München

MUC 2021 05 17 021.05.2021: Seit heute Nacht schweigen die Waffen in Israel und Palästina. Israels Premier Netanyahu hat endlich einem Waffenstillstand zugestimmt. Auch in München wurde für eine sofortige Waffenruhe demonstriert. Münchener Friedensbündnis, Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe, Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost und DKP, unterstützt von anderen linken Gruppen, hatten zu einer Kundgebung auf dem Rotkreuz-Platz aufgerufen, denn dort wo die Linke schweigt und nicht für Frieden und gegen die israelische Besetzung demonstriert, wird diese Lücke von nationalistischen, antisemitischen, ultrarechten Kräften gefüllt.

 

Elfi Padovan vom Münchner Friedensbündnis kritisierte, dass die öffentliche Aufmerksamkeit immer erst beginne, wenn die Raketen der Hamas einschlagen. "Als Münchner Friedensbündnis fordern wir die sofortige Beendigung der Gewaltspirale im Nahen Osten. Es genügt nicht, die Völkerrechtswidrigkeit der Raketen der Hamas zu kritisieren, wenn nicht gleichzeitig Israels erneute Pläne, Häuser in Ostjerusalem zu enteignen und ihre palästinensischen Bewohnerinnen und Bewohner zu vertreiben, als Kriegsverbrechen verurteilt werden. In Besatzungsgebieten gilt das humanitäre Völkerrecht: die Genfer Konventionen verbieten Enteignungen im Besatzungsgebiet ebenso wie die Ansiedlung eigener Staatsangehöriger. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International wiesen auf die brutale Unterdrückung der Palästinenser in Ost-Jerusalem hin - die Bundesregierung schwieg."

MUC 2021 05 17 2

"Nur mit Herzen aus Stein bringt man es fertig, ungerührt zuzusehen! Es leben doch unschuldige Kinder auf beiden Seiten, die wieder ein lebenslanges Trauma erleiden. Man kann jetzt weiter nach dem Schuldigen suchen - endlos und heillos - aber da wird man niemals eine Einigung erzielen. Zwei Völker, zwei Narrative, beide Semiten - das hilft aber nicht weiter."

Auch jetzt trage die deutsche Regierung mit ihrer Einseitigkeit nicht zur Lösung bei: "Dass sich in diesem Krieg nicht gleich starke Gegner entgegenstehen, geht in den Aussagen deutscher Politiker unter. Auch die Unionsparteien in der Bundesregierung stellen sich unkritisch auf die Seite der israelischen Rechtsregierung und erweisen damit dem Frieden einen Bärendienst." (Rede hier)

MUC Rotkreuzpl 2021 05 17 3


MUC 2021 05 17 3Kerem Schamberger
, Aktivist der marxistischen linken und Bundestagskandidat der Linkspartei im Münchner Süden, hob in seiner Rede die Komplexität des Konflikts hervor. Als Beispiel führte er an, dass neben jüdischen auch palästinensische Zivilist*innen Opfer der Raketenangriffe der Hamas werden. Der Unterschied: Während die jüdischen Bürger*innen in Bunkern Schutz suchen könnten, sei es palästinensischen Dörfern wie Kfar Dahmash verboten, Schutzkeller zu bauen. Dort starben eine Vater mit seiner Tochter im Raketenbeschuss der Hamas. "Dieses traurige Beispiel ist Ausdruck eines Systems der systematischen Trennung und Ungleichbehandlung, das Human Rights Watch und die meisten großen israelischen NGOs zu Recht als Apartheid bezeichnen", so Kerem Schamberger.
Er verwies auf das "grundlegendes Ungleichgewicht" in diesem Konflikt." Es ist kein Krieg zwischen zwei gleichstarken Seiten. Israel verfügt über eine der modernsten Armeen der Welt. Während die Menschen in Gaza in einer Art Open Air-Gefängnis festgehalten werden, bei dem so gut wie alles von außen vom israelischen Militär kontrolliert wird. … Die Hauptverantwortung für die Eskalation trägt die israelische Regierung."

"Die Bundesregierung macht sich mit ihrer bedingungslosen militärischen und diplomatischen Unterstützung Israels an den Morden in Gaza mitschuldig"

Es sei auch die Regierung Netanyahus, die "kein Interesse an einer Beilegung des Konflikts" habe, sagte Kerem Schamberger. "Waffenstillstandsangebote wurden von ihr abgelehnt, denn sie befindet sich in einer innenpolitischen Krise. Netanjahu versucht sich mit allen Mitteln an der Macht zu halten, weil er ansonsten in den Knast kommen könnte. .. Es scheint fast so, als ob sich Hamas und Netanjahu gegenseitig brauchen, um sich jeweils an der Macht zu halten."

Schamberger forderte im Gegensatz zum Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, einen Stopp der Waffenlieferungen an Israel: "Die israelische Armee, die den Gaza-Streifen abschottet, wird übrigens auch von Deutschland hochgerüstet. Die Bundesregierung macht sich mit ihrer bedingungslosen militärischen und diplomatischen Unterstützung Israels an den Morden in Gaza mitschuldig – die deutschen Rüstungslieferungen müssen deshalb sofort eingestellt werden." (Rede hier)

MUC Rotkreuzpl 2021 05 17 1

 

 

MUC 2021 05 17 JudithBJudith Bernstein von der Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe erinnerte daran, dass die "Nakba", die palästinensische Katastrophe von 1948 als Hunderttausende Palästinenser*innen vertrieben wurden, nicht aufgehört hat. "1948 wurden die Palästinenser vertrieben und 2021 werden sie nach wie vor vertrieben. … Wer Augen im Kopf hat, konnte sehen, dass diese unhaltbare Situation eines Tages platzen wird. Aber nicht nur Israel ist an der jetzigen Explosion schuld. Auch die Amerikaner und die Europäer und vor allem Deutschland. Denn seit Jahren hat man nicht nur die Aggression Israels nicht verhindert, sondern sie sogar unterstützt."

