These 1
Die Bundesregierungen - unabhängig von den jeweiligen parteipolitischen Koalitionen - haben Deutschland im Interesse der in Deutschland produzierenden, exportorientierten Konzerne zum exportfähigsten industriellen Standort der Welt gemacht. Von Deutschland aus wurden die europäischen Nachbarn von einer Exportwalze überrollt. Ein schwacher Binnenmarkt aufgrund niedriger Löhne und sinkender staatlicher Investitionen ist integraler Bestandteil dieser Strategie. Die Arbeiterklasse bezahlt mit sinkenden Reallöhnen, längeren und flexibleren Arbeitszeiten, flexiblen und prekären Beschäftigungsverhältnissen, Sozialabbau, Vernichtung von Arbeitsplätzen und Verarmungsprozessen.
Die Förderung des Finanzsektors und die Deregulierung der Finanzmärkte durch die Bundesregierungen haben zu einer sehr weitreichenden Verflechtung der Banken und anderen Finanzinstitutionen in Deutschland mit dem US-Finanzsystem geführt. Auf diese Weise haben die deutschen Banken erhebliche Bestände an riskanten US-Papieren aufgebaut.
Deshalb treffen sowohl die Finanzkrise wie auch die Weltwirtschaftskrise den "Exportweltmeister" Deutschland besonders hart.
These 2
Die Rettungsprogramme für die Banken führen zu einer explodierenden Staatsverschuldung. Mit der noch von der CDU/CSU/SPD-Regierung ins Grundgesetz aufgenommenen „Schuldenbremse“ werden bereits jetzt die Zwangsmittel vorbereitet, um die Staatsverschuldung wieder zu reduzieren; durch Sozialabbau, höhere Steuern, Streichung von Arbeitsplätzen etc. („Agenda 2020“) zu Lasten der Mehrheit der Bevölkerung.
In allen Bereichen der Wirtschaft - nicht nur den exportorientierten Sektoren - werden Arbeitsplätze vernichtet, um die Profitabilität des Kapitals zu erhöhen. Das höchste Risiko der Arbeitslosigkeit tragen die LeiharbeiterInnen, Jugendliche und Frauen. Entgegen der weit verbreiteten Annahme vom vermeintlichen restriktiven Kündigungsschutz in Deutschland sind die Fluktuation und das Entlassungsrisiko äußerst groß, jede/r neunte sozialversicherte Beschäftigte hat seit Ausbruch der Krise im September 2008 bis September 2009 den Job verloren. Durch Hartz IV ist Arbeitslosigkeit mit hohem Verarmungsrisiko verbunden.
These 3
Inmitten der tiefsten Krise des neoliberalen Kapitalismus und obwohl die neoliberale Ideologie diskreditiert ist, haben CDU/CSU und FDP bei der Bundestagswahl 2009 die Mehrheit der abgegebenen Wählerstimmen erreicht. Sie bilden jetzt die Regierung und organisieren für den neoliberalen Block die Krisenbewältigung und die Restrukturierung des Kapitalismus. Die neue Regierungsmehrheit aus Union und FDP ist ein Minderheitsregime (nur 35 Prozent der Wahlberechtigten haben die Regierungskoalition gewählt), das für die repräsentativen, parlamentarischen Demokratien immer typischer wird.
Ihre relative Mehrheit gründet sich auf die Enttäuschung über die neoliberale Politik der SPD, der Wirkungslosigkeit von Aktionen und Demonstrationen, den Eindruck der vermeintlichen Alternativlosigkeit zum herrschenden System und der Schwäche der politischen Linken. Die sozialen Schichten, die der Krise am meisten ausgesetzt sind, erkennen in Wahlen - und in der Politik insgesamt, einschließlich der Politik der Linken - kein geeignetes Instrument mehr, um ihre Lebenssituation zu verbessern.
Die wird verstärkt durch die manipulative Kraft der Medien, die sich weitgehend im monopolistischen Privatbesitz befinden bzw. unter Kontrolle der neoliberalen Eliten stehen.
These 4
Das Wahlergebnis für die Partei DIE LINKE, die Ergebnisse der Befragung der IG Metall, Proteste gegen die Abwälzung der Krisenlasten drücken progressive Veränderungen im Massenbewusstsein aus.
