Referate

Terror und Kriminalität sind Folge von Krieg und Deformation sozialer Verhältnisse

Redekonzept: Walter Listl
28.07.2016

Wir erleben derzeit eine Welle von Gewalttaten: Nizza LKW-Attacke - Axt-Attacke in Würzburg - Amoklauf München - Messerangriff in Reutlingen - Bombe bei Musikfestival in Ansbach – ein Mann erschießt einen Arzt in einer Berliner Klinik - Geiselnahme und Ermordung eines Priesters in Nordfrankreich ......

Terror und kein Ende?

Andere Terrorakte haben es nicht auf die Titelseiten der Zeitungen oder in die Nachrichten gebracht:

2015 sind 4000 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken. Im ersten Halbjahr 2016 sind es schon jetzt über 3000. Allein am vergangenen Freitag fand man am Strand von Libyen 87 Leichen, vor allem Frauen und Kinder.

Ertrunken oder muss man sagen ertränkt von vom Terror der Abschottungspolitik der EU.

Das wurde in den Zeitungen eher unter der Spalte „Was sonst noch passierte“ vermeldet.

Man sollte die Toten der Anschläge von Nizza und anderen Städten nicht aufrechnen mit den Toten im Mittelmeer oder den Opfern der NATO-Kriege.

Wichtiger ist zu untersuchen, welche Ursachen diesen Anschlägen zugrunde liegen, die derzeit die Schlagzeilen beherrschen.

Es ist schwer, schnelle und allgemein gültige Bewertungen dazu abzugeben, zu unterschiedlich sind Täter und Motive.

Zwei Zitate, die das Problem umreißen:

Arundhati Roy :
„Terror ist aus der Rippe einer Welt gemacht, die vom Imperialismus verwüstet wurde“

Peter Ustinov:
„Krieg ist der Terror der Reichen gegen die Armen
Terror ist der Krieg der Armen gegen die Reichen“.

Es geht nicht darum verbrecherische Akte zu entschuldigen, sondern ihre Ursachen zu verstehen.

Derzeit wird zwischen zwei Kategorien von Tätern unterschieden: dem „psychisch gestörten Einzeltäter“ und dem „religiös motivierten, radikal-islamischen Terroristen“.

Was steht hinter dieser Kategorisierung?

Götz Eisenberg schreibt auf Nachdenkseiten am 26.7.16: "In beiden Fällen kann die Gesellschaft, der der Täter entstammt sich von Verantwortung freisprechen und sagen: Der Mann ist wahnsinnig oder er handelt im Auftrag des IS.
Je unmittelbarer die Täter das Produkt unserer gesellschaftlichen Verhältnisse sind, desto vehementer weisen die Medien diesen Zusammenhang zurück und betrachten die Gewalt, als stamme sie von einem fremden Stern."

Albrecht Müller schreibt auf den Nachdenkseiten am 25.7.2016: "Selbstmordattentäter fallen nicht vom Himmel, sie sind auch nicht alle religiös getrieben und gesteuert. Vermutlich die wenigsten. ...
Das sind lauter einfache Erkenntnisse. Und dennoch sind diese Zusammenhänge besser zu verstehen, wenn man sich die Terroristenerzeugung konkret vorstellt:

  • Stellen Sie sich vor, Sie feiern in der Familie eine Hochzeit. Da explodiert das Geschoss einer Drohne und ihr 13-jähriger Enkel erlebt, wie seine Mutter verblutet. Da braucht es keinen religiösen Hintergrund, um diesen Enkel und gleich noch einige Personen mehr Rache schwören zu lassen.
  • Stellen Sie sich vor, Sie wären der Vater einer Familie gewesen, denen es in Kundus in Afghanistan am Nötigsten fehlte und Sie seien deshalb aufgrund der Nachricht, dass ein Tankwagen in einem Fluss hängen geblieben sei, ausgezogen, um dort zusammen mit anderen aus dem Dorf Treibstoff abzuzweigen. Und dann wären Sie und einige andere Familienväter und Brüder von den Geschossen und Bomben der von einem Deutschen herbeizitierten Flugzeuge der NATO getroffen und getötet worden. Glauben Sie ernsthaft, ihre zurückgebliebenen Dorfbewohner hätten nicht darüber nachgesonnen, wie man sich daran rächen kann? Wenigstens auf mittlere Sicht?
  • Stellen Sie sich vor, Sie wären einer der Verwandten und Freunde eines der Hunderttausenden von Opfer zwischen Libyen, Syrien, Irak und Afghanistan, Sie blieben ohne Reaktion?