"Die Lehre aus Auschwitz kann nur sein, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit, niemals und nirgendwo stattfinden dürfen – auch nicht in Palästina. "

Sie kritisierte die Einseitigkeit der deutschen Politik:
"Herr Schuster (Anm.: Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland) verlangt von der deutschen Regierung Solidarität mit Israel. Um welches Israel handelt es sich? Um das der Friedensgruppen in Israel – damit kann ich mich durchaus solidarisieren. Oder meint er das Israel von Netanyahu, der die Siedler hofiert und sie großgemacht hat und seit Jahren gegen die Palästinenser, nicht nur in den besetzten Gebieten, sondern auch in Israel hetzt.
Zum Nationalstaatsgesetz, das Israel zum jüdischen Staat erklärt, in dem die nicht-jüdischen Bürger auf den Sekundärstatus herabgestuft werden, habe ich keine Reaktionen von unseren Politikern vernommen. Es muss doch auch unseren Politikern klar sein, dass Netanyahu kein Interesse hat, den jetzigen Krieg zu beenden weil er sich damit erhofft, seinem Prozess zu entgehen und weiter zu regieren. Die vielen zivilen Toten in Palästina, aber auch in Israel, nimmt er dafür gern in Kauf. Ich fürchte, dass sein Kalkül aufgehen wird. …
Daher frage ich mich, welche Lehren hat man heute aus der deutschen Geschichte gezogen? Warum macht sich die deutsche Politik zum Sprachrohr der israelischen Regierung? Auschwitz ist kein Freibrief für Menschenrechtsverletzungen. Die Lehre aus Auschwitz kann nur sein, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit, niemals und nirgendwo stattfinden dürfen – auch nicht in Palästina. "

Judith Bernstein sieht aufgrund des Versagens der "Weltgemeinschaft" keine Lösung des Konflikts: "Die letzten Tage haben gezeigt, dass weder die Zwei-Staatenlösung von der unsere Politiker immer noch sprechen (wo bittschön soll der Staat Palästina entstehen?) noch die Einstaatenlösung, die von vielen favorisiert wird, möglich sind. Durch das Zögern, auf Israel Druck auszuüben, hat die sogenannte Weltgemeinschaft dazu beigetragen, dass keine Lösung in Sicht ist – eine Katastrophe für beide Völker." (Rede hier)

MUC Rotkreuzpl 2021 05 17 2

 

MUC 2021 05 17 NiritSNirit Sommerfeld sprach für die Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost e.V.. Sie wandte sich an diejenigen, "die uns Juden in Deutschland pauschal für die Aktionen Israels mitverantwortlich machen" und sagte: "Nehmt bitte zur Kenntnis, dass es in Deutschland sehr diverse jüdische Stimmen gibt!"

"Ohne gleiche Rechte für alle Menschen in Israel und Palästina kann es keinen Ausgleich, kann es keinen Frieden geben."

Nirit Sommerfeld: "Als Mitglied des Vereins Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost stehe ich auf der Seite der Unterdrückten, lehne jede Form von Gewalt ab, betrauere jedes Todesopfer und alle Verletzten und deren Familien auf beiden Seiten, und ich weiß: Wir können nur dann in Frieden und Sicherheit als Nachbarn leben, wenn wir das Problem an der Wurzel packen. So schmerzlich das ist: ohne die Anerkennung des systematischen Unrechts, das den Palästinensern seit 1947 angetan wird, ohne gleiche Rechte für alle Menschen in Israel und Palästina kann es keinen Ausgleich, kann es keinen Frieden geben."

"Deutsche Politiker machen den großen Fehler zu glauben, die deutsche Nazi-Schuld könne gesühnt werden durch blinde Loyalität dem israelischen Staat gegenüber."

Sie betonte, dass "wir lernen müssen, Ursache und Wirkung zu unterscheiden". Nur weil Israel und Palästina in den letzten Monaten nicht in den Schlagzeilen waren, würde das nicht heißen, dass es dort ruhig war. "Erst wenn Raketen aus Gaza fliegen, ist der alte, ungelöste sogenannte 'Nahostkonflikt' wieder auf den Titelseiten. Was aber hören, sehen und lesen wir in unseren Medien über die tagtägliche Diskriminierung der Palästinenser?", fragte Nirit Sommerfeld und berichtete über Erfahrungen ihres Lebens in Israel:

