Über den wichtigen Erfolg der Linken bei den Parlamentswahlen in Kroatien
08.07.2020: Am 5.Juli fand in Kroatien die Parlamentswahl statt ++ Erstmals seit den 1990er Jahren hat die Linke den Sprung ins Parlament geschafft ++ Es gibt zwei Sieger: die konservative HDZ und die links-grüne Koalition »Možemo«, schreibt Josip Jagić:
Die am 5. Juli abgehaltenen Parlamentswahlen in Kroatien liegen hinter uns. Die konservative «Kroatische Demokratische Union» (HDZ) hat die Wahlen mit 37,26% der Stimmen und insgesamt 66 Parlamentssitzen klar gewonnen. Es ist einer ihrer klarsten Siege in der kurzen Geschichte des kroatischen Parlamentarismus. Der amtierende kroatische Premierminister und Vorsitzende der HDZ, Andrej Plenković, kann sich somit aus einer komfortablen Position heraus mit der Regierungsbildung befassen. Dieser Sieg steht dabei vor allem auf den Schultern eines relativ kompetenten Umgangs mit der Covid-19-Epidemie im Frühjahr. Ein Beleg dafür ist das hervorragende Ergebnis des derzeitigen Gesundheitsministers Vili Beroš, der in seinem Wahlkreis die meisten Stimmen aller Kandidatinnen und Kandidaten einfuhr.
Der Sieg der HDZ ist aber auch das Ergebnis des Niedergangs der Sozialdemokraten (SDP) und ihrer Führung. Mit ihrer Koalitionsliste »Restart« (Neustart) erreichten sie einen Stimmenanteil von knapp unter 25%, was im neuen kroatischen Parlament für 41 Abgeordnete reichen wird. Eines der schlechtesten Ergebnisse in der Geschichte der Partei.
Die Niederlage ist umso bitterer, als Umfragen darauf hindeuteten, dass ihre Liste der relative Gewinner der Wahlen sein könnte. Stattdessen erlebte die SDP eine vernichtende Niederlage, ihr auf Korruption und Inkompetenz-Vorwürfe gegenüber der HDZ begründeter Wahlkampf endete in einem Fiasko. Ihre Zukunftsaussichten sind zudem nicht allzu rosig. Ihre Niederlage gründet sich in erster Linie auf der schlechten Führung unter ihrem seit 2016 amtierenden Parteivorsitzenden Davor Bernardić, der damals die Nachfolge des heutigen Staatspräsidenten Zoran Milanović antrat. Heute, einen Tag nach den Wahlen ist Davor Bernardić vom Parteivorsitz zurückgetreten, in den nächsten Tagen soll seine Nachfolge geklärt werden.
Drittstärkste politische Kraft nach diesen Wahlen ist die rechtspopulistische »Vaterlandsbewegung« (Domovinski pokret) unter Führung des Schlagersängers und ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Miroslav Škoro, dessen Liste sich 10,89% der Stimmen und 16 Parlamentssitze sicherte. Seine Spekulationen auf eine Regierungsbeteiligung zerplatzen, als klar wurde, dass die HDZ eine parlamentarische Mehrheit auch ohne die Hinzunahme seiner rechtsextremen Bewegung bilden kann.
Die Klerikalen um die Liste «Most» (Brücke) gewannen bei einem Stimmenanteil von knapp acht Prozent insgesamt 8 Parlamentssitze, während die sich auf mehrere Parteien verteilenden Liberalen auf insgesamt 6 Prozent und fünf Parlamentssitze kamen.
Überraschungserfolg bei der Linken
Der wahre Gewinner ist aber »Možemo!«. 24 Stunden nach der Wahl ist sich die Öffentlichkeit in Kroatien einig, dass diese Wahlen neben der HDZ auch einen zweiten Wahlgewinner hervorgebracht haben.
"Wir haben ein Wunder vollbracht. Ein Problem bleibt aber der Erfolg der Rechten."
Die sich unter dem Dach der links-grünen Koalition »Možemo« (Wir schaffen es) versammelte kroatische Linke errang knapp 7 Prozent der Stimmen und wird im neuen kroatischen Parlament mit insgesamt sieben Abgeordneten vertreten sein. Es ist das erste Mal nach der katastrophalen Niederlage der jugoslawischen Linken in den 1990er Jahren, dass die Linke in Kroatien VertreterInnen im Parlament hat. Ihr Einzug in das Parlament stellt einen Meilenstein dar.
Tomislav Tomašević, einer der prominentesten Akteure der Koalition, beschrieb den Erfolg noch in der Wahlnacht mit den Worten: "Ein bisschen unwirklich. Vor sechs Wochen haben wir entschieden, dass wir bei den vorgezogenen Wahlen antreten wollen. Wir hatten sechs Wochen Zeit, um Wahlkampf zu führen. Wir haben sechs Parteien, die Grünen und die Linken, in einer Koalition vereint. Wir haben Hunderte von Freiwilligen versammelt, die eine monumentale Arbeit geleistet haben. Vergleicht man uns mit den anderen angetretenen Parteien, so hatten wir nahezu keinerlei Ressourcen zur Verfügung. Vier der sechs Parteien in der Koalition haben nicht einmal ein Büro. Trotzdem haben wir ein Wunder vollbracht. Ein Problem bleibt aber der Erfolg der Rechten."
Zu Beginn des Wahlkampfes erhoffte sich die Linke eventuell einen Parlamentssitz und das in der Hauptstadt in Zagreb, wo ihre Infrastruktur am größten ist. Tomašević sieht dieses Ergebnis als das Ergebnis eines zehn Jahre andauernden Prozesses, in welchem Aktivistinnen und Aktivisten verschiedene Kämpfe geschlagen haben: in lokalen Gemeinden, auf der Straße und den Lokalparlamenten in Zagreb, Dubrovnik oder anderswo in Kroatien.
Die politische Landschaft in Kroatien hat sich verändert. Die links-grüne Koalition begründete ihren Wahlerfolg vor allem auch mit ihrer Fähigkeit, eine beeindruckende Aktivistinnen- und Aktivistenbasis in Zagreb zu mobilisieren. Sandra Benčić, eine weitere prominente Figur aus Možemo! und zukünftige Parlamentsabgeordnete, teilt diese Ansicht: "Die Ergebnisse übertreffen unsere Erwartungen, was zeigt, dass Kroatien wirklich eine neue linke Option brauchte, und von nun an ist klar, dass die Linke einen neuen Namen hat - sie heißt Možemo! und unsere Koalition."
Josip Jagić ist Projektmanager & politischer Analyst im Belgrader Büro der RLS. Er ist Mitglied von Zagreb je naš! (Zagreb gehört uns!) - eine der Gruppen in der Koalition Možemo!
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