Der Westen hat mit seinen Kriegen unter Federführung der USA und kräftiger Beteiligung von Frankreich, Großbritannien und anderer NATO Partner den Anstoß für Hunderttausende von Menschen gegeben, sich irgendwann für die ihnen angetane Gewalt zu rächen. Unter Hunderttausenden finden sich dann einige, die das Letzte hergeben, ihr Leben, um dieser Rache Ausdruck zu verleihen. Dazu bedarf es keiner religiösen Motive. Dazu bedarf es nicht einmal unbedingt der seelischen Erkrankung.“

In den Hintergrund geriet in den letzten Tagen etwa die Tatsache, dass Riaz A., der Axt-Mörder von Würzburg, vor kurzem einen Freund in Afghanistan gewaltsam durch die „Ungläubigen“ verloren hat. In seiner Youtube-Ansprache auf Paschto, die von Medienkanälen des IS verbreitet wurde, machte der junge Afghane außerdem deutlich, dass er Rache nehmen wolle für das Leid, was die westliche Militärbesatzung über seine Heimat gebracht habe. So blutig und verachtenswert die Tat des Jugendlichen – Medienberichten zufolge war Riaz A. siebzehn Jahre jung – gewesen ist, so steht es außer Frage, dass sie einen direkten Zusammenhang mit der katastrophalen Lage Afghanistans hat. An dieser Lage trägt Deutschland maßgeblich Mitschuld.

Der Westen, USA/Europa, hat den Terror des Krieges in viele Länder getragen; die Bundeswehr ist an all diesen Kriegen direkt oder indirekt beteiligt: In Afghanistan, Irak, Syrien, Libyen, Somalia, Sudan, Westsahara, Somalia, Liberia, Kosovo
(Siehe auch: C. Schuhler „Große Flucht“ S.36)

Millionen Menschen fielen diesen Kriegen zum Opfer.

Beispiel Syrien:
2012 schlug Russland einen Dialog zwischen Assad und der Opposition vor und keine Waffenlieferungen an die Opposition. Damals gab es bereits 7500 Kriegstote in Syrien, heute 250.ooo (400.000?), 4 Mill sind vertrieben und Millionen im Land auf der Flucht.

Laut den jüngsten UN-Zahlen wurden allein im Halbjahr 2016 in Afghanistan über 1.500 Kinder verletzt oder getötet.

Wie konnte man glauben, dass dies für die Verantwortlichen ohne Folgen bleibt?

Konnte man ernsthaft annehmen , dass der Terror nicht in die Länder zurückschlägt, von denen diese Kriege ausgingen?

Jürgen Todenhöfer: “Terroristen verstehen ihre Anschläge als berechtigte Antwort auf die aggressiv - ausbeuterische Politik der USA, die ihre Länder als amerikanische Tankstellen betrachten.“

Samuel Huntington-Kampf der Kulturen: “Der Westen hat die Welt nicht durch die Überlegenheit seiner Werte erobert, sondern durch die Überlegenheit bei der Anwendung von Gewalt.
Westler vergessen diese Tatsache oft, Nichtwestler nie“ (Zitiert nach Schuhler „Alles Charlie..“)

Das alles soll diese Terroranschläge nicht entschuldigen, es ist nur ein Versuch, sie zu erklären, ihre Ursachen klarzumachen.

Es geht darum die Ursachen zu bekämpfen:
Kriege und soziale Ungleichheit.
Deutschland muss seine Beteiligung an den NATO-Kriegen beenden und darf nicht länger Komplize dieser Kriege sein.

H. M. Enzensberger wies darauf hin dass der entfesselte Kapitalismus immer mehr „radikale Verlierer“ produziert, Menschen, die vom heiligen Markt als überzählig ausgespuckt werden und wie Fische auf dem Trockenen liegen.

Eric Hobsbawm: „Der Neoliberalismus hat eine 'Kultur des Hasses' befördert".

Stefan Lessenich (Soziologielehrstuhl der LMU München) sprach bei einer Veranstaltung des Instituts Solidarische Moderne ISM vergangene Woche in München über diese Problematik.
Seine Theorie: Krieg und Gewalt kehrt wie ein Bumerang in die Länder zurück, von denen diese Kriege und Gewalt ausgehen.

Das Produktionsmodell des Westens hat seine systemischen Folgen externalisiert, ausgelagert: Die Umweltschäden, die Drecksarbeit, Krieg und Gewalt – ausgelagert in andere Weltregionen.

Jetzt kehren die Folgen wie ein Bumerang zu uns zurück, also in die Regionen, wo sie ihren Ausgang nahmen.

Es gibt in der globalisierten Welt kein Außen und kein Innen mehr.

Die kapitalistischen Hauptmächte, verantwortlich nicht zuletzt für 500 Jahre Kolonialismus werden an die Krisen angeschlossen.

Das sind wesentliche Ursachen von Terror und Amok, die wir derzeit erleben.   

Jens Berger schreibt auf Nachdenkseiten 25.7.2016: „Es existiert ja für die wenigsten ein politisches Milieu, das die Erfahrung des Ausschlusses in eine aufklärerische Richtung bringen und in kollektive Gegenwehr transformieren könnte. So geraten die Überzähligen leicht ins Gravitationsfeld radikaler, terroristischer „Lösungen“. Sie schlagen blind auf die gesellschaftliche Fassade und versetzte Objekte ein, die ihnen der radikale Islamismus zurechtrückt. Aber auch jetzt gilt: Der Islamismus wird auf etwas längst Vorhandenes aufgepfropft, baut den Zünder in eine schon vorher vorhandene Bombe ein und macht sie scharf.