"Ich habe Menschen kennengelernt, die seit Jahrzehnten unter Besatzung leben, ihrer Freiheit und ihrer Menschenrechte beraubt.
Die in ihrer eigenen Heimat durch Checkpoints geschleust und nicht selten über Stunden aufgehalten oder gar nicht durchgelassen werden.
Ihr Land wird von der israelischen Armee konfisziert und von Siedlern völkerrechtswidrig bebaut.
Ihre Häuser werden von israelischen Bulldozern zerstört.
Im Gegensatz zu jüdischen Israelis bekommen sie keine Baugenehmigungen für neue Häuser.
Sie werden auch nicht für Häuser entschädigt, aus denen sie verjagt wurden.
In ihrer eigenen Stadt Jerusalem haben sie nur Aufenthaltsstatus, aber keine Staatsbürgerschaft.
Sie leben in Angst um ihr Leben und das ihrer Kinder, wenn sie nachts von schwerbewaffneten Soldatinnen und Soldaten aus ihren Betten gerissen werden; wenn ihre Kinder ohne Anklage verhaftet werden (die UN-Organisation OCHA berichtet von etwa 700 verhafteten Kindern jährlich allein in Ost-Jerusalem).
In Gaza leben 2 Mio. Menschen seit 14 Jahren unter Blockade mit zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben (was ausdrücklich von israelischer Seite so gewollt ist). Die sogenannten „israelischen Araber“, also Palästinenser, die seit 1948 innerhalb Israels leben, werden per Gesetz als Bürger zweiter Klasse diskriminiert.
Und mehrmals die Woche erreichen mich übers Internet erschütternde Nachrichten, dass wieder einmal ein palästinensischer Mensch durch israelische Gewalt getötet wurde – sei es in Gaza, in Ostjerusalem oder der Westbank, manchmal sogar innerhalb Israels. Mehrmals die Woche. Unter den Getöteten sind unbewaffnete Kinder, Jugendliche, Frauen und Männer, Menschen mit Behinderungen. Hören wir hier etwas davon? "

Sie schlussfolgert: "Die Ursache für den derzeitigen Gewaltausbruch ist die andauernde Entrechtung des palästinensischen Volkes, die mit der Vertreibung von 750.000 Palästinensern und der Zerstörung von etwa 500 Dörfern bereits Ende 1947 begann. .. Es ist die fortwährende Nakba, die fortwährende Ungerechtigkeit, für die wir Israelis die Verantwortung tragen."

"Es ist die fortwährende Nakba, die fortwährende Ungerechtigkeit, für die wir Israelis die Verantwortung tragen."

Für diese Haltung werde sie von Vielen für " eine Verräterin, für eine Nestbeschmutzerin" gehalten. "Wie soll ich hinnehmen können, dass die Palästinenserinnen und Palästinenser den Preis dafür bezahlen, dass die Europäer uns diskriminiert haben und die Nazis uns Juden vernichten wollten? Wie könnte ich als Jüdin in Deutschland leben, wenn die Deutschen ihre Schuld nicht mehrheitlich anerkannt hätten? " (Rede hier)     


Waffenruhe sofort! Schluss aller Aggressionen – für eine zivile Lösung für Israel und Palästina!

Ellfi Padovan – Münchner Friedensbündnis

Mit Entsetzen, Trauer und Wut sehen wir das erneute Blutvergießen, Terror und Zerstörung in Israel und Palästina. Als Münchner Friedensbündnis fordern wir die sofortige Beendigung der Gewaltspirale im Nahen Osten. Es genügt nicht, die Völkerrechtswidrigkeit der Raketen der Hamas zu kritisieren, wenn nicht gleichzeitig Israels erneute Pläne, Häuser in Ostjerusalem zu enteignen und ihre palästiensichen Bewohnerinnen und Bewohner zu vertreiben, als Kriegsverbrechen verurteilt werden. In Besatzungsgebieten gilt das humanitäre Völkerrecht: die Genfer Konventionen verbieten Enteignungen im Besatzungsgebiet ebenso wie die Ansiedlung eigener Staatsangehöriger. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International wiesen auf die brutale Unterdrückung der Palästinenser in Ost-Jerusalem hin - die Bundesregierung schwieg.

Jetzt trägt die Bundesregierung mit ihrer einseitige Unterstützung Israels nicht zu einer Lösung bei. Dass sich in diesem Krieg nicht gleich starke Gegner entgegenstehen, geht in den Aussagen deutscher Politiker unter. Auch die Unionsparteien in der Bundesregierung stellen sich unkritisch auf die Seite der israelischen Rechtsregierung und erweisen damit dem Frieden einen Bärendienst.

Antisemiten nutzen die Kriegspolitik der israelischen Regierung, um Hetze gegen Jüdinnen und Juden in Deutschland zu betreiben - diesen Kanaillen ist jede Gelegenheit willkommen - das ist unerträglich und aufs Schärfste zu verurteilen! Wir stimmen Medico International zu: "Solidarität mit den Opfern von Krieg und Gewalt kennt keine Ethnie oder Religion" - es gibt nur Menschen mit unverzichtbaren Menschenrechten.

Sowohl die Raketenangriffe der Hamas auf Israel ebenso wie die Vergeltungsschläge der israelischen Luftwaffe verhärten nur den Konflikt noch mehr und führen noch weiter weg von einer friedlichen Lösung. Auf beiden Seiten leidet die Zivilbevölkerung unter Krieg, Militärbesatzung, Terror und Widerstandsaktionen, traumatischen Erlebnissen und unerträglichem Alltag. In Solidarität mit den Menschen in Israel und Palästina fordern wir einen sofortigen Waffenstillstand. Es wäre eine schwere Schuld der Weltgemeinschaft, wenn sie weiter nur zusieht . Wo bleiben da die vielzitierten Werte?
Nur mit Herzen aus Stein bringt man es fertig, ungerührt zuzusehen! Es leben doch unschuldige Kinder auf beiden Seiten, die wieder ein lebenslanges Trauma erleiden. Man kann jetzt weiter nach dem Schuldigen suchen - endlos und heillos - aber da wird man niemals eine Einigung erzielen. Zwei Völker, zwei Narrative, beide Semiten - das hilft aber nicht weiter.

