Linke / Wahlen in Europa

26.09.2023: "Diaspora-Grieche" Stefanos Kasselakis bei parteiinternen Wahlen mit 56,7% zum neuen Vorsitzenden von SYRIZA-Progressive Allianz gewählt ++ 135.000 Mitglieder, davon 40.000 neue Mitglieder, beteiligten sich an der Wahl ++ Schock auf der linken Seite der Partei über die Wahl von Kasselakis ++ Dimitrios Papadimoulis warnt vor Spaltung

 

Stefanos Kasselakis, ehemaliger Investmentbanker von Goldman Sachs und Außenseiter ohne jegliche Erfahrung in der griechischen Politik, hat in einem zweiten Wahlgang die parteiinternen Wahlen der linken SYRIZA-PS, der wichtigsten Oppositionspartei Griechenlands, gewonnen. Er folgt auf Alexis Tsipras, der 15 Jahre Vorsitzender der Partei war und nach der Wahlniederlage im Juni zurücktrat. (siehe kommunisten.de: Alexis Tsipras: "Wahl einer neuen Führung, bei der ich nicht kandidieren werde")

GR Stefanos KasselakisDer 35-jährige Stefanos Kasselakis - "ein Diaspora-Grieche", wie er sich selbst beschreibt - kam aus heiterem Himmel, von der anderen Seite des Atlantiks, als er im August seinen Hut in den Ring für die Wahl des neuen Vorsitzenden von SYRIZA warf und es schaffte, die ehemalige Arbeitsministerin Effi Achtsioglou zu überholen, die als erste Frau für das Amt kandidierte und bis dahin als Favoritin für den Parteivorsitz galt.

So ungewöhnlich es für eine linke Partei ist, dass ein im Ausland lebender Außenseiter für den Posten des Vorsitzenden kandidiert, so ungewöhnlich war die Form seiner Bewerbung. Nicht auf einer Parteiveranstaltung oder einer Pressekonferenz, sondern per mit Musik unterlegtem YouTube-Video und den Worten: "Mein Name ist Stefanos und ich habe euch etwas zu sagen."

Geboren in Athen, mit den Eltern in die USA ausgewandert erhielt der Sohn eines Unternehmers und einer Zahnärztin mit 14 ein Vollstipendium der Phillips Academy High School in Andover im US-Bundesstaat Massachusetts. Es folgten Uni-Abschlüsse in Pennsylvania in Finanzen und internationaler Politik. Vor den US-Präsidentschaftswahlen 2008 arbeitete er als Freiwilliger im Stab des damaligen Senators und heutigen US-Präsidenten Joe Biden. Mit 21 fand er einen Job bei Goldman Sachs wo er fünf Jahre lang als Investmentbanker arbeitete: genau zu der Zeit, als SYRIZA einen erbitterten Kampf gegen die Erpressung durch die Troika und die internationalen Banken führte. Dann wurde er Unternehmer, gründete in den Vereinigten Staaten die Reederei SwiftBulk, die er im vergangenen Jahr weiterverkaufte. Er ist erst 35 Jahre alt, hat bis vor kurzem in Miami in den USA gelebt und es als Investmentbanker und Reeder nach Angaben griechischer Medien zum Millionär gebracht.
Außerdem, im konservativen Griechenland immer noch eine Meldung, lebt Kasselakis in einer eingetragenen Partnerschaft mit einem Mann und möchte durch eine Leihmutter bald Vater werden. In seinem Vorstellungsvideo betonte Kasselakis: "Ich habe keine Gay-Agenda, ich habe eine menschliche Agenda." Ihm sei bewusst, dass er keine Parteierfahrung habe - stattdessen, sagte Kasselakis, habe er Erfahrung "im Beruf und im sozialen Leben".

Der breiten Öffentlichkeit, einschließlich der SYRIZA-Wähler:innen, war er bis dahin ziemlich unbekannt. Aber er schaffte es in weniger als einem Monat, im ganzen Land bekannt zu werden, mit einer starken Präsenz in den sozialen Medien und lokalen Reportern, die jeden seiner Schritte verfolgten.

