Der Kommentar

30.05.2024: Er sei ein Motor der europäischen Entwicklung - mit diesen Worten hat Bundespräsident Steinmeier am Dienstag (28.5.) den französischen Präsidenten Macron bei der Verleihung des Westfälischen Friedenspreises gewürdigt. ++ Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW kritisiert die Auszeichnung: Emmanuel Macron ist kein Friedensgarant

 

Der Preis des Westfälischen Friedens war 1998 zum 350. Jubiläum des Westfälischen Friedens, mit dem 1648 der Dreißigjährige Krieg endete, gestiftet worden. Er wird alle zwei Jahre ausgelobt. Gewürdigt werden Einzelpersonen und Institutionen, die ein Vorbild für Engagement und Dialogbereitschaft zur Erhaltung des Friedens und der Eigenständigkeit Europas sind.

Dieses Jahr erhielt der französiche Präsident Emanel Macron die Auszeichnung.

Er sei ein Motor der europäischen Entwicklung - mit diesen Worten hat Bundespräsident Steinmeier am Dienstag (28.5.) den französischen Präsidenten Macron bei der Verleihung des Westfälischen Friedenspreises gewürdigt. "Du bist nicht nur ein Macher, Du bist ein Mutmacher. Wo andere von Grenzen sprechen, da redest Du von Horizonten", sagte Steinmeier. Macron kennt tatsächlich keine Grenzen. Er will NATO-Bodentruppen gegen Russland in die Ukraine schicken.

Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW hält es für absurd, den französischen Präsidenten mit einem Friedenspreis auszuzeichnen, der französische Bodentruppen in der Ukraine ins Gespräch bringt, mit der französischen Atombombe Politik macht und die Verantwortung für die Opfer der französischen Atombombentests nicht wahrnimmt.

 

IPPNW-Pressemitteilung vom 27. Mai 2024

Emmanuel Macron ist kein Friedensgarant

Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW kritisiert die Auszeichnung des französischen Präsidenten Macron mit dem Westfälischen Friedenspreis scharf. Macron erhält am Dienstag den Preis "für sein unermüdliches Engagement um eine Konfliktbegrenzung zu Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine". Doch die jüngsten Äußerungen Macrons zum Ukrainekrieg, Frankreichs aggressive Atompolitik und seine Ignoranz gegenüber dem kolonialen Erbe sind kein Ausdruck eines Friedensstrebens.

Frankreich ist die einzige Nuklearmacht innerhalb der EU. Präsident Macron nutzt diesen Umstand, um sich einerseits als Schutzpatron Europas zu gerieren und den französischen Nuklearschirm als Sicherheitsgarantie für ganz Europa zu inszenieren. Andererseits riskiert Macron mit seinen Gedankenspielen zu französischen Bodentruppen in der Ukraine eine Eskalation des Krieges.

"Die Angebote Macrons an die EU-Länder für eine Beteiligung am französischen Atomwaffenprogramm und einem möglichen europäischen Atomschirm kaschieren seine eigentliche Absicht: Finanzhilfen für das teure Atomprogramm", so die IPPNW-Vorsitzende Dr. Angelika Claußen. "Der Präsident lädt zu einer EU-Atomwaffenpolitik ein, die letztlich einer verstärkten nuklearen Abschreckung und einer Proliferation den Weg ebnet. Wir brauchen das Gegenteil: umfassende nukleare Abrüstung, wie es der UN-Atomwaffenverbotsvertrag fordert."

Aus Sicht der IPPNW müsste gerade Frankreich als Atommacht versuchen, das nukleare Eskalationspotential im Ukrainekrieg zu verringern. Etwa indem es sich gemeinsam mit den vier Atommächten im Sicherheitsrat auf eine "no first use" Regel verpflichtet, die den Ersteinsatz von Atomwaffen verbietet.

Außerdem weist die IPPNW auf die aggressive und widersprüchliche Atompolitik Frankreichs hin. Aktuell plant Framatome, eine Tochter des französischen Staatskonzerns EDF, gemeinsam mit der russischen Atombehörde Rosatom eine Zusammenarbeit beim Neubau einer Brennelementefabrik im niedersächsischen Lingen. Ein Beweggrund Frankreichs für das russisch-französische Joint Venture ist, dass Frankreichs Atomsparte unter dem Dach der EDF Schulden in Höhe von ca. 54 Mrd. aufweist. Zuletzt stand das Projekt aufgrund absehbarer sicherheitspolitischer Risiken stark in der Kritik.

Für die französische Regierung gehören die zivilen und militärischen Seiten der Atomkraft eng zusammen. Dies hatte der französische Präsident Macron in einer Rede 2020 auf den Punkt gebracht: "Ohne zivile Atomenergie gibt es keine militärische Nutzung der Technologie – und ohne militärische Nutzung gibt es auch keine Atomenergie."

Anstatt zivile wie militärische Seiten der Atomkraft auszubauen, sollte Frankreich endlich Verantwortung für die Folgen seiner 204 Atomwaffentests übernehmen, die auf dem Territorium ehemaliger Kolonien verübt worden sind. "Die verheerenden medizinischen und Umweltfolgen der Tests sind umfänglich belegt", so Juliane Hauschulz, Campaignerin für "To Survive Is To Resist", dem IPPNW-Projekt zu den Folgen von Atomwaffentests. "Frankreich sollte sich jetzt seinem kolonialen Erbe stellen und sich um eine Entschädigung aller Opfer seiner Atomwaffentests und eine umfangreiche Umweltsanierung bemühen." Dies würde auch ein wichtiges Zeichen in Richtung der anderen Atommächte senden.

Der Status Frankreichs als Kolonialmacht lässt auch über die fehlende Aufarbeitung der Atomtests hinaus Zweifel am Engagement Macrons für den Frieden aufkommen: Frankreich ist in der Vergangenheit vor massivem Gewalteinsatz zur Wahrung geopolitischer Interessen nicht zurückgewichen. Davon zeugen die Militäreinsätze in der Sahelregion. Mit der Entsendung französischer Truppen in das Überseegebiet Neukaledonien droht der dortige Konflikt zu einem Bürgerkrieg um die Hoheit über die Inselgruppe zu werden.

Die Verleihung des Westfälischen Friedenspreises findet am 28. Mai 2024 in Münster statt. Der Preis erinnert an den Westfälischen Frieden von 1648 und würdigt Persönlichkeiten, die sich besonders für die europäische Integration engagiert haben. Emmanuel Macron verantwortet jedoch Entscheidungen die zulasten von Abrüstung, Nachhaltigkeit und Entspannung innerhalb und außerhalb Europas gehen. Das darf nicht mit einem Friedenspreis geehrt werden.

Quelle: https://www.ippnw.de/presse/artikel/de/emmanuel-macron-ist-kein-friedensgar.html


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