sei eine Entscheidung, die seit Jahren in dem Bewusstsein gereift ist, das Schicksal des Landes "einer Gruppe von vorbereiteten Führern ... zu überlassen, die durch jahrzehntelange Arbeit an der Basis geprägt und der Ethik der Revolution und des Sozialismus verpflichtet ist", so Raúl Castro.
Auch die anderen "historischen" Führer, Machado Ventura, Kommandant Valdés, General Cintra Frías, alle über achtzig Jahre alt, verlassen die Parteiführung und gehen in den Ruhestand. Der einzige Vertreter der Kämpfer der Sierra Maestra in der neuen Spitze ist der General und "Held der Revolution" Alvaro López Miera. Beobachter werten die am Vorabend des Kongresses getroffene Entscheidung, den Minister der Revolutionären Streitkräfte (FAR), General Cintra Frías, durch seinen Stellvertreter, Alvaro López Miera, zu ersetzen, als eine Stärkung des Díaz-Canel-Sekretariats. Alvaro López Miera gilt als enger Vertrauter von Raúl Castro, der damit seine konkrete Unterstützung für Miguel Díaz-Canel erneuerte.
Mit dem Ausscheiden des neunzigjährigen José Ramón Machado Ventura, bisher Zweiter Sekretär der PCC und die Führungskraft, die den Parteiapparat im gesamten Territorium kontrollierte, wird Díaz-Canel kein Gegengewicht im "historischen" Sektor haben. José Ramón Machado Ventura galt als Schwergewicht der orthodoxen Gruppe der Partei.
Die Neubesetzung der Parteiführung mit Personen, die Reformen offen unterstützen, wird als eine Maßnahme zur Stärkung des Dialogs und der Interaktion mit der Basis der PCC und der Bevölkerung angesehen. Erwartet wird, dass "Kontinuität" (neben "Einheit" eine der Losungen des Kongresses) stärker mit einer Vertiefung der partizipativen Demokratie verbunden wird, die dem kubanischen Sozialismus innewohnt und in der Verfassung vorgesehen ist.
Aber es gibt wenig Zweifel daran, dass die neue Leitung von Partei - Regierung - Staat sorgfältig ausgewählt wurde, um die verschiedenen "Seelen" der PCC auszutarieren. "Miguel Díaz-Canel ist nicht das Ergebnis von Improvisation, sondern einer sorgfältigen Auswahl eines jungen Revolutionärs, der alle Voraussetzungen hatte, um in ein höheres Amt aufzusteigen", hatte Raúl Castro in seiner Rede vor dem Kongress deutlich gemacht. Er hob hervor, dass Díaz-Canel "es geschafft hat, ein (Regierungs-)Team zu bilden und die Einheit an der Spitze" des Staates zu stärken. Die Form der kollektiven Führung und die Stärkung des institutionellen Charakters der Partei - mit größerem Gewicht im Sekretariat des Politbüros, und im Staat mit mehr Gewicht des Staatsrats - wurde von Raúl Castro gefördert, seit er 2008 die Parteiführung und die Präsidentschaft der Republik übernommen und seinen älteren Bruder Fidel abgelöst hat.
Die Wahl des neuen Zentralkomitees und seines Ersten Sekretärs markiert den Abschluss der Phase des Übergangs der Führung des Landes von den Führern (über achtzig) der Revolution, der Generation Fidels, zur "Generation, die nach dem Sieg der Revolution 1959 geboren wurde". So wurde die von Raúl Castro gewünschte neue Regel bestätigt: die Altersgrenze von 60 Jahren für die Mitgliedschaft im Zentralkomitee der PCC und 70 Jahren für das Politbüro.
Raúl Castro: "Kontinuität der Revolution"
Am Sonntag, dem dritten Tag des Kongress, verabschiedeten die Delegierten den Zentralbericht des Ersten Sekretärs Raúl Castro sowie vier Resolutionen, die aus der Arbeit der Kommissionen der beiden vorangegangenen Tage resultierten.
"Kubanische Schriftsteller*innen und Künstler*innen waren immer, zum größten Teil, auf der Seite dieser großen Sache von Martí und Fidel (...). Weder Freund noch Feind sollen sich irren. (...) Lassen Sie sich nicht vom Feind verwirren, lassen Sie sich nicht von den sozialen Netzwerken - so riesig und effizient sie auch sein mögen - verwirren. Hier ist die Revolution nicht in den sozialen Netzwerken, sie ist auf den Straßen und in den Herzen des kubanischen Volkes".
Miguel Barnet, Vorsitzender der Schriftstellervereinigung UNEAC, in seine Rede auf dem Parteitag
Das Dokument bekräftigt, dass die Entwicklung der Volkswirtschaft zusammen mit dem Kampf für den Frieden und die ideologische Festigkeit die Hauptaufgaben der Partei sind. Die Strategie der Partei und damit der Regierung bleibt die Verteidigung des Sozialismus, mit der Vorherrschaft der staatlichen Industrie, der Kontrolle des Außenhandels und der Entwicklung eines Privatsektors, der nur "komplementär" zum Staat ist.
