18.02.2019: Die diesjährige Münchner Sicherheitskonferenz stand etwas im Schatten des Außenministertreffens in Warschau. Wenige Tage vor dem Münchner Treffen hatten die USA und Polen zu einem Anti-Iran-Gipfel geladen und unter anderem die Saudis und Israelis an einen Tisch gebracht.
US-Vizepräsident Mike Pence machte bei seinem Auftritt am Mittwoch vergangener Woche (14.2.) in Warschau vor den Vertreter*innen von 65 Regierungen unmissverständlich klar, warum diese Konferenz überhaupt einberufen wurde: "Die Zeit ist für unsere europäischen Partner gekommen, sich aus dem Atomabkommen mit dem Iran zurückzuziehen und sich uns anzuschließen." Zusammen wolle man Druck auf den Iran ausüben, fügte er hinzu, "um dem iranischen Volk, der Region und der Welt Frieden, Sicherheit und Freiheit zu bringen, wie sie es verdienen". Dem Regime in Teheran warf er vor, einen "neuen Holocaust" zu planen. Pence sprach vom Iran als "größter Bedrohung" des Nahen Ostens.
US-Außenminister Mike Pompeo warf dem Land vor, "einen Mord-Feldzug in ganz Europa" durchzuführen. Rudy Giuliani, ehemaliger Bürgermeister von New York City, der jetzt als persönlicher Anwalt von Präsident Donald Trump tätig ist, sagte: "Die theokratische Diktatur in Teheran muss enden, und zwar schnell."
US-Sicherheitsberater John Bolton hat erst kürzlich wieder behauptet, dass der Iran nach Atomwaffen strebe. Die Geheimdienste sagen das Gegenteil und Bolton weiß es. Aber so werden Voraussetzungen für einen Krieg geschaffen.
https://twitter.com/WhiteHouse/status/1095060986787258368
Die Rhetorik erinnert stark an die Zeit von US-Präsident George W. Bush und Außenminister Colin Powell, als diese den Krieg gegen den Irak planten. Mit der Lüge, der Irak sei im Besitz von Massenvernichtungswaffen, versuchten sie, die Zustimmung des UN-Sicherheitsrates und der Weltöffentlichkeit für ihren völkerrechtswidrigen Krieg zu erhalten.
Außenminister Pompeo verband die Reise zum Gipfel nach Warschau gleich mit Besuchen in Ungarn und der Slowakei, auf die Münchner Sicherheitskonferenz verzichtet er dagegen. Sein Ziel hat er in Warschau erreicht. Er brachte die arabischen Gegner des Iran mit der israelischen Regierung an einen Tisch.
Israels Premierminister Benjamin Netanyahu will einen Krieg gegen den Iran. Im Alleingang ist das zu riskant, denn der Iran droht im Falle eines Angriffs mit einem verheerenden Gegenschlag auf Tel Aviv und Haifa.
In Warschau sprach jetzt Netanjahu von einem "historischen Wendepunkt". Zusammen mit Regierungsvertretern arabischer Staaten, zu denen Israel z.T. nicht einmal diplomatische Beziehungen unterhält, war sich Netanyahu einig, dass gegen die Gefahr aus dem Iran kooperiert werden müsse. Gemeinsam habe man mit "ungewöhnlichem Nachdruck, Klarheit und Einigkeit über die gemeinsame Bedrohung durch das iranische Regime" gesprochen, sagte er. Dies markiere eine wichtige Veränderung, so der israelische Premier.
Vor allem die Achse mit Saudi-Arabien hat es Netanyahu angetan. Saudi-Arabien ringt mit Teheran um Einfluss und liefert sich im Jemen einen Stellvertreterkrieg mit vom Iran unterstützten Milizen. In Syrien unterstützt Teheran Machthaber Baschar al-Assad, während Riad sunnitische Kämpfer finanziert.
Im Mittleren Osten ist ein furchterregender Rüstungswettlauf im Gange. Die Türkei will zur Regionalmacht werden, rüstet massiv auf und besetzt Teile Syriens. Die USA und Europa liefern die modernsten Waffensystemen an Saudi-Arabien, die Emirate und Israel. Allein 2018 haben die Staaten am Persischen Golf 100 Milliarden Dollar für Rüstungskäufe ausgegeben. Israel ist im Besitz von Atomwaffen und hat nach eigenen Angaben mehr als 300 Angriffe gegen Syrien geflogen. Völkerrechtswidrige Angriffe.
"... das gemeinsame Interesse am Krieg mit dem Iran zu fördern"
In einem Video, das auf dem offiziellen Twitter-Feed des Premierministers veröffentlicht wurde, bezeichnete Netanyahu ein Treffen mit dem Außenminister des Oman als "ausgezeichnet" und ein Treffen mit dem Schwerpunkt "zusätzliche Schritte, die wir gemeinsam mit den Ländern der Region unternehmen können, um gemeinsame Interessen zu vertreten". Nach der englischen Übersetzung der von seinem Büro vorbereiteten hebräischen Äußerungen von Netanyahu fügte der Premierminister dann hinzu, dass man sich mit den Arabern zusammensetze, um den Krieg gegen den Iran vorzubereiten.
"Wichtig an diesem Treffen - und es ist nicht geheim, weil es viele davon gibt - ist, dass es sich um ein offenes Treffen mit Vertretern führender arabischer Länder handelt, die sich mit Israel zusammensetzen, um das gemeinsame Interesse am Krieg mit dem Iran zu fördern".
offizielles, später gelöschtes Video
Nachdem diese Äußerung Irritation bei den westlichen Verbündeten auslöste, löschte sein Büro das Video mit Untertiteln wieder und ersetzte in der geänderten englischen Übersetzung das Wort "Krieg" durch "Bekämpfung". Angeblich ein Übersetzungsfehler. Doch im gelöschten Video verwendet Netanyahu das hebräische Wort "milchama". Das bedeutet klipp und klar "Krieg".
"Netanyahu hatte gesagt, was er sagen wollte: auf Hebräisch, in die Ohren seiner Anhänger, die auf so etwas stehen. Das war die Hauptsache. Ob er tatsächlich Krieg gegen Iran will und gegebenenfalls wann, das ist eine vollkommen andere Frage, die Israels Regierungschef stets bewusst offenlässt", kommentiert die Neue Zürcher Zeitung.
Auf jeden Fall steigen die Spannungen in diesem Pulverfass Mittlerer Osten. Der Iran kann damit seine eigene Hochrüstung legitimieren. Das theokratische Regime beging den 40. Jahrestag der Iranischen Revolution mit einer großen Militärparade und kündigte an, sein Raketenprogramm weiter auszubauen.