19.09.2024: Die Generalversammlung der Vereinten Nationen (UNGA) hat am Mittwoch (18.9.) mit überwältigender Mehrheit einen Resolutionsentwurf angenommen, in dem ein Ende der illegalen Präsenz Israels in den besetzten palästinensischen Gebieten und Sanktionen gegen Israel gefordert werden. ++ Deutschland enthält sich und zeigt: Einsatz für "Zwei-Staaten-Lösung" ist leeres Gerede ++ Israel provoziert mit Terroranschlag großen Krieg im Nahen Osten
Am Dienstag hatte der Staat Palästina den Resolutionsentwurf bei der 10. außerordentlichen Dringlichkeitssitzung der UN-Generalversammlung in New York eingereicht. Die Sitzung fand unter dem Titel „Gutachten des Internationalen Gerichtshofs zu den rechtlichen Folgen der Politik und Praktiken Israels in den besetzten palästinensischen Gebieten, einschließlich Ost-Jerusalem, und zur Rechtswidrigkeit der fortgesetzten israelischen Präsenz in den besetzten palästinensischen Gebieten“ statt.
Der Staat Palästina ist zwar kein vollwertiges stimmberechtigtes Mitglied der Vereinten Nationen, hat aber seit letztem Mai einen verbesserten Beobachterstatus, und Botschafter Riyad Mansour nahm erstmals seinen offiziellen Sitz in der alphabetischen Reihenfolge der Staaten in der Generalversammlung ein.
Der Resolutionsentwurf wurde von von 40 Ländern unterstützt, darunter Algerien, Jordanien, Bahrain, Türkei, Dschibuti, Sudan, Irak, Oman, Katar, Kuwait, Libyen, Ägypten, Marokko, Saudi-Arabien und Mauretanien.
Die Resolution basiert auf dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs vom 19. Juli, in dem festgestellt wurde, dass die jahrzehntelange Besetzung der palästinensischen Gebiete durch Israel „rechtswidrig“ ist und beendet werden muss. Alle Staaten sind verpflichtet diese Situation nicht als rechtmäßig anzuerkennen und keine Hilfe oder Unterstützung bei deren Aufrechterhaltung zu leisten. Israel muss die Palästinenser entschädigen und deren Rückkehr ermöglichen. Außerdem verstößt die „nahezu vollständige Trennung“ der Menschen im besetzten Westjordanland gegen das Völkerrecht in Bezug auf „Rassentrennung“ und „Apartheid“. (siehe kommunisten.de, 23.7.2024: Internationaler Gerichtshof: Israel ist ein Apartheidstaat)
"Jedes Land hat eine Stimme, und die Welt beobachtet uns, um zu sehen, ob wir den Verpflichtungen, die wir eingehen, und den Grundsätzen, die wir für uns beanspruchen, in dieser historischen und entscheidenden Phase für die Menschheit gerecht werden können. Bitte stellen Sie sich auf die richtige Seite der Geschichte. Auf die Seite des Völkerrechts. Auf die Seite der Freiheit. Auf die Seite des Friedens. Die Alternative ist das, was Sie jeden Tag auf Ihren Fernsehbildschirmen sehen. Und was das palästinensische Volk am eigenen Leib ertragen muss. Eine andere Realität ist möglich. Sie beginnt jetzt und hier. Freies Palästina. Frieden für alle."
Riyad Mansour, Ständiger Beobachter des Staates Palästina bei den Vereinten Nationen, vor der 10. außerordentlichen Sondersitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 17. September 2024
Die UN Generalversammlung UNGA fordert gemäß den Bestimmungen des Dokuments A/ES-10/L.31/Rev.1 [1], dass Israel seine "rechtswidrige Präsenz in den besetzten palästinensischen Gebieten" spätestens 12 Monate nach der Annahme der Resolution beendet und alle neuen siedlerkolonialistischen Aktivitäten sofort einstellt und alle Siedler aus den besetzten palästinensischen Gebieten evakuiert. Darüber hinaus fordert die UNGA Israel auf, das seit Beginn der Besetzung im Jahr 1967 beschlagnahmte Land zurückzugeben und den vertriebenen Palästinensern die Rückkehr in ihre Häuser zu ermöglichen.