Der Bericht ist das Ergebnis einer kritischen und objektiven Bewertung der Aufgaben, die die Partei und das kubanische Volk in den letzten fünf Jahren unternommen haben; begleitet von Herausforderungen und Schwierigkeiten, die aus dem internationalen Kontext kommen, und auch Produkt der eigenen Unzulänglichkeiten sind, wie Bürokratie, Trägheit, Widerstand gegen Veränderungen und das Fehlen von Entschlossenheit, um negative Phänomene zu überwinden, die in der gegenwärtigen kubanischen Gesellschaft vorhanden sind.
"Andererseits muss ich gestehen, dass ich trotz der Tatsache, dass die ideologische Arbeit eines der Hauptarbeitsgebiete der Partei ist, mit dem erreichten Fortschritt nicht zufrieden bin. Es stimmt zwar, dass sich unsere Medien durch ihre Verbundenheit mit der Wahrheit und die Ablehnung von Lügen auszeichnen, aber es stimmt auch, dass es immer noch Erscheinungen von Triumphalismus, Plumpheit und Oberflächlichkeit gibt, wie sie mit der Realität des Landes umgehen. Manchmal werden journalistische Arbeiten präsentiert, die, anstatt zu klären, eher verwirren. Diese Ansätze schaden der Glaubwürdigkeit der gesellschaftlich als richtig erkannten Informations- und Kommunikationspolitik."
Raúl Castro
Ebenso enthält der Text Würdigungen hinsichtlich der Einhaltung der Maßnahmen zur Bekämpfung von COVID-19 und der Rolle der Wissenschaftler und des Gesundheitspersonals auf der Insel bei der Entwicklung wirksamer Protokolle zur Behandlung der Krankheit sowie bei der Entwicklung von fünf Impfstoffkandidaten, von denen sich zwei in fortgeschrittenen Stadien der klinischen Prüfung befinden.
Weitere Themen des Zentralberichts sind die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft der Karibikinsel - trotz der Hindernisse durch die verschärfte Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade der Vereinigten Staaten -, die Notwendigkeit, die Steigerung der nationalen Produktion zu verteidigen, insbesondere der Nahrungsmittel, und ein Aufruf, die Aktionen der Massenorganisationen in allen Bereichen der Gesellschaft wiederzubeleben und ihre Funktionsweise zu verbessern.
Die Revolution wird nicht mit Halbheiten gemacht" ... Ist die UJC (Kommunistischer Jugendverband "Unión de Jóvenes Comunistas") ein Protagonist im kulturellen Medienkrieg, mit dem wir konfrontiert sind? Hat sie eine Führungsrolle bei der Verteidigung der gesellschaftlichen Anliegen, die uns als Revolutionär*innen auf den Plan rufen sollten, um unseren Sozialismus weiter zu demokratisieren: die Verteidigung der Rechte der Frauen, der LGTBIQ-Gemeinschaft, der Kampf gegen alle Arten von Diskriminierung und Ungleichheit? |
Bremsen lösen und Produktion ankurbeln
Die neue Führung übernimmt ihre Aufgabe in einem außergewöhnlichen und komplexen nationalen und internationalen Szenario: Kubas Wirtschaft befindet sich in der schwierigsten Phase seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ab 1989. Der coranabedingte Einbruch des Tourismus und die schrittweise Verschärfung der US-Blockade durch die Trump-Administration haben die Insel an den Rand der Zahlungsunfähigkeit gebracht. Die Regierung Díaz-Canel reagierte darauf mit einer Teil-Dollarisierung des Einzelhandels durch Einführung von Devisenläden und vorsichtigen Wirtschaftsreformen, die Staatsbetrieben mehr Autonomie verleihen, Beschränkungen für den Privatsektor abbauen, die landwirtschaftliche Produktion ankurbeln und ausländisches Kapital ins Land holen sollen. Zu Jahresbeginn wurde die lang angekündigte Währungsreform vollzogen, begleitet von einer Lohn- und Preisreform. Dazu kommt die zunehmend komplexe und pluralistische Entwicklung der kubanischen Gesellschaft und das Entstehen eines Bruchs im internen politischen Konsens.
Der Zustand, den die "einfache kubanische Bürger*in" erlebt, ist angesichts der Knappheit der Grundbedürfnisse an der Grenze des Erträglichen. "Die nationale Produktion anzukurbeln, um Importe zu ersetzen, sowie Garantien für mehr ausländische Investitionen und eine solide und konvertierbare Währung zu erhalten, sind die vorrangigen Ziele der Regierung und der Partei", bekräftigt der Ökonomieprofessor an der Universität von La Habana, Omar Everleny.
