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29.08.2024: Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes, Karim Khan, hat am Freitag (23.8.) einen 49-seitigen Schriftsatz eingereicht, in dem er die drei Richter der Vorverfahrenskammer I des IStGH auffordert, die Einwände und Verzögerungstaktiken Israels und seiner Verbündeten zurückzuweisen. Er fordert die Richter auf, dringend Haftbefehle gegen Netanyahu und Gallant auszustellen.

 

Es war eine bahnbrechende Entscheidung des Chefanklägers des obersten Rechtsorgans der Welt,als er am 20. Mai beim Richtergremium des Internationalen Strafgerichtshofes IStGH den Erlass von Haftbefehlen gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu, Verteidigungsminister Yoav Gallant und drei Hamas-Führer wegen Kriegsverbrechen beantragte. (siehe kommunisten.de, 20.5.2024: "IStGH beantragt Verhaftung von Netanjahu und Gallant wegen Kriegsverbrechen in Palästina")

Am 19. Juli erklärte der Internationale Gerichtshof IGH in Den Haag Israels 57-jährige Besatzung und koloniale Besiedlung der palästinensischen Gebiete als rechtswidrig. Israel muss sich "so schnell wie möglich" aus den besetzten Gebieten zurückziehen und die UN-Mitgliedsstaaten müssen Israel für seine unrechtmäßigen Handlungen zur Rechenschaft ziehen, erklärte der IGH in einer nicht bindenden Abstimmung mit 12:3 Stimmen. (siehe kommunisten.de, 23.7.2024: "Internationaler Gerichtshof: Israel ist ein Apartheidstaat")

Bereits am 26. Januar 2024 hat der Internationale Gerichtshof eine vorläufige Entscheidung in der von Südafrika gegen Israel angestrengten Völkermordklage gefällt. Das Gericht hält den Vorwurf des Völkermordes für "plausibel" und verhängte vorsorgliche Maßnahmen gegen Israel, um den Völkermord zu vermeiden.

Doch mit Unterstützung der USA, Deutschlands und anderer Verbündeter kann sich Israel über den Internationalen Gerichtshof hinweg setzen, seinen Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser:innen fortführen und sogar auf das völkerrechtswidrig besetzte Westjordanland ausdehnen.

Folgenreicher und schwieriger zu umgehen würde es sein, falls der Internationale Strafgerichtshof IStGH einen Haftbefehl gegen Netanjahu und Gallant erlässt.

Aber die Entscheidung der Richter des IStGH zieht sich in. Beobachter des IStGH hatten in den Wochen nach Khans Antrag am 20. Mai erwartet, dass die Vorverfahrenskammer I des IStGH Khans Antrag genehmigen und kurz darauf die Haftbefehle ausgestellt würde.

Doch dann geriet der Prozess ins Stocken.

Normalerweise entscheiden die Richter alleine, doch in diesem Fall haben sie das Verfahren für dutzende externe Beteiligungen geöffnet. Eine Reihe von Ländern, u.a. Deutschland, sprangen Israel zur Seite, Menschenrechtsorganisationen vertreten die Sache Palästinas.

Da sie den Inhalt der Schriftsätze der anderen Parteien nicht kannten, wurde die Büchse der Pandora mit rechtlichen und politischen Argumenten weit geöffnet, so dass das Verfahren, das eigentlich schnell und unkompliziert hätte verlaufen sollen, alles andere als einfach ist.

So argumentiert die vom grünen Außenministerium beauftragte Juristin, man müsse das Ende des Krieges abwarten und Israel mehr Zeit geben, um selbst gegen mutmaßliche Kriegsverbrechen ermitteln zu können. (siehe kommunisten.de, 12.8.2024: "Deutschland blockiert Haftbefehl gegen Netanjahu & Co und verschafft Israel Zeit für den Völkermord")

Die drei Richter - ein rumänischer, ein beninischer und ein französischer - sind nun dabei, einen Stapel von 10-seitigen Schriftsätzen zu sichten. Etwa die Hälfte davon fordert die Kammer auf, Khans Antrag auf Haftbefehl zu genehmigen, während die andere Hälfte dafür plädiert, den Antrag abzulehnen oder aufzuschieben.

Jetzt ist Kahn angesichts des fortschreitenden Völkermordes der Kragen geplatzt.