Die explosive Lage kann nur durch Vernunft und politische Gespräche entspannt werden, denn eins ist klar: mit Blutvergießen, Terror und sinnloser Zerstörung wird es keine friedliche Lösung des Konflikts geben, sondern erneut viele hundert Opfer unter allen im Nahen Osten lebenden Menschen ... und ein Toter ist einer zu viel!
Unter Beteiligung der UNO muss ein Weg zur Deeskalation gefunden werden . Die internationale Gemeinschaft muss die Sicherheit und die Wahrung der Menschenrechte für alle Menschen zwischen Jordan und Mittelmeer garantieren, sofort und mit Nachdruck. Was ist die Menschenrechtskonvention sonst wert, wenn nur Profit und Waffenexport den Ton angeben dürfen? Aus der dunkelsten Zeit des Faschismus in Deutschland müssen wir gelernt haben, dass wir niemals mehr wegschauen dürfen, wenn wir Unrecht sehen. Wir dürfen zu Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen nicht schweigen - und schon gar nicht Waffen dorthin exportieren.
Die politisch Verbündeten müssen deutlich machen, dass sie nicht bereit sind, eine militärische Eskalation zu unterstützen, sondern müssen sich für politische Lösungsschritte einsetzen.
Der Frieden ist das Einfache, das schwer zu machen ist. So forderte schon Friedrich Engels die Anwendung normaler Anstandsregeln auf die internationale Politik. Im Wege stehen allerdings die Interessen korrupter, machtversessener Politiker, die den Frieden fürchten, weil sich erst dann das Ausmaß ihrer Korruption und Unfähigkeit erweisen würde.

Wir fordern Frieden - Hoch die internationale Solidarität     



Zur Asymmetrie des Krieges

Kerem Schamberger

Liebe FreundInnen, liebe GenossInnen, liebe ZuhörerInnen,

wir haben uns heute versammelt, um unsere Solidarität mit den PalästinenserInnen zu zeigen, die seit Tagen wieder den brutalen Angriffen des israelischen Militärs ausgesetzt sind, die aus ihren Wohnungen und Häusern in Sheikh Jarrah in Ost-Jerusalem vertrieben werden sollen und die auch noch während des Ramadan in der Al-Aqsa Moschee mit Tränengas beschossen worden sind. Bis gestern sind fast 200 Menschen in Gaza durch die israelische Bombardierung gestorben, darunter 58 Kinder und 34 Frauen. Mehr als 42.000 Menschen mussten aufgrund der anhaltenden israelischen Luftangriffe ihre Häuser und Wohnungen verlassen und sind auf der Flucht. In der Westbank sind ebenfalls mindestens 13 Palästinenser von der israelischen Armee erschossen worden.

All diesen Menschen gilt unsere Solidarität und Mitgefühl!

Wir sind heute auch hier, um gegen Angriffe auf die israelische Zivilbevölkerung zu protestieren. Zehn Menschen sind durch den Raketenbeschuss der Hamas getötet worden. Unser Solidarität und Unterstützung gilt den linken Kräften des Friedens, die in Israel gegen die Kriegspolitik der rechten Netanjahu-Regierung und die Lynchjustiz nationalistischer Siedler auf die Straßen gehen.
Liebe FreundInnen, ich weiß, dass jede kurze Rede der Komplexität der Situation nicht gerecht wird.

Ein Beispiel dafür: Zwei der in Israel von Hamas-Raketen getöteten Menschen sind PalästinenserInnen gewesen. Sie haben in einem kleinen Dorf namens Kfar Dahmash gelebt. Ihre Namen waren Khalil Awad und seine 16-jährige Tochter Nadin. Das ist furchtbar. Manche werden sagen: seht her, wie die Hamas sogar ihre eigenen Leute umbringt.

Aber es ist komplizierter: Das 800-Seelen Dorf von Khalil und Nadin war seit Jahrzehnten vom israelischen Staat nicht anerkannt worden. Wie so viele andere palästinensisch-arabische Ansiedlungen in Israel. Erst vor drei Wochen wurde nach ewigen Auseinandersetzungen entschieden, dass das Dorf Ende des Jahres an eine der größeren Gemeinden in der Nähe angeschlossen werden und damit endlich aus dem Status des Niemandslandes heraus kommen sollte.

Und weil der israelische Staat das Dorf nicht anerkannt hatte, wurde seinen palästinensischen Bewohnern verboten Bunker und Unterstände zu bauen, die sie vor dem Raketenbeschuss geschützt hätten. Ihre Häuser durften keinen permanenten Charakter aufweisen und nicht befestigt sein, während nur wenige Kilometer entfernt ihre jüdischen Nachbarn sich in ihren Bunkern in Sicherheit bringen konnten.

Dieses traurige Beispiel ist Ausdruck eines Systems der systematischen Trennung und Ungleichbehandlung, das Human Rights Watch und die meisten großen israelischen NGOs zu Recht als Apartheid bezeichnen.

