22.01.2021: Vor 100 Jahren, am 21. Januar 1921 wurde in Livorno die Kommunistische Partei Italiens gegründet. Sie wurde zur größten Kommunistischen Partei im Westen. ++ Medien in der ganzen Welt würdigen diesen Jahrestag. "Ich denke, das allein sagt schon eine Menge über diese Partei aus", schreibt Luciana Castellina ++ 100 Jahre nach der Geburt der Kommunistischen Partei ist der Sozialismus aktueller denn je, meint der Ex-Vorsitzende von Rifondazione Comunista, Paolo Ferrero.
Vor 100 Jahren, am 21. Januar 1921, wurde in Livorno die Kommunistische Partei Italiens gegründet. Sie war eine zentrale Kraft im antifaschistischen Widerstandskampf der Resistenza und im Wiederaufbau Italiens als demokratischer Republik. Als ihr Generalsekretär Palmiro Togliatti im Jahr 1964 starb, stand ein Viertel der italienischen Wähler*innen hinter der "Partito Comunista Italiano" (PCI). Die Partei hatte damals fast zwei Millionen Mitglieder und und war die größte kommunistische Partei im Westen.
Unter der Führung durch Enrico Berlinguer, Generalsekretär des PCI zwischen den Jahren 1972 und 1984 und einer der innovativsten und populärsten Kommunisten der jüngeren Geschichte, kommt die PCI bei der Parlamentswahl 1976 auf 34,4 Prozent, bei der Europawahl 1984 wird sie erstmals zur stärksten Partei - vor den Christdemokraten. Die PCI war aber nicht nur eine ″Wahlpartei″, sondern sie war in der arbeitenden Klasse Italiens fest verankert, bis in die Siebziger und Achtziger Jahre hinein war der größte Teil der italienischen Intellektuellen entweder Mitglied der PCI oder stand ihr nahe: Von Cesare Pavese bis Pier Paolo Pasolini, von Natalia Ginzburg bis Luigi Nono und Andrea Camilleri, sie alle waren Kommunist*innen.
Enrico Berlinguer: 30. Todestag eines großen Kommunisten |
Nach dem Tod Berlinguers schlug die PCI einen Weg ein, der vollständig mit ihrer vorherigen Politik brach. Die krisenhafte Entwicklung in den sozialistischen Ländern, die Modernisierungswelle der kapitalistischen Produktionsweise mit ihren gesellschaftlichen Umbrüchen, auf die die Arbeiter- und kommunistische Bewegung bis heute keine adäquaten Antworten fand, zunehmender Wähler- und Einflussverlust setzen in der PCI nach Berlinguers Tod einen Prozess in Gang, in dem sie sich gänzlich vom „italienischen Weg zum Sozialismus“ und vom Erbe Gramscis und Togliattis lossagte. Im Februar 1991 wurden die Brücken zur kommunistischen Vergangenheit endgültig abgebrochen, die PCI offiziell aufgelöst und die Demokratische Partei der Linken gegründet.
Mit der Partei der Kommunistischen Wiedergründung – Partito della Rifondazione Comunista PRC - sind zwar die italienischen Kommunist*innen nicht von der politischen Bühne des Landes verschwunden, aber sie sind tief zersplittert und in ihrem Einfluss nicht mit der PCI zu vergleichen.
Mitgliedermäßig ist die Partito della Rifondazione Comunista - Sinistra Europea heute mit 53.800 beitragszahlenden Mitgliedern zwar die viertstärkste Partei Italiens – nach der Demokratischen Partei PD, der rechtsextremistischen Lega und den faschistischen Fratelli d'Italia -, aber seit der zurückliegenden Wahl sind die italienischen Kommunist*innen aus dem Parlament verschwunden.
Wir feiern den 100. Geburtstag einer Partei, die schon seit 30 Jahren tot ist.