Kassalakis ohne politisches Programm zu den Vorstandswahlen

Das linke griechische Online-Magazin Keep Talking Greece schreibt:

"Der Mann, der Griechenland mit 14 Jahren verließ und aus den USA zurückkehrte, um die Führung einer linken Partei mit langer Tradition zu übernehmen, hat nichts Politisches zu sagen. Kein Slogan, kein Verweis auf die Geschichte, keine linke Rhetorik der 'sozialen Gerechtigkeit', keine bekannten Begriffe wie 'links' oder einer sanften 'Sozialdemokratie'. ...
GR Stefanos Kasselakis 2Bilder und Videos von Kasselakis werden von morgens bis abends im Fernsehen gezeigt und auf Websites gepostet, wie eine griechische Version der Serie Polyanna. Kasselakis in den Überschwemmungsgebieten in Mittelgriechenland wo er mit großer Muskelkraft eine große Holzkelle in einem tiefen Kessel voller Eintopf in der Freiluftküche von Allos Anthropos rührt, Kasselakis im verbrannten Wald von Evros, Kasselakis hier und dort, Kasselakis beim Verlassen der ...Turnhalle.
Er beliefert die Medien mit seinen Bildern und Aufnahmen und die Medien reagieren entsprechend auf das neue "politische Produkt", das von den wirklichen Problemen der Gesellschaft ablenkt. .... Er geht umher und trifft Leute, schüttelt Hände und macht Selfies mit jedem, der darum bittet, und postet oder sagt Dinge, denen es an politischem Inhalt fehlt, an allem, was mit der Politik, den Werten und der Ethik der Linkspartei zu tun hat, der eigentlichen Nachfahrin der langen Geschichte der Linken, des kommunistischen und des euro-kommunistischen Kampfes in Griechenland, die in hohem Maße gescheitert ist, und es sieht so aus, als ob sie weiter fallen und scheitern wird. ..."[1]

Kasselakis präsentierte ein Managerprogramm, das von einer allgemeinen Idee der "Effizienz" geleitet wird, und vermied die direkte politische Konfrontation mit seinen Parteigenoss:innen. Die Kandidatur von Stefanos Kasselakis traf eine Partei, die durch die Wahlniederlage schockiert und verwundet ist. Kasselakis hatte leichtes Spiel, eine selbstgefällige Medienbühne zu erobern, mit dem völlig unpolitischen Schlachtruf "Lasst uns Griechenland in die Moderne führen".

Letztendlich gelang es dem PR-Phänomen Kasselakis, 40.000 Menschen zu mobilisieren, die sich eilig als neue Mitglieder registrieren ließen und schon in der ersten Wahlrunde am am 17. September sofort wahlberechtigt waren.

Die erste Runde entschied Kasselakis mit 45,04 % für sich, klar vor der linken ehemaligen Arbeitsministerin Effi Achtsioglou, die 36,21 % erreichte. Weit abgeschlagen mit 8,78 % der ehemalige Finanzminister und Vertreter der marxistischen Strömung Euklid Tsakalotos. Tsakalotos rief auf, im zweiten Wahlgang Effi Achtsioglou zu wählen.

"Mit Effi für die junge Generation!"

In dem Appell "Mit Effi für die junge Generation!" riefen Hunderte junge Mitglieder von SYRIZA zur Wahl von Effi Achtsioglou auf.

Sie kritisierten, dass sich die Debatte von der politischen Diskussion und dem Dialog über politische Projekte entfernt hat. "Das Echo der giftigen Scharmützel in den sozialen Medien, die unpolitische Polarisierung, die bis zur Verbreitung von Fake News geht, verdeckt die eigentliche Frage, die bei den Wahlen auf dem Spiel steht: mit welchem Programm, mit welcher Partei, mit welchem Vorsitzenden wird SYRIZA am nächsten Tag weitermachen."

In dem Aufruf wird ein politisches Programm gefordert, "das uns sagt, wie wir unser Leben verändern wollen, das uns eine Vision gibt und eine Organisation, die ihr dient."