Es zeigt auch, dass es trotz der Komplexität eine grundlegendes Ungleichgewicht gibt, die nicht vergessen werden darf. Es ist kein Krieg zwischen zwei gleichstarken Seiten. Israel verfügt über eine der modernsten Armeen der Welt. Während die Menschen in Gaza in einer Art Open Air-Gefängnis festgehalten werden, bei dem so gut wie alles von außen vom israelischen Militär kontrolliert wird. Wenn ich dort geboren wäre, müsste ich mein ganzes Leben in einem Gebiet verbringen, in dem eine Autofahrt von der östlichen Grenze zu Israel bis zum Mittelmeer im Westen zehn Minuten dauert.

Die israelische Armee, die den Gaza-Streifen abschottet, wird übrigens auch von Deutschland hochgerüstet. Die Bundesregierung macht sich mit ihrer bedingungslosen militärischen und diplomatischen Unterstützung Israels an den Morden in Gaza mitschuldig – die deutschen Rüstungslieferungen müssen deshalb sofort eingestellt werden.

Die Hauptverantwortung für die Eskalation trägt die israelische Regierung. Deutsche Politiker und Medien sprechen von „militanten” Palästinensern und der „radikal-islamischen” Hamas und dem Recht auf Selbstverteidigung Israels. Die Ursachen für die Bombardierung Gazas und die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen PalästinenserInnen und jüdischen israelischen Staatsangehörigen werden meist nicht erwähnt. Es geht um die systematische Vertreibung palästinensischer Familien aus Ost-Jerusalem. Sie steht symbolisch für die Ungleichbehandlung und Ungerechtigkeit unter der diese Menschen seit Jahrzehnten zu leiden haben.

Es ist vor allem die israelische Regierung, die kein Interesse an einer Beilegung des Konflikts hat. Waffenstillstandsangebote wurden von ihr abgelehnt, denn sie befindet sich in einer innenpolitischen Krise. Netanjahu versucht sich mit allen Mitteln an der Macht zu halten, weil er ansonsten in den Knast kommen könnte.

Liebe FreundInnen, ein paar Worte zur Hamas: Auch wenn es eine Reaktion auf die Geschehnisse in Ost-Jerusalem und der Al-Aksa-Moschee war, ist klar, dass der willkürliche Raketenbeschuss durch die Hamas aufhören muss und abzulehnen ist. Auch wenn es völkerrechtlich das Recht auf bewaffneten Widerstand gibt, darf die Zivilbevölkerung auf beiden Seiten auf keinen Fall ins Visier genommen werden.

Es scheint fast so, als ob sich Hamas und Netanjahu gegenseitig brauchen, um sich jeweils an der Macht zu halten. Es ist ein strategisches Interesse der israelischen Rechten die Hamas nicht zu stürzen, weil man ansonsten keinen Grund mehr hätte den für Israel so komfortablen Status quo aufrechtzuerhalten und in Verhandlungen treten müsste.

Netanjahu sagte im März 2019 Zitat: "Wer die Gründung eines palästinensischen Staates verhindern will, muss die Stärkung der Hamas unterstützen. Das ist Teil unserer Strategie - eine klare Trennung zwischen den Palästinensern in Gaza und denen im Westjordanland zu schaffen"

Und der mittlerweile verrentete General der israelischen Armee, Gershon Hacohen, sagte im Mai 2019: "Wir sollten nicht an einen Punkt kommen, an dem wir die Hamas besiegen und dann in die Falle einer Zweistaatenlösung tappen".

Und auf der anderen Seite versucht sich die reaktionäre Hamas mit dem Raketenbeschuss Israels als einzige Kraft darzustellen, die noch Widerstand leistet.

Netanjahu und die Hamas sind Zwillinge des gleichen reaktionären Nationalismus und Fundamentalismus, denen es vor allem um den eigenen Machterhalt geht.

Beide Seiten können für uns als Linke kein Bezugspunkt sein.

Unsere Solidarität gilt den fortschrittlichen Kräften auf beiden Seiten, die für Gleichberechtigung und einen gerechten Frieden auf die Straße gehen.

Anstatt ethnischer Spaltung braucht es Klassensolidarität. So wie die jüdischen Fahrer der Firma Superbus in Tiberias letzte Woche ihre palästinensischen Kollegen nachhause begleitet haben, um sie vor Angriffen von rechten jüdischen Nationalisten zu schützen.Klassensolidarität ist auch, wenn italienische Hafenarbeiterinnen und Hafenarbeiter in Livorno sich weigern ein Schiff zu beladen, weil es Waffen nach Israel bringen soll.

An diesem Wochenende haben Tausende israelische Juden und PalästinenserInnen auf hunderten Plätzen an verschiedenen Orten Israels gegen den Krieg der Regierung protestiert und gegen die Gewalt rechter Mobs, die Menschen auf den Straßen zusammenschlagen. Wenn wir uns in Deutschland fragen, an wessen Seite wir stehen sollen, dann ist die Antwort: genau bei diesen Protestierenden, die ein Beispiel für ein friedliches Zusammenleben sind.

Unsere Solidarität gilt neben der normalen Bevölkerung insbesondere auch den fortschrittlichen Kräften in Palästina, die nicht nur gegen die israelische Besatzung kämpfen müssen, sondern auch gegen das reaktionäre Islamverständnis von Hamas und anderen Gruppen.