Khan: Verhaftung von Netanjahu notwendig, um Fortsetzung der Verbrechen zu verhindern

In seiner "konsolidierten Antwort" [1] auf den Stapel von Amicus-Schriftsätzen, die sich gegen die Genehmigung der Haftbefehle durch die Richter der Vorverfahrenskammer des IStGH (ICC Pre-Trial Chamber I, abgekürzt PTC) richten, deutet Khan an, dass er die Anklage wegen Völkermordes im Sinn hat.

"Israel hat der palästinensischen Bevölkerung Dinge vorenthalten, die für ihr Überleben unentbehrlich sind", so Khan in seinem 49-seitigen Schriftsatz, der der Kammer am vergangenen Freitag vorgelegt wurde.

Argumente, dass die Strafverfolgung der israelischen Führer durch das Abkommen von Oslo eingeschränkt sei - dass die Abkommen das Römische Statut übertrumpfen -, sollten summarisch zurückgewiesen werden, so Khan gegenüber dem Richtergremium.

Seine Kommentare zum Komplementaritätsprinzip - dass Israel die Möglichkeit erhalten sollte, seine eigenen Spitzenpolitiker strafrechtlich zu verfolgen, bevor Haftbefehle ausgestellt werden (das Hauptargument Deutschlands) - sind bissig.

„Es gibt keine Informationen, die darauf hindeuten, dass [Benjamin Netanjahu und Yoav Gallant] strafrechtlich untersucht oder verfolgt werden, und in der Tat wurden die Hauptvorwürfe gegen sie von den israelischen Behörden einfach zurückgewiesen“, äußert Khan gegenüber der Kammer.

 

"Jede ungerechtfertigte Verzögerung dieser Verfahren untergräbt die Rechte der Opfer"
Karim Khan, Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes

"Die Situation in der palästinensischen Autonomiebehörde, einschließlich des Gazastreifens, ist katastrophal, was zu einem großen Teil auf die anhaltende Kriminalität zurückzuführen ist, die in den Anträgen [auf Haftbefehl] beschrieben wird“, so Khan.

Unter Berufung auf eine Schlüsselbestimmung des Römischen Statuts rät Khan dem Gremium aus drei Richtern, dass "die Verhaftung der in den Anträgen genannten Personen notwendig erscheint, um sie daran zu hindern, die Begehung dieses Verbrechens oder eines damit zusammenhängenden Verbrechens, das in die Zuständigkeit des Gerichtshofs fällt, fortzusetzen".

"Jede ungerechtfertigte Verzögerung dieser Verfahren untergräbt die Rechte der Opfer", erinnerte der Staatsanwalt nach zehn Monaten ununterbrochener Bombardierungen des Gazastreifens durch die israelische Armee.

Inzwischen wurden 40.602 durch israelische Bombenangriffe namentlich benannte Tote gezählt; darunter sind knapp 17.000 Kinder – 2,6 Prozent aller Kinder in Gaza sind inzwischen bei Angriffen der israelischen Armee ums Leben gekommen.

"Wir haben gesagt, dass dies ein Krieg gegen Kinder ist. Aber diese Wahrheit scheint nicht durchzudringen", warnte der stellvertretende UNICEF-Direktor Ted Chaiban. "Das wenige Essen, das zur Verfügung steht, entspricht nicht den besonderen Ernährungsbedürfnissen von Kindern. Die Folge ist, dass Tausende von Kindern unterernährt und krank sind."

Die tatsächliche Zahl der Toten infolge der Bombardierungen, der Hungerblockade, des Abschneidens von Trinkwasser, der systematischen Zerstörung der Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen, der katastrophalen hygienischen Zustände mit der Folge von Epidemien liegt weit über den vom Gesundheitsministerium in Gaza bekanntgegebenen und von der UN übernommenen Zahlen.

Das medizinische Fachmagazin »The Lancet« hat eine Studie veröffentlicht, derzufolge bis zu 186.000 oder sogar mehr Todesfälle "auf den aktuellen Konflikt im Gazastreifen zurückzuführen seien". Die Toten würden demnach 7,9 Prozent der Gesamtbevölkerung in Gaza entsprechen.[2]

Karim Khan zitierte auch den Internationalen Gerichtshof (IGH) und dessen Gutachten vom 19. Juli, das die "fortgesetzte Präsenz Israels im besetzten palästinensischen Gebiet" als unrechtmäßig ansieht . In seinem Schriftsatz weist der Staatsanwalt darauf hin, dass "Israel seine Siedlungen unter Verletzung des Völkerrechts errichtet, aufrechterhalten und ausgeweitet hat".