Und weiter: "Effi Achtsioglou hat dieses umfassende Programm vorgelegt, das überzeugen und SYRIZA wieder zu einer hegemonialen Kraft machen kann. Sie hat die Erfahrung, sie hat den Plan, sie weiß, wie man am kollektiven Leben der Organisation teilnimmt, wie man zuhört und gehört wird. Sie ist eine von uns. ...

Die Kandidatin Effi Achtsioglou hat bereits ihre Vorschläge unterbreitet, und wir kennen sie aus ihrer Vergangenheit in der Partei und in der Regierung. Sie ist die Ministerin, die den beschämenden Mindestlohn für junge Menschen abgeschafft hat, die Tarifverträge wieder eingeführt hat, die gegen die Schattenwirtschaft vorgegangen ist - Maßnahmen, die dazu beigetragen haben, die Jugendarbeitslosigkeit in nur vier Jahren von 51 % auf 34 % zu senken. Über ihr Ressort hinaus hat sie aber auch die SYRIZA-Agenda zum Abbau von Ungleichheiten, zur kostenlosen Gesundheitsversorgung für alle Nichtversicherten und zur Ausweitung der Rechte von Einwanderern und der LGBTQI+-Gemeinschaft vorangetrieben, und das alles in einer Zeit, in der sie im Würgegriff der Troika war. Heute ist sie beständig dabei, die Agenda von SYRIZA zu vertiefen. In ihrem Wahlkampf sprach sie von Arbeitszeitverkürzung, öffentlicher Bildung, der Ausweitung von Arbeits- und allen Arten von Rechten, einem neuen grünen und sozialen Entwicklungsmodell.

Aber um diese Dinge zu erreichen, brauchen wir eine Partei, die bereit ist, die anstehenden Kämpfe zu führen. Eine Partei, die nicht nur alle vier Jahre aus Anhängern und Wählern besteht, sondern eine Partei, die strukturiert ist. Mit Organisationen, die wissen, wer ihre Mitglieder sind, die die Verantwortlichkeiten für jeden einzelnen aufteilen, damit Transparenz und Kontrolle möglich sind. Diese Partei wird in der Lage sein, auf der Straße, in den sozialen Bewegungen, aber auch im Parlament und in der Regierung wieder dynamisch zu sein. Auch als eine linke Regierung.

Die Kandidatur von Herrn Kasselakis hat in der Tat die Debatte innerhalb und außerhalb der Partei befeuert. Kommunikativ sehr gut organisiert, wovon wir viel lernen können. Aber wenn es um die wirklichen politischen Fragen geht, bleiben die Antworten meist aus.

Welcher Plan steckt hinter den Slogans über Korruptionsbekämpfung, Transparenz in der Justiz, Wiederaufbau des Sozialstaates? Aber wann immer er versucht hat, politische Vorschläge zu machen, hat er sich in Widersprüche verstrickt oder Positionen eingenommen, die weit von SYRIZA entfernt sind. ..."[2]

Schock auf der linken Seite der Partei

Als am Sonntag die Wahllokale schlossen, riefen viele prominente Parteimitglieder zu Einigkeit und gemeinsamer Arbeit auf, doch die Atmosphäre war angespannt.

GR Effie Achtsioglou"Heute wurde ein demokratischer Spitzenprozess für SYRIZA abgeschlossen. Die Gesellschaft schaut auf uns. Ich möchte allen danken, die zur Wahlurne gegangen sind", sagte Effi Achtsioglou in der Zentrale von SYRIZA, wo sie von Mitgliedern der Jugend und ihren Anhänger:innen unter anderem mit Slogans wie ""Kampf, Bruch, Umkehr, Geschichte wird mit Ungehorsam geschrieben" begrüßt wurde. "Morgen beginnt ein großer Kampf, um eine kämpferische und strukturelle Opposition gegen die Regierung der ND auszuüben und den Menschen dieses Landes eine Perspektive und Hoffnung zu geben", erklärte Achtsioglou. Sie sagte auch, sie habe Stefanos Kasselakis angerufen hat, um ihm zu gratulieren. "Ich wünsche ihm viel Kraft für seine neuen Aufgaben", sagte sie.