Am morgigen Dienstag soll es einen palästinensischen Generalstreik gegen den Krieg geben, der auch die in Israel lebenden PalästinenserInnen umfasst. Sie halten als unterbezahlte Arbeitskräfte die israelische Wirtschaft mit am Laufen und beteiligen sich zum ersten Mal massiv an den Protesten gegen die Unterdrückung.

Unsere Solidarität gilt auch den Organisationen Palästina spricht, der Jüdischen Stimme und dem Jüdischen Antifaschistischen Bund hier in Deutschland, die in den letzten Tagen in vielen Städten große fortschrittliche Proteste gegen den Krieg, ethnische Säuberung und die israelische Besatzung organisiert haben und sich gleichzeitig klar gegen Antisemitismus und Rassismus ausgesprochen haben.

Liebe FreundInnen, all das sind Zeichen der Hoffnung in Mitten der großen Dunkelheit dieser Tage – Es lebe die internationale Solidarität!  



Schluss aller Aggressionen – für eine zivile Lösung für Israel und Palästina!


Judith Bernstein, Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe, München

Vor zwei Tagen wurde an die Nakba - die palästinensische Katastrophe von 1948 erinnert. Aber die letzten Tage haben gezeigt, dass die Nakba auch nach 73 Jahren nie aufgehört hat. 1948 wurden die Palästinenser vertrieben und 2021 werden sie nach wie vor vertrieben.

Was hat sich die israelische Regierung dabei gedacht, dass dieser Zustand ewig anhalten wird? Wer Augen im Kopf hat, konnte sehen, dass diese unhaltbare Situation eines Tages platzen wird. Aber nicht nur Israel ist an der jetzigen Explosion schuld. Auch die Amerikaner und die Europäer und vor allem Deutschland. Denn seit Jahren hat man nicht nur die Aggression Israels nicht verhindert, sondern sie sogar unterstützt.

Wie wir in den letzten Tagen gesehen haben, rächt sich jetzt auch die Apartheid – die Ungleichheit zwischen jüdischen und palästinensischen Bürgern Israels. Nicht nur in Silwan und Sheikh Jarrah werden seit Jahren Häuser für Siedler enteignet. Nach dem Abzug aus dem Gazastreifen wurden z.B. in Jaffa Palästinenser zugunsten von Siedlern aus ihren Häusern vertrieben.

In Ostjerusalem, in der Westbank, in Gaza aber auch in Israel wächst eine junge Generation von Palästinensern auf, die sich nicht mehr von Israel ihren Alltag diktieren lassen will. Es ist eine Generation, die keine Perspektive, keine Zukunft und nichts zu verlieren hat. In den sozialen Medien sehen sie, wie andere Jugendliche in der Welt leben. Was sie wollen, ist in Frieden, in Würde und gleichberechtigt leben.

Herr Schuster verlangt von der deutschen Regierung Solidarität mit Israel. Um welches Israel handelt es sich? Um das der Friedensgruppen in Israel – damit kann ich mich durchaus solidarisieren. Oder meint er das Israel von Netanyahu, der die Siedler hofiert und sie großgemacht hat und seit Jahren gegen die Palästinenser, nicht nur in den besetzten Gebieten, sondern auch in Israel hetzt. Zum Nationalstaatsgesetz, das Israel zum jüdischen Staat erklärt, in dem die nicht-jüdischen Bürger auf den Sekundärstatus herabgestuft werden, habe ich keine Reaktionen von unseren Politikern vernommen. Es muss doch auch unseren Politikern klar sein, dass Netanyahu kein Interesse hat, den jetzigen Krieg zu beenden weil er sich damit erhofft, seinem Prozess zu entgehen und weiter zu regieren. Die vielen zivilen Toten in Palästina, aber auch in Israel, nimmt er dafür gern in Kauf. Ich fürchte, dass sein Kalkül aufgehen wird.

Ich verurteile jede Form von Gewalt, auch verbale Gewalt, wie sie bei manchen Demonstrationen zum Ausdruck kam. Trotzdem frage ich mich, wieso sprechen unsere Politiker wieder einmal nur vom Antisemitismus, nicht aber von den vielen Toten in Gaza.

Auch während in Palästina die Enteignung von palästinensischem Land und Häusern für Siedler, die Inhaftierung von Palästinensern ohne Gerichtsverfahren und die kollektive Bestrafung von zwei Millionen Menschen im Gazastreifen unter Belagerung stattfinden, wird bei uns über BDS und Antisemitismus diskutiert – ohne ein Wort über die Besatzung zu verlieren.

Daher frage ich mich, welche Lehren hat man heute aus der deutschen Geschichte gezogen? Warum macht sich die deutsche Politik zum Sprachrohr der israelischen Regierung? Auschwitz ist kein Freibrief für Menschenrechtsverletzungen. Die Lehre aus Auschwitz kann nur sein, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit, niemals und nirgendwo stattfinden dürfen – auch nicht in Palästina.

Die letzten Tage haben gezeigt, dass weder die Zwei-Staatenlösung von der unsere Politiker immer noch sprechen (wo bittschön soll der Staat Palästina entstehen?) noch die Einstaatenlösung, die von vielen favorisiert wird, möglich sind. Durch das Zögern, auf Israel Druck auszuüben, hat die sogenannte Weltgemeinschaft dazu beigetragen, dass keine Lösung in Sicht ist – eine Katastrophe für beide Völker.  