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Auf der wirtschaftlichen Ebene wird allgemein gefordert, dass die vom damaligen Präsidenten Raúl Castro auf früheren Kongressen eingeleiteten Reformen - die sogenannten "Linien" (von 2011) und die "Konzeptualisierung" (von 2016) des kubanischen Wirtschafts-Modells - konsequent zu Ende geführt werden, um dem Streben nach einem "prosperierenden und nachhaltigen Sozialismus" Substanz zu verleihen. Und vor allem, den Erwartungen der Bürger*innen nach einem besseren Leben nachzukommen.
Die relative programmatische Klarheit von Raúls Reformimpuls kontrastiert mit der Langsamkeit seiner Umsetzung: Nach zehn Jahren hat ein guter Teil des Reformpakets noch nicht das Licht der Welt erblickt. Ein klares Zeichen für einen bürokratisch-konservativen Sektor der Partei und des Staates, der sich gegen Veränderungen wehrt.
"Wir sagen jedes Jahr, dass erneuert werden muss, dass es sich verändern muss, dass es sich bewegen muss, dass es tragen muss, ... aber wir brauchen zu lange, um es zu TUN."
Pedro Jorge Velázquez
Seit vier Monaten ist die "Tarea Ordenamiento" im Gange, eine Währungs-, Wechselkurs- und Wirtschaftsreform, die nur einen Teil des Komplexes der geplanten und notwendigen Reformen darstellt. Die bisherigen Ergebnisse sind nicht wie erhofft, die Inflation ist höher als erwartet mit sehr hohen Kosten für Grundbedürfnisse, während die Eröffnung von Geschäften in US-Dollar die soziale Kluft vergrößert hat. Die Anreize zur Steigerung der Produktion und zur Substitution von Importen wirken nicht wie erwartet. Besonders im strategischen Sektor der Landwirtschaft, dessen Minister noch am Vorabend des Kongresses ausgetauscht wurde. Wahrscheinlich hat aus diesem Grund auch der oberster Koordinator der Wirtschaftspolitik und mit der Umsetzung der Währungsreform betraute Marino Murillo seinen Sitz im Politbüro verloren.
Die neue Parteiführung steht vor vielfältigen Herausforderungen. Der ehemalige Diplomat und Mitglied der Kommunistischen Partei, Carlos Alzugaray, zieht ein kubanische Sprichwort heran: "Díaz-Canel muss mit der Hässlichsten tanzen." Er ist mit sehr schwierigen Bedingungen konfrontiert, sowohl wirtschaftlich, mit einer Krise, die durch die Pandemie noch verschärft wurde, als auch international" angesichts der Tendenz zu einem neuen kalten Krieg, so Carlos Alzugaray.
"Paradoxerweise besteht die Rettung des Sozialismus darin, die Tür zu öffnen, durch die die Kräfte und Prozesse, die objektiv die Möglichkeit in sich sammeln, als Agenten der kapitalistischen Restauration zu wirken, hineinschlüpfen können. Hier lohnt es sich, sich das kubanische Projekt als einen Wanderer vorzustellen, der sich auf einem Pfad am Rande einer Schlucht wiederfindet. Sich vorwärts zu bewegen bedeutet, das Risiko einzugehen, einen falschen Schritt zu machen, der ihn vielleicht ins Leere stürzen wird. Mittelfristig ist es jedoch unpraktikabel, dort zu bleiben, wo man ist, da der Boden unter den Füßen bröckelt. Es gibt dann nur eine Möglichkeit mit Aussicht auf Erfolg: vorwärts zu gehen."
Fabio Fernández, Professor an der Universidad de La Habana
Schluss mit der Blockade
Raúl Castro hatte sich in seiner Rede (ohne ihn namentlich zu nennen) an den Präsidenten der Vereinigten Staaten gewandt und vorgeschlagen, die Beziehungen zwischen den beiden Ländern auf der Grundlage der Achtung der Souveränität und der Gleichheit wieder aufzunehmen. Für Joe Biden und seinen Außenminister Blinken hat "Kuba keine politische Priorität". Was bedeutet, dass sie das Embargo und die 240 Sanktionsmaßnahmen aufrechterhalten, die der ehemalige Präsident Trump mit dem klaren Ziel anstrebte, "die kubanische Wirtschaft zu strangulieren und einen sozialen Aufstand" auf der Insel zu provozieren. Wenn Biden tatsächlich, wie er während des Präsidentschaftswahlkampfes behauptete, den Kurs von Trump ändern will, sowohl in Bezug auf Kuba als auch auf Lateinamerika, dann hat er jetzt einen triftigen Grund, dies zu tun.
verwendete Quellen: Cubadebatte, Revista Alma Mater, Prensa Latina, Granma, Facebook u.a. TanganaEnElTrillo, il manifesto
Raùl Castro über das Sozialistische Wirtschaftsmodell (spanisch mit englischen Untertiteln) |
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Raúl Castro: USA verstärken Versuche der ideologischen Beeinflussung (spanisch mit englischen Untertiteln) |
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Raúl Castro: Kuba, die Revolution und den Sozialismus verteidigen (spanisch mit englischen Untertiteln) |
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