GR SYRIZA Zentrale

Viele Linke befürchten, dass die große europäische "Ausnahme", die Syriza repräsentiert - die in den vergangenen Jahren zwar regieren konnte, aber nur unter ungünstigen und ganz außergewöhnlichen Bedingungen -, am Sonntag zu Ende geht und dass Griechenland damit zur Logik des Wechsels zwischen Parteien zurückkehrt, die sich in ihren politischen Inhalten extrem ähneln.

"Kasselakis scheint die neue apolitische Linke Griechenlands zu sein, eine Linke, die sich höchstwahrscheinlich als eine Partei der linken Mitte neu definieren wird", meint das magazin Keep Talking Greece.

"Die SYRIZA-Partei, wie wir sie kannten, ist tot: Wir werden sehen, ob der Sonntag ein Sprung nach vorne oder ein Sprung ins Leere ist."
Stelios Kouloglou, SYRIZA, Mitglied des Europäischen Parlaments

Dimitrios Papadimoulis: "Wir brauchen neben der neuen Führung auch einen politischen Plan, ein Programm, Ernsthaftigkeit, Glaubwürdigkeit, eine starke und geeinte Partei"

GR Dimitrios PapadimoulisFür Dimitrios Papadimoulis, Vizepräsident des Europäischen Parlaments und Leiter der Gruppe der SYRIZA-Abgeordneten im Europäischen Parlament zeigt die Wahl, dass die Griech:innen "heute eine starke Opposition und morgen eine progressive Regierung von SYRIZA" wollen.

Er gratulierte Stefanos Kasselakis zur Wahl, wies aber gleichzeitig darauf hin, dass "wir neben der neuen Führung auch einen politischen Plan, ein Programm, Ernsthaftigkeit, Glaubwürdigkeit, eine starke und geeinte Partei brauchen".

"Stefanos Kasselakis hat klar gewonnen", so Papadimoulis, "und als Demokraten müssen wir seinen Sieg respektieren. .. Ich selbst habe für Effi Achtsioglou gestimmt, weil ich glaube, dass wir es mit ihrer Wahl besser hätten machen können, und ich unterstütze ihre geschlossene und ernsthafte Haltung nach den Wahlen."

Bei den Wähler:innen von SYRIZA und bei den Mitgliedern "herrscht eine Mischung aus Hoffnung und Angst", so Papadimoulis. "Darauf müssen wir reagieren, wir alle zusammen, ich wiederhole. An erster Stelle steht dabei die Verantwortung unseres neuen Vorsitzenden.Deshalb bin ich der Meinung, dass unser geplanter Kongress nicht aufgeschoben werden darf", sagte Papadimoulis."

Er schloss mit einer Warnung vor einer Spaltung der Partei. "Ich persönlich glaube, dass Spaltungen in der Regel mehr Probleme schaffen als sie lösen. Deshalb bin ich kategorisch gegen Spaltungsszenarien. Und das sage ich nach 50 Jahren in der sich erneuernden Linken."[3]

 

Anmerkungen:

[1] Keep Talking Greece, 21.9.2023: The phenomenon “Kasselakis”: Captain America for PM of Greece?
https://www.keeptalkinggreece.com/2023/09/21/the-phenomenon-kasselakis-captain-america-for-pm-of-greece/

[2] Με την Έφη για την νέα γενιά!
https://left.gr/news/me-tin-efi-gia-tin-nea-genia

[3] Δημ. Παπαδημούλης: Οι πολίτες θέλουν μια ισχυρή αξιωματική αντιπολίτευση σήμερα και μια προοδευτική κυβέρνηση αύριο από τον ΣΥΡΙΖΑ-ΠΣ»
https://left.gr/news/dim-papadimoylis-oi-polites-theloyn-mia-ishyri-axiomatiki-antipoliteysi-simera-kai-mia


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