"Waffenruhe sofort!“

Nirit Sommerfeld, Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost e.V.

Wundert Ihr Euch über das, was gerade zwischen Mittelmeer und Jordan passiert? Wirklich?
Ich verstehe, Ihr hört Euch die Nachrichten an und lest die Zeitung, und daher glaubt Ihr zu wissen, dass alles doch so ruhig war in Israel und Palästina in letzter Zeit.
Wie lange eigentlich? Und war es wirklich ruhig, oder hatten nur wir in Deutschland Ruhe vor den Nachrichten aus Nahost?

Wenn Ihr meint, seit dem letzten Gazakrieg gehe es friedlich zu, täuscht Ihr Euch. Nur: Das, was für palästinensische Menschen grausamer Alltag ist, ist hier bei uns kaum eine Meldung wert. Erst wenn Raketen aus Gaza fliegen, ist der alte, ungelöste sogenannte „Nahostkonflikt“ wieder auf den Titelseiten. Was aber hören, sehen und lesen wir in unseren Medien über die tagtägliche Diskriminierung der Palästinenser? Wenn wir den aktuellen Gewaltausbruch verstehen wollen, müssen wir den größeren Kontext begreifen. Das heißt unter keinen Umständen, Gewalt zu rechtfertigen oder Raketenbeschuss zu verteidigen, im Gegenteil; aber wenn wir Gewalteskalation in Zukunft verhindert sehen wollen, müssen wir lernen, Ursache und Wirkung zu unterscheiden.

Im Winter 2008/09 habe ich in Tel Aviv gelebt. Über unseren Strand flogen die Jagdbomber ins knapp 60 km entfernte Gaza – wir alle wissen, was sie dort anrichteten. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits begonnen, mich auf die andere Seite der Trennmauer zu begeben. Was ich dort im besetzten Palästina erlebt habe, hat mich zutiefst erschüttert:

Ich habe Menschen kennengelernt, die seit Jahrzehnten unter Besatzung leben, ihrer Freiheit und ihrer Menschenrechte beraubt.
Die in ihrer eigenen Heimat durch Checkpoints geschleust und nicht selten über Stunden aufgehalten oder gar nicht durchgelassen werden.
Ihr Land wird von der israelischen Armee konfisziert und von Siedlern völkerrechtswidrig bebaut.
Ihre Häuser werden von israelischen Bulldozern zerstört.
Im Gegensatz zu jüdischen Israelis bekommen sie keine Baugenehmigungen für neue Häuser.
Sie werden auch nicht für Häuser entschädigt, aus denen sie verjagt wurden.
In ihrer eigenen Stadt Jerusalem haben sie nur Aufenthaltsstatus, aber keine Staatsbürgerschaft.
Sie leben in Angst um ihr Leben und das ihrer Kinder, wenn sie nachts von schwerbewaffneten Soldatinnen und Soldaten aus ihren Betten gerissen werden; wenn ihre Kinder ohne Anklage verhaftet werden (die UN-Organisation OCHA berichtet von etwa 700 verhafteten Kindern jährlich allein in Ost-Jerusalem).

In Gaza leben 2 Mio. Menschen seit 14 Jahren unter Blockade mit zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben (was ausdrücklich von israelischer Seite so gewollt ist). Die sogenannten „israelischen Araber“, also Palästinenser, die seit 1948 innerhalb Israels leben, werden per Gesetz als Bürger zweiter Klasse diskriminiert.
Und mehrmals die Woche erreichen mich übers Internet erschütternde Nachrichten, dass wieder einmal ein palästinensischer Mensch durch israelische Gewalt getötet wurde – sei es in Gaza, in Ostjerusalem oder der Westbank, manchmal sogar innerhalb Israels. Mehrmals die Woche. Unter den Getöteten sind unbewaffnete Kinder, Jugendliche, Frauen und Männer, Menschen mit Behinderungen.

Hören wir hier etwas davon?

Werden wir tagtäglich mit diesen Katastrophenmeldungen konfrontiert? All das geschieht im Namen des israelischen Staates, dessen Bürgerin ich bin, und dessen Sicherheit angeblich Staatsräson des deutschen Staates ist, dessen Bürgerin ich auch bin. Aber es geschieht nicht in meinem Namen, das sage ich ausdrücklich als Jüdin, als Israelin und als Deutsche.

Auch jetzt beginnen die Schlagzeilen mit dem Raketenbeschuss aus Gaza. Als sei dem nichts vorausgegangen!
Oder wurdet Ihr zuvor über die friedlichen Proteste der Palästinenser und Israelis gegen die bevorstehenden Zwangsräumungen palästinensischer Familien aus Sheikh Jarrah informiert?

Was wusstet Ihr über Straßensperren und die brutale Gewalt, das totale Versagen der Jerusalemer Polizei während des Fastenmonats Ramadan?
Was wusstet Ihr über die Provokation, die von jüdischen National-Religiösen ausgeht, die alljährlich seit 1967 die „Wiedervereinigung“ Jerusalems feiern? Sie ziehen durch Jerusalems Altstadt, natürlich auch durchs arabische Viertel, feiern die Besatzung und Judaisierung Jerusalems und skandieren dabei – von Polizei und Militär geschützt – „Tod den Arabern“?