Weitere Haftbefehle in Vorbereitung

Wenn das 3-Richter-Gremium Khans Haftbefehlsantrag genehmigt, wird er in einer guten Position sein, um den Einsatz zu erhöhen.

Laut einem von Ankläger Khan einberufenen "Expertengremium" - einer von ihnen ein ehemaliger IStGH-Richter, ein anderer der ehemalige Präsident des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien - werden "weitere Verbrechen untersucht und es wird erwartet, dass sie in Zukunft zu weiteren Anträgen [auf Haftbefehle] führen werden".[3]

Khan hat höchstwahrscheinlich weitere Anklagen gegen Netanjahu und Gallant erhoben: Israels koloniale Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten - ein Kriegsverbrechen nach dem Römischen Statut.

Was weitere israelische Personen betrifft, die verhaftet werden sollen, so dürften die Anträge gegen Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir in Karim Khans oberster Schublade liegen, bereit, dem Richtergremium des IStGH vorgelegt zu werden, sobald die Haftbefehle gegen Netanyahu und Gallant unterschrieben sind.

Im Gegensatz zum Gutachten des IGH über die Rechtswidrigkeit der israelischen Besatzung (das die UN-Mitgliedsstaaten nach Belieben annehmen oder ablehnen können), oder den vom IGH gegen Israel verhängten vorsorglichen Maßnahmen, die nur durch einen Beschluss des UN-Sicherheitsrates mit Sanktionen gegen Israel durchgesetzt werden könnten, können die Haftbefehle gegen Israels Spitzenpolitiker, die vom weltweit wichtigsten Strafgerichtshof erlassen werden, von Israels Verbündeten unmöglich ignoriert werden.

"Die unverhältnismäßige Verzögerung, die die ICC-Vorverfahrenskammer I bei der Ausstellung der Haftbefehle gegen Netanyahu und Gallant an den Tag legt, ist sowohl ungewöhnlich als auch zutiefst besorgniserregend. Frühere Enthüllungen über Drohungen und Anreize durch israelische und westliche Geheimdienste geben in Verbindung mit der Verzögerung Anlass zu ernsthafter Besorgnis. Wenn die Richter Guillou, Motoc und Alapini-Gansou ihre Aufgaben nicht ohne Furcht oder Bevorzugung wahrnehmen können, sollten sie zurücktreten oder versetzt werden. Jeder Tag Verzögerung bedeutet weitere israelische Gräueltaten und eine noch tiefer verwurzelte israelische Straflosigkeit. Richter, es ist an der Zeit."
Craig Mokhiber. Craig Mokhiber war drei Jahrzehnte lang bei den Vereinten Nationen tätig und trat am 28. Oktober als Direktor des New Yorker Büros des Hochkommissars für Menschenrechte (OHCHR) zurück. In seinem Rücktrittsschreiben bezeichnete er Israels militärische Intervention in Gaza als "Völkermord wie aus dem Lehrbuch" und warf der UNO vor, nicht zu handeln.

 

Anmerkungen

[1] https://www.icc-cpi.int/sites/default/files/CourtRecords/0902ebd180949087.pdf

[2] The Lancet, 5.7.2024: Counting the dead in Gaza: difficult but essential
https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(24)01169-3/fulltext

[3] https://www.icc-cpi.int/sites/default/files/2024-05/240520-panel-report-eng.pdf

Farkha Festival Komitee ruft zu Spenden für die Solidaritätsarbeit in Gaza auf

CfD communist solidarity dt
zum Text hier
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UNRWA Nothilfeaufruf für Gaza
Vereint in Menschlichkeit, vereint in Aktion

Mehr als 2 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Palästina-Flüchtlinge, zahlen den verheerenden Preis für die Eskalation im Gazastreifen.
Zivilisten sterben, während die Welt zusieht. Die Luftangriffe gehen weiter. Familien werden massenweise vertrieben. Lebensrettende Hilfsgüter gehen zur Neige. Der Zugang für humanitäre Hilfe wird nach wie vor verweigert.
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Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

Spenden: https://donate.unrwa.org/gaza/~my-donation


 

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