Mit den Erfahrungen der Krise ist der aktive Konsens zur neoliberalen Politik weiter zurückgegangen. An die Stelle der schwindenden aktiven Zustimmung treten bei Beschäftigten wie Arbeitslosen Angst und Ohnmachtgefühle, die als die entscheidenden Mittel fungieren, mit denen der Neoliberalismus Zustimmung oder zumindest passives Stillhalten erzwingt. Gerade in der Krise erzwingt die Lebenspraxis im Neoliberalismus, einen großen Teil psychischer und intellektueller Energie auf die Existenzsicherung zu konzentriert. Die Probleme werden verdrängt, weil die gegenwärtigen Zustände als unüberwindbar erscheinen. Diese Haltung wird durch Maßnahmen des herrschenden Blocks genährt: Mit Mitteln wie der Abwrackprämie und dem Kurzarbeitergeld organisiert er über den Staat die Zustimmung zu seinen „Krisenbewältigungsstrategien“.
Zwar ist der Neoliberalismus auf dem Feld der Politik und der Wirtschaft delegitimiert, dies gilt jedoch nicht für neoliberale Wertorientierungen und die neoliberale Lebensweise. Neoliberales Denken und Handeln wirkt im täglichen Leben fort. Die Menschen sind zur Sicherung ihrer materiellen Existenz gezwungen, neoliberale Verhaltensweisen zu praktizieren. Dadurch besteht auch die Möglichkeit einer Wende nach rechts im Massenbewusstsein.
These 5
70 Prozent der Deutschen sind gegen den Afghanistankrieg, 73 Prozent sehen die Schuld an der Krise im kapitalistischen Wirtschaftssystem, die große Mehrheit der Bevölkerung lehnt die „Agenda 2010“ und mit ihr Hartz IV und „Rente mit 67“ ab, hält die kapitalistische System für ungerecht und ein großer Teil sieht in Wahlen keine Möglichkeit mehr, auf die politische Gestaltung Einfluss zu nehmen. Trotzdem halten alle Bundestagsparteien - mit Ausnahme der Partei DIE LINKE - an dieser Politik fest, für die sie keine Mehrheit in der Bevölkerung haben. Dort wo Regierungskoalitionen ohne CDU und FDP möglich wären (Saarland, Thüringen), wird der Wählerwille und der Wunsch nach einem Politikwechsel missachtet.
Immer mehr Menschen fühlen sich von den Parteien und vom Parlament nicht mehr repräsentiert. Wahlenthaltung und Resignation nehmen zu.
Dies alles aber bleibt weitgehend ohne machtpolitische Relevanz, solange diese Positionen nicht in ein gemeinsames politisches Projekt von Gewerkschaften, neuer sozialer, kapitalismuskritischer, anti-neoliberaler Kräfte einmündet, in dem sich die Kräfte einer gesellschaftlichen Veränderung herausbilden können.
Wenn dies nicht erfolgt, dann bilden Resignation und politische Frustration den Boden, auf dem die extreme Rechte und rechtspopulistische Kräfte gedeihen können.
These 6
Drastischer Mitglieder- und Wählerverlust und rückläufiger Einfluss in den Gewerkschaften waren die Folge der neoliberalen Politik der SPD. In der SPD ist ein heftiger Streit über die künftige Orientierung der Partei im Gange. Mit einer neuen Führung will sie Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, ohne mit der Vergangenheit zu brechen und ihre Regierungspolitik einer grundsätzlichen Kritik zu unterziehen. Auch wenn sie auf diese Weise ihr Hauptproblem, die mangelnde Glaubwürdigkeit, nicht beheben kann, so wird doch der Einfluss in den Gewerkschaften wieder zunehmen. Ob die SPD überhaupt noch in der Lage ist, sich aus ihrer neoliberalen Politik zu lösen, ist offen. Jedenfalls werden SozialdemokratInnen wieder stärker in den sozialen und politischen Auseinandersetzungen wahrzunehmen sein.
Vor diesem Hintergrund gewinnt die Aktionseinheit mit Mitgliedern und Anhängern der SPD wieder größere Bedeutung.
These 7
Die Partei DIE LINKE hat sich im Parteiensystem als linke, oppositionelle Kraft etabliert. Sie ist ein großer Gewinn für die demokratischen und linken Kräfte in diesem Land, weil sie oppositionelles, sozialistisches, linkssozialistisches Potential formieren kann, Hoffnungen auf die Veränderbarkeit der gesellschaftlichen Verhältnisse hervorruft und damit auf der Linken politisch mobilisieren kann.