Die Ursache für den derzeitigen Gewaltausbruch ist die andauernde Entrechtung des palästinensischen Volkes, die mit der Vertreibung von 750.000 Palästinensern und der Zerstörung von etwa 500 Dörfern bereits Ende 1947 begann. Das ist das Trauma der Palästinenser, sie nennen es Nakba – Katastrophe –, und sie dauert bis zum heutigen Tage an. Es ist die fortwährende Nakba, die fortwährende Ungerechtigkeit, für die wir Israelis die Verantwortung tragen. Es fällt mir nicht leicht, dies zu sagen, denn ich denke dabei an meine Freunde und meine Familie in Israel. Viele von ihnen halten mich wegen meiner Aussagen, wegen meiner Haltung für eine Verräterin, für eine Nestbeschmutzerin. Sie versuchten schon vor Jahren mir klar zu machen, dass Geschichte nun mal nicht gerecht sei, dass wir Juden seit 2000 Jahren Verfolgte seien, dass unser Trauma, der Holocaust, die letzte Katastrophe gewesen sein MUSS, dass so etwas nie wieder geschehen dürfe – nie wieder mit uns.

Aber wie kann ich an Menschenrechte glauben, wie kann ich Humanist sein, wenn das Recht auf Frieden, Freiheit, und Selbstbestimmung nicht für alle Menschen dieser Welt gelten würde? Wie soll ich hinnehmen können, dass die Palästinenserinnen und Palästinenser den Preis dafür bezahlen, dass die Europäer uns diskriminiert haben und die Nazis uns Juden vernichten wollten? Wie könnte ich als Jüdin in Deutschland leben, wenn die Deutschen ihre Schuld nicht mehrheitlich anerkannt hätten?

Deutsche Politiker machen den großen Fehler zu glauben, die deutsche Nazi-Schuld könne gesühnt werden durch blinde Loyalität dem israelischen Staat gegenüber. Ist das der Grund, warum wir aus den deutschen Medien zu wenig erfahren über Kontext, Ursache und Wirkung der der Gewalt im Nahen Osten ? Fürchtet man sich in Deutschland davor, Juden bzw. jüdische Israelis nicht mehr ausschließlich als Opfer und Palästinenser nicht ausschließlich als Terroristen sehen zu müssen? Das wird auf Dauer nicht funktionieren. Die Wahrheit ist wie Löwenzahn: Man kann sie beschneiden und versuchen, sie auszurupfen und zu unterdrücken – sie wird ihren Weg an die Oberfläche finden, so wie der Löwenzahn Asphalt durchbricht.

Wer zu diesem Unrecht schweigt, wer es als „Konflikt“ verharmlost und wer resigniert mit den Schultern zuckt, trägt zur weiteren Eskalation dieser fortwährenden Katastrophe bei. Wir können uns nicht wohlfeil gegen Rassismus und Antisemitismus engagieren und gleichzeitig zur systematischen Unterdrückung der Palästinenserinnen und Palästinenser schweigen. Und allen, die uns Juden in Deutschland pauschal für die Aktionen Israels mitverantwortlich machen, sage ich: Nehmt bitte zur Kenntnis, dass es in Deutschland sehr diverse jüdische Stimmen gibt!

Als Mitglied des Vereins Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost stehe ich auf der Seite der Unterdrückten, lehne jede Form von Gewalt ab, betrauere jedes Todesopfer und alle Verletzten und deren Familien auf beiden Seiten, und ich weiß:

Wir können nur dann in Frieden und Sicherheit als Nachbarn leben, wenn wir das Problem an der Wurzel packen. So schmerzlich das ist: ohne die Anerkennung des systematischen Unrechts, das den Palästinensern seit 1947 angetan wird, ohne gleiche Rechte für alle Menschen in Israel und Palästina kann es keinen Ausgleich, kann es keinen Frieden geben.

James Baldwin sagte: „Nicht alles, was konfrontiert wird, kann geändert werden. Aber nichts kann geändert werden, bis es konfrontiert wird!“

Nirit Sommerfeld 2


Eine Klinik in Jerusalem: Ärzte überwinden politische Schranken     

https://www.facebook.com/watch/?v=178981066765780

 



mehr zum Thema

 

Farkha Festival Komitee ruft zu Spenden für die Solidaritätsarbeit in Gaza auf

CfD communist solidarity dt
zum Text hier
++++++++++++++++++++++++++++++++

Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
hier geht es weiter zum Text


 

 

UNRWA Gazakrieg Essenausgabe

UNRWA Nothilfeaufruf für Gaza
Vereint in Menschlichkeit, vereint in Aktion

Mehr als 2 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Palästina-Flüchtlinge, zahlen den verheerenden Preis für die Eskalation im Gazastreifen.
Zivilisten sterben, während die Welt zusieht. Die Luftangriffe gehen weiter. Familien werden massenweise vertrieben. Lebensrettende Hilfsgüter gehen zur Neige. Der Zugang für humanitäre Hilfe wird nach wie vor verweigert.
Unter diesen Umständen sind Hunderttausende von Vertriebenen in UNRWA-Schulen untergebracht. Tausende unserer humanitären Helfer sind vor Ort, um Hilfe zu leisten, aber Nahrungsmittel, Wasser und andere lebenswichtige Güter werden bald aufgebraucht sein.
Das UNRWA fordert den sofortigen Zugang zu humanitärer Hilfe und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für bedürftige Palästina-Flüchtlinge.
Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

Spenden: https://donate.unrwa.org/gaza/~my-donation


 

EL Star 150