Israel wird aufgefordert die einstweiligen Anordnungen des Internationalen Gerichtshofs vom 26. Januar 2024 zur Vermeidung eines Völkermordes an den Palästinensern unverzüglich zu erfüllen. (siehe kommunisten.de, 27.1.2024: Internationaler Gerichtshof: Israel muss völkermörderische Handlungen verhindern)
Im beschlossenen Text heißt es, dass "Israel unverzüglich allen seinen rechtlichen Verpflichtungen nach dem Völkerrecht, einschließlich der vom Internationalen Gerichtshof festgelegten, nachkommt, unter anderem durch:
(a) Abzug aller seiner Streitkräfte aus dem besetzten palästinensischen Gebiet, einschließlich seines Luft- und Seeraums;
(b) Beendigung seiner rechtswidrigen Politik und Praktiken, einschließlich der sofortigen Einstellung aller neuen Siedlungsaktivitäten, der Evakuierung aller Siedler aus dem besetzten palästinensischen Gebiet und des Abbaus der von Israel errichteten Teile der Mauer, die sich in dem Gebiet befinden, sowie der Aufhebung aller Gesetze und Maßnahmen, die die rechtswidrige Situation schaffen oder aufrechterhalten, einschließlich derjenigen, die das palästinensische Volk diskriminieren, sowie alle Maßnahmen, die darauf abzielen, die demografische Zusammensetzung, den Charakter und den Status von Teilen des Gebiets zu ändern, einschließlich aller Maßnahmen, die den historischen Status quo an den heiligen Stätten von Jerusalem verletzen;
(c) Rückgabe von Land und anderem unbeweglichen Vermögen sowie aller Vermögenswerte, die seit Beginn der Besetzung im Jahr 1967 von natürlichen oder juristischen Personen beschlagnahmt wurden, sowie aller Kulturgüter und Vermögenswerte, die Palästinensern und palästinensischen Institutionen abgenommen wurden;
(d) Ermöglichung der Rückkehr aller während der Besatzung vertriebenen Palästinenser an ihren ursprünglichen Wohnort;
(e) Wiedergutmachung für den Schaden, der allen betroffenen natürlichen und juristischen Personen im besetzten palästinensischen Gebiet entstanden ist;
(f) die sofortige Erfüllung der Verpflichtungen nach internationalem Recht, die in den jeweiligen einstweiligen Anordnungen des Internationalen Gerichtshofs im Fall der Anwendung der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes (Südafrika gegen Israel) in Bezug auf das Recht des palästinensischen Volkes im Gazastreifen auf Schutz vor allen Handlungen im Rahmen der Artikel II und III der Konvention angegeben sind;
Die UNGA fordert die Staaten auf, die rechtswidrige Anwesenheit Israels im besetzten palästinensischen Gebiet nicht als rechtmäßig anzuerkennen und Handels- oder Investitionsbeziehungen zu unterbinden, die zur Aufrechterhaltung der von Israel geschaffenen illegalen Situation beitragen.
Die Resolution fordert die Staaten auf, "Schritte zu unternehmen, um die Einfuhr von Produkten mit Ursprung in den israelischen Siedlungen sowie die Lieferung oder den Transfer von Waffen, Munition und zugehöriger Ausrüstung an die Besatzungsmacht Israel in allen Fällen einzustellen, in denen der begründete Verdacht besteht, dass sie im Besetzten Palästinensischen Gebiet eingesetzt werden könnten".
Die UNGA fordert, "das palästinensische Volk nicht daran zu hindern, sein Recht auf Selbstbestimmung, einschließlich seines Rechts auf einen unabhängigen und souveränen Staat, über das gesamte besetzte palästinensische Gebiet auszuüben".
Zum ersten Mal hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen Israel wegen des Verbrechens der Apartheid verurteilt und für die Verhängung von Sanktionen gegen Israel gestimmt. Die Staaten werden aufgefordert, "Sanktionen, einschließlich Reiseverboten und dem Einfrieren von Vermögenswerten, gegen natürliche und juristische Personen zu verhängen, die an der Aufrechterhaltung der rechtswidrigen Präsenz Israels im besetzten palästinensischen Gebiet beteiligt sind, ..."
Zudem werden die Staaten aufgefordert, "Schritte zu unternehmen, um die Einfuhr von Produkten mit Ursprung in den israelischen Siedlungen sowie die Lieferung oder den Transfer von Waffen, Munition und zugehöriger Ausrüstung an die Besatzungsmacht Israel in allen Fällen einzustellen, in denen der begründete Verdacht besteht, dass sie im Besetzten Palästinensischen Gebiet eingesetzt werden könnten".