Selbst der ohnmächtige und randständige Mensch, in dessen Leben sich Niederlage an Niederlage reiht, kommt in den Genuss der Machtausübung, wenn er andere verletzt und tötet. Für kurze Zeit steht der Täter auf der anderen Seite der Angst: Endlich einmal hat nicht er Angst, sondern die anderen ängstigen sich vor ihm; er spürt seine Macht und verwandelt die Geschichte seiner Zurückweisungen und Niederlagen in einen letzten Triumph über Leben und Tod anderer. Darin liegen nicht zuletzt Lockung und Faszination der Gewalt.
Die Fähigkeiten zu Mitleid, gegenseitiger Hilfe und Solidarität verdorren, weil sie durch die gesellschaftlichen Verhältnisse keine Stützung erfahren und als Karriere-Hindernisse gelten.
Die Menschen werden systematisch aufeinander gehetzt und zerfleischen sich untereinander, statt sich gegen zunehmend unerträgliche Verhältnisse zusammenzuschließen und zu wehren.
Aggressionen häufen sich an den Rändern des Bewusstseins, der Angst- und Wahnsinnspegel steigt, eine gereizte Stimmungslage breitet sich aus. So dürfen wir uns nicht wundern, wenn Amok und Terror die kriminelle Physiognomie des neoliberalen Zeitalters prägen.“
Nicht die Radikalisierung des Islam sei in diesen Tagen das größte Problem, sondern dass sich Radikalität immer öfter islamistisch kostümiere, meint etwa der französische Politologe Olivier Roy. Die Ideologie des IS, laut Roy zurzeit das „radikalste Produkt auf dem Markt“, kommt diesen Menschen gerade recht.

So wie in der Türkei der Putsch genutzt wird, um demokratische Rechte zu beseitigen, und ein autoritäres Regime einzuführen, so werden hierzulande die Anschläge und Amokläufe genutzt, um den Einsatz der Bundeswehr im Inneren zu fordern, Asylbestimmungen zu verschärfen und die Menschen in ständiger Angst zu halten.

Der Ruf nach Ausbau der Polizei ist besonders bei denen lautstark zu vernehmen, die dafür gesorgt haben, dass bundesweit in den vergangenen Jahren 16.000 Stellen bei der Polizei abgebaut wurden (SZ, 26.7.2016, S5)

Rechte „Sicherheitspolitik“ reagiert nur mit Reaktionen auf die Symptome: Mehr Polizei, mehr Überwachung, Bundeswehr im Inneren, starker Staat, mehr Repression, Verschärfung der Asylbestimmungen, schnellere Abschiebung...

Das alles bleibt unwirksam gegen Anschläge und Amokläufe, denn es setzt nicht an den Ursachen an.

Jetzt hält man offensichtlich die Zeit für gekommen, den Einsatz der Bundeswehr im Inneren zu legitimieren.
Eine Feldjägereinheit war beim Anschlag im Münchner OEZ bereits alarmiert.
Aber: Was hätte die Bundeswehr beim Anschlag im OEZ München machen können, was nicht auch die Polizei kann?
Ganz offensichtlich geht es darum ,unter dem Terrorvorwand das Grundgesetz auszuhebeln, das den Einsatz der Bundeswehr im Inneren verbietet, außer in Fällen des Notstandes oder Naturkatastrophen.

Sicher ist:
Alle diese Anschläge werden die Diskussion um die Flüchtlingsproblematik neu entfachen.
CSU und AfD werden die Nutznießer eines Klimas der Angst sein, das systematisch befeuert wird.

Die Aufgabe der Linken ist klar zu machen:
Wenn Terror und Kriminalität die Folge von Krieg und Deformation sozialer Verhältnisse sind, dann können sie nur bekämpft werden, in dem man die Verhältnisse ändert, die Terror und Amok hervorbringen.

Farkha Festival Komitee ruft zu Spenden für die Solidaritätsarbeit in Gaza auf

CfD communist solidarity dt
zum Text hier
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UNRWA Gazakrieg Essenausgabe

UNRWA Nothilfeaufruf für Gaza
Vereint in Menschlichkeit, vereint in Aktion

Mehr als 2 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Palästina-Flüchtlinge, zahlen den verheerenden Preis für die Eskalation im Gazastreifen.
Zivilisten sterben, während die Welt zusieht. Die Luftangriffe gehen weiter. Familien werden massenweise vertrieben. Lebensrettende Hilfsgüter gehen zur Neige. Der Zugang für humanitäre Hilfe wird nach wie vor verweigert.
Unter diesen Umständen sind Hunderttausende von Vertriebenen in UNRWA-Schulen untergebracht. Tausende unserer humanitären Helfer sind vor Ort, um Hilfe zu leisten, aber Nahrungsmittel, Wasser und andere lebenswichtige Güter werden bald aufgebraucht sein.
Das UNRWA fordert den sofortigen Zugang zu humanitärer Hilfe und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für bedürftige Palästina-Flüchtlinge.
Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

Spenden: https://donate.unrwa.org/gaza/~my-donation


 

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