Gleichzeitig wächst mit ihren Erfolgen die Gefahr, durch Einbindung in das parlamentarische System und in Regierungsverantwortungen ihren Charakter zu verändern und zu einer eindeutig systemimmanenten Oppositionspartei zu werden.
Die Linke in Deutschland ist aber größer und weitaus vielfältiger als die Partei DIE LINKE. Deshalb sind Tendenzen der Partei DIE LINKE zu einem linken Alleinvertretungsanspruch ebenso schädlich für die Sammlung der oppositionellen Kräfte wie Tendenzen zur Instrumentalisierung der Bewegungen für ihre parlamentarische Präsenz. Insgesamt ist noch offen, wohin sich DIE LINKE entwickeln wird; dies wird auch davon abhängen, wie sich die linken Kräfte außerhalb der Partei DIE LINKE entwickeln und organisieren.
These 8
Im Jahr 2009 ist Bewegung in die politische Landschaft der Bundesrepublik gekommen. Beginnend mit der Demonstration „Wir zahlen nicht für Eure Krise“ im Frühjahr bis zu den Bildungsstreiks im Herbst wurden antikapitalistische Positionen immer deutlicher formuliert. Im aktiven Teil der Bewegungen gibt es einen antikapitalistischen Konsens (IGM-Jugend: „Der Kapitalismus hat sich übernommen - Jetzt übernehmen wir“; Sozialforum in Deutschland: „Die Krise hat einen Namen. Kapitalismus“; Kasseler Friedensratschlag: „Kapitalismus, Krise und Krieg“)
Es gilt, diese Erfahrungen im Bewusstsein zu sichern und weiter zu entwickeln. Jetzt beginnt schwierigere Frage: Wo, was, wie sind die Alternativen? Dies ist ein Feld, auf dem die Mitglieder der DKP besonders herausgefordert sind und auf dem sich die DKP als Partei der sozialistischen Alternative zum Kapitalismus profilieren und entwickeln kann.
These 9
Voraussetzung für ein erfolgreicheres Antreten der DKP bei überkommunalen Wahlen - mit der Aussicht auf ein einigermaßen akzeptables Wahlergebnis - ist ein entwickelteres Massenbewusstsein im Ergebnis von sozialen Kämpfen mit zumindest ansatzweise antikapitalistischem Charakter; Kämpfe, die nicht nur defensiv, sondern zumindest ansatzweise auf gesellschaftliche Veränderungen gerichtet.
Die Ergebnisse der Europawahl wie auch der Beteiligung an der Bundestagswahl durch die DKP Berlin zeigen, dass es bei Wahlen auf Landes-, Bundes- und Europaebene unter den gegenwärtigen Bedingungen offensichtlich keinen wahlpolitisch relevanten Raum für die DKP gibt. Bei Kommunalwahlen erleben wir jedoch auch heute dort, wo Mitglieder der DKP langfristig arbeiten, wo kommunistische Persönlichkeiten für ihre Arbeit im Interesse der und mit den Bürgerinnen und Bürgern sich Anerkennung und Autorität erarbeitet haben, eine andere Situation.
Weil wir als revolutionäre Partei die strategische Achse für den Aufbau von Gegenmacht und die Veränderung der Gesellschaft in der Entwicklung der außerparlamentarischen Kämpfe und der wachsenden Organisiertheit der Arbeiterklasse sehen, konzentrieren wir uns auf die Entwicklung der außerparlamentarischen Bewegungen, der Verankerung im Betrieb und in der Kommune. Damit tragen wir auch dazu bei, Grundlagen für eine erfolgreiche Beteiligung an Wahlen zu legen. Denn die Grundlage und die Voraussetzung für den Wechsel in der politischen Situation bilden die sozialen Kämpfe. Wahlen sind Elemente eines längeren Prozesses der Veränderung und der Konstruktion einer realen Alternative der Linken. Nicht umgekehrt.
Da jedoch auch Situationen vorstellbar sind, in denen es sinnvoll und möglich erscheint, diese Prozesse durch eine eigene Kandidatur - ungeachtet des zu erwartenden Ergebnisses - zu befördern, muss in jedem konkreten Fall über das Herangehen an die Wahl nach einer kollektiven Debatte entschieden werden.