Innerhalb von drei Monaten muss der Generalsekretär der UN einen Bericht über die Umsetzung dieser Resolution vorlegen, "einschließlich aller Maßnahmen, die von Israel, anderen Staaten und internationalen Organisationen, einschließlich der Vereinten Nationen, ergriffen wurden.“
Den vollständigen Text der Resolution finden Sie hier: https://www.un.org/unispal/wp-content/uploads/2024/09/n2426648-1.pdf
Für die Resolution stimmten 124 Staaten. Nur die USA, Israel und 12 rechtsgerichtete und US-abhängige Regierungen stimmten dagegen. 43 Länder enthielten sich, darunter auch Deutschland. Im Unterschied zu Deutschland stimmten die meisten EU-Mitgliedsländer der Resolution zu.
Obwohl Frankreich weitgehend als Verbündeter Israels gilt, schloss es sich Belgien, Finnland, Griechenland, Irland, Lettland, Luxemburg, Malta, Norwegen, Portugal, Slowenien und Spanien an, die alle kürzlich eine kritischere Haltung gegenüber Israel im Zusammenhang mit seinem Krieg gegen Gaza zum Ausdruck gebracht haben, um die Resolution zu unterstützen. Nicolas de Riviere, Frankreichs ständiger UN-Vertreter, erklärte vor der Generalversammlung, dass sein Land "dem Völkerrecht verpflichtet“ sei und bekräftigte "seine volle Unterstützung für den Internationalen Gerichtshof“.
"Wie das Gericht in seinem Gutachten vom Juli 2024 feststellte, stellt die Kolonisierung der palästinensischen Gebiete, einschließlich Ost-Jerusalems, eine Verletzung des Völkerrechts dar“, sagte er. "Die Staaten sind daher verpflichtet, die Situation, die sich aus der illegalen Anwesenheit des Staates Israel in den besetzten palästinensischen Gebieten ergibt, nicht anzuerkennen. Frankreich wird die illegale Annexion dieser Gebiete nicht anerkennen.“
Er bekräftigte Frankreichs "unerschütterliches Engagement für die Sicherheit Israels“, betonte aber auch, dass "die fortgesetzte Kolonisierung ein großes Hindernis für die Zweistaatenlösung darstellt“, die seiner Meinung nach die einzige Lösung sei, die langfristig einen dauerhaften Frieden und die Sicherheit Israels garantieren könne.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell begrüßte die Entscheidung der UN-Vollversammlung. Er erklärte: "Die UN-Generalversammlung hat ihr Engagement für die Verwirklichung des Rechts des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung, einschließlich seines Rechts auf einen unabhängigen und souveränen Staat, Seite an Seite in Frieden und Sicherheit mit Israel zu leben, in Übereinstimmung mit den einschlägigen Resolutionen des UN-Sicherheitsrates und der UN-Generalversammlung nachdrücklich bekräftigt.“
Bundesregierung zeigt: Einsatz für "Zwei-Staaten-Lösung" ist leeres Gerede
Die Bundesregierung und vor allem das von Annalena Baerbock (Grüne) geführte Außenministerium hat einmal mehr gezeigt, dass das ganze Gerede von der "regelbasierten Ordnung" und ihres Einsatzes für eine "Zwei-Staaten-Lösung" nur dazu dient, Israel mehr Zeit für den Völkermord und die Vertreibung der Palästinenser zu verschaffen. Die Bundesregierung kann nicht einmal der Beendigung der illegalen israelischen Besatzung zustimmen und stellt sich wieder einmal auf die "falsche seite der Geschichte".
Jetzt Druck auf Regierungen ausüben
Zwar ist die Resolution der UN-Vollversammlung nicht bindend und die USA werden im UN-Sicherheitsrat mit Sicherheit jeden Vorstoß in diese Richtung mit ihrem Veto vereiteln, aber die überwältigende Zustimmung zu der Resolution zeigt, dass Israel und seine Unterstützer politisch weitgehend isoliert sind.