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Zum 100. Gründungstag organisierten Rifondazione Comunista und die Europäische Linke Veranstaltungen in Livorno und Turin sowie eine Online-Konferenz. (siehe https://www.facebook.com/rifondazione.comunista)
Die Aktualität des Sozialismus 100 Jahre nach der Gründung der Kommunistischen Partei
von Paolo Ferrero
Die Russische Revolution gab in der Einfachheit ihrer Parolen - "Frieden, Land den Bauern" - eine positive Lösung für die enormen Fragen, die die Bourgeoisie geschaffen hatte - den Krieg, die Leibeigenschaft und soziale Ungleichheiten – und nicht nicht in der Lage war, sie zu lösen.
Die kommunistischen Parteien sind unter dem Anstoß der Russischen Revolution als Vorhut dieser universalistischen Bewegung entstanden, die, ausgehend von der Arbeiterklasse und den Bauern, konkret für die Befreiung aller Ausgebeuteten und perspektivisch der gesamten Menschheit handelt. Es ist eine Botschaft von sehr starkem, konkretem Universalismus, die aus der Revolution auftaucht und - wie die Parole "Macht es wie Russland" zeigt - über die traditionelle Politik hinausgeht und zu allen und jedem Ausgebeuteten spricht.
Der Kommunismus vor 100 Jahren war keine ideologische Angelegenheit, sondern " das Einfache, das schwer zu machen ist": Frieden und Land für die Bauern, Punkt. Wir müssen zu dieser Einfachheit zurückkehren. Der Kommunismus ist keine religiöse Wunschvorstellung oder die Ideologie einer Partei, sondern "die reale Bewegung, die den gegenwärtigen Zustand aufhebt", also die Suche nach der besten Lösung für die enormen Widersprüche, die die kapitalistische Produktionsweise hervorbringt.
Ein Jahrhundert nach dem Ersten Weltkrieg hat uns der Kapitalismus wieder in die Barbarei gestürzt: die Zerstörung des Planeten, die Ausbeutung der produktiven und reproduktiven Arbeit, Rassismus und Krieg, die unüberschaubaren Massen der Armen, denen die Konzentration des enormen Reichtums gegenübersteht. Der Kapitalismus hat seine Antriebskraft erschöpft und nur der Ausbruch aus der Profitlogik als Organisationsprinzip des gesellschaftlichen Lebens kann der Menschheit eine Zukunft garantieren.
Deshalb braucht die Menschheit den Sozialismus: als das Reich der Freiheit, ausgehend von der Überwindung der Ausbeutung von Arbeit und Natur. Als eine Möglichkeit für die Menschheit, das enorme Potenzial, das durch die Entwicklung von Wissenschaft und Technik gegeben ist, positiv zu nutzen. Als die Überwindung sozialer Klassen und jeder hierarchischen und festgefügten sozialen Rolle, angefangen von denen, die mit dem Geschlecht oder der Hautfarbe verbunden sind. Kommunismus als Freiheit des Einzelnen zur positiven Entfaltung seiner Persönlichkeit in einem Rahmen, in dem der Übergang aus dem Reich der Notwendigkeit durch Kooperation und Solidarität gewährleistet ist.
Das ist es, worüber wir am Donnerstag, den 21. bei der Feier der Gründung der Kommunistischen Partei Italiens sprechen werden. Im Bewusstsein der Schwierigkeiten: vom Krieg zwischen den Armen über die Allgegenwärtigkeit des Einheitsdenkens bis hin zu unserer politischen und gesellschaftlichen Schwäche. Aber in der Überzeugung, dass die Neugründung eines kommunistischen Denkens und einer kommunistischen Praxis nicht nur ein gemeinsames Gut der Menschheit darstellt, sondern die Voraussetzung, um aus der Barbarei der Ausbeutung von Mensch und Natur herauszukommen. Denn wie Seneca uns lehrte, "gibt es keinen günstigen Wind für den Seemann, der nicht weiß, wohin er will".
Freiheit, Frieden, Arbeit, soziale Gerechtigkeit, Demokratie, Umweltschutz. 100 Jahre nach der Geburt der Kommunistischen Partei, die Aktualität des Sozialismus.