Das Palästinensische Nationalkomitee der globalen Boykott-, Desinvestitions- und Sanktionsbewegung (BDS) erklärte:
"Jetzt liegt es an den Menschen auf der ganzen Welt, Druck auf ihre Regierungen auszuüben, damit diese ihren Worten Taten folgen lassen und die militärischen Verbindungen abbrechen, ein Energieembargo verhängen und wirksame Sanktionen gegen Israel verhängen, damit es seinen Völkermord an 2,3 Millionen Palästinensern im Gazastreifen, seine illegale militärische Besatzung und sein Apartheidregime beendet. Andernfalls würde das Völkerrecht in der Bedeutungslosigkeit verschwinden."[2]
Israel provoziert mit Terroranschlag großen Krieg im Nahen Osten
Zeitgleich zu Tagung der UN-Vollversammlung verübte Israel einen der brutalsten Terroranschläge der Geschichte. Als bei einem großflächigen israelischen Angriff am Dienstag und am Mittwoch Tausende von Pager- und Walkie-Talkie-Geräten im ganzen Libanon und sogar in Syrien in die Luft gesprengt wurden, wurden mindestens 37 Menschen, darunter zwei Kinder und ein Sanitäter, getötet, über 3.000 Menschen wurden verletzt, 300 von ihnen schweben noch in Lebensgefahr. Die Explosionen ereigneten sich unter anderem bei Beerdigungen, in Wohngebäuden und Krankenhäusern, Lebensmittelgeschäften und Friseursalons. Der Terroranschlag richtete sich wahllos gegen medizinisches Personal, Zivilisten in ihren Häusern und war nicht nur gegen die Kämpfer der Hezbollah gerichtet
Der Terroranschlag am Dienstag und Mittwoch erfolgte, nachdem Israel die Ausweitung seiner Kriegsziele angekündigt hatte. "Wir treten in eine neue Phase des Krieges ein, die uns Mut, Entschlossenheit und Ausdauer abverlangt", sagte der isarelische Kriegsmintser Yoav Gallant ("wir kämpfen gegen menschliche Tiere") in einer Rede auf einem Luftwaffenstützpunkt. Nach dem monatelangen Krieg im Gazastreifen verlagere sich der Schwerpunkt durch die Umleitung von Ressourcen und Kräften in den Norden, sagte er.
Zusammen mit dem Terror der Siedler und der israelischen Armee im Westjordanland wird auch in Gaza die Blutspur immer länger: Am Montag wurden mindestens 26 Palästinenser getötet und in der Nacht von Montag auf Dienstag wurde ein schwerer Luftangriff auf eine Gruppe von Gebäuden und Häusern im Flüchtlingslager Al Bureji geflogen. Der Zivilschutz war stundenlang im Einsatz, um das Leben vieler Bewohner zu retten, die unter den Trümmern lagen. Bis zum Abend wurden acht Leichen geborgen, darunter auch einige Minderjährige, doch gaben die Rettungskräfte an, dass bei den Bombenangriffen etwa achtzig Menschen getötet oder verletzt wurden.
Insgesamt wurden inzwischen über 41.000 Menschen im Gazastreifen von den israelischen Streitkräften getötet, darunter knapp 17.000 Kinder. Die tatsächliche Zahl der Toten infolge der Bombardierungen, der Hungerblockade, des Abschneidens von Trinkwasser, der systematischen Zerstörung der Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen, der katastrophalen hygienischen Zustände mit der Folge von Epidemien liegt weit über den vom Gesundheitsministerium in Gaza bekanntgegebenen und von der UN übernommenen Zahlen. Das medizinische Fachmagazin »The Lancet« hat eine Studie veröffentlicht, derzufolge bis zu 186.000 oder sogar mehr Todesfälle "auf den aktuellen Konflikt im Gazastreifen zurückzuführen seien". Die Toten würden demnach 7,9 Prozent der Gesamtbevölkerung in Gaza entsprechen.[3]. Neue Studien gehen davon aus, dass bis zu 20 Prozent der Bevölkerung des Gazastreifens an den Kriegsfolgen sterben werden, wenn es nicht zu einem baldigen dauerhaften Waffenstillstand und zu umfassenden Hilfslieferungen kommt.
Anmerkungen
[1] United Nations, 13.9.2024: A/ES-10/L.31/Rev.1 | Illegal Israeli actions in Occupied East Jerusalem and the rest of the Occupied Palestinian Territory
https://documents.un.org/doc/undoc/ltd/n24/266/48/pdf/n2426648.pdf
[2] https://x.com/BDSmovement/status/1836427608239542697
[3] The Lancet, 5.7.2024: Counting the dead in Gaza: difficult but essential
https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(24)01169-3/fulltext