19.11.2018: Während die Kameras auf Berlin gerichtet waren, versammelten sich zur gleichen Zeit (9.-11.11.) europäische Vertreter*nnen der radikalen Linken und Teile der linken Flügel von Sozialdemokratie und Grünen in Bilbao im Palacio Euskadunal zum zweiten European Forum.
In Berlin sprach der griechische Premier Tsipras auf dem SPD-Debattencamp in einem Workshop mit dem Titel "Links und erfolgreich". Dass Syriza einerseits nach Bilbao kam und andererseits ihren Spitzenmann nach Berlin schickte, kann als Ausdruck einer tieferen Einsicht gesehen werden. Eine alleinige Orientierung auf die radikale Linke und deren Versuch neue Allianzen im Vorfeld der Europawahlen zu bilden, reicht möglicherweise nicht aus, um sich dem Aufschwung nationalistischer Kräfte wirksam entgegenzustellen und die Fragmentierung der Linken zu kompensieren.
Das European Forum, erstmals letztes Jahr in Marseille ausgetragen, soll eigentlich genau die Antwort auf diese Einsicht sein. Ein Forum für kontinuierlichen Austausch und Vernetzung "progressiver, ökologischer und linker Kräfte". Angelehnt an das Foro Sao Paulo ist es expliziter Anspruch alle Willigen und Einsichtigen links der "Mitte" zu gemeinsamen Gesprächen und inhaltlichem Austausch zu versammeln.
Europäische Linke auf den Spuren des Foro Sao Paulo |
Wie schon letztes Jahr in Marseille waren jedoch Vertreter*nnen von Sozialdemokratie und Grünen deutlich unterrepräsentiert. Ausnahmen waren hier Mitglieder des sogenannten Progressive Caucaus, einem Art rot-rot-grünem Debattenforum innerhalb des europäischen Parlaments, welches auf parlamentarischer Ebene zu etablieren versucht, was das European Forum auf gesellschaftliche r und politischer Ebene macht.
Auch Benoit Hamont, ehemaliger Präsidentschaftskandidat der französischen Sozialisten und Gründer der neuen Bewegung Generation, hielt eine Rede und war offensichtlich auf der Suche nach neuen Partner*innen. Dass von Sozialdemokratie und Grünen vor allem auch die jeweiligen Jugendformationen vor Ort waren, zeigt die unterschiedliche inhaltliche sowie strategische Ausrichtung zwischen Jugendorganisationen und Mutterparteien, wie sie hierzulande auch bei Jusos und SPD deutlich wird.
Darüber hinaus wird auch an der (Nicht-)Teilnahme radikaler linker Kräfte an dem Forum deren eigene Fragmentierung im Vorfeld der Europawahlen deutlich, die das Forum eigentlich überwinden möchte. Dass die Bewegung Diem25, anstatt ihrer Führungsfigur Yanis Varoufakis nur einen Vertreter schickte und die portugiesische Linke ihre ganz eigene Veranstaltung abhielt, hat möglicherweise auch damit zu tun, dass beide für die kommenden Wahlen schon ihre eigenen Bündnisse geschmiedet haben. Diem25 über die Liste "Europas erster transnationaler Partei" namens European Spring, an der auch die polnische Linkspartei Razem teilnimmt. Auf der anderen Seite ist die portugiesische Linkspartei Bloco de Esquerda Teil der vom französischen Politiker Melechon begründeten Liste "Maintenant le Peuple" (Jetzt das Volk), der sich auch die spanische Podemos und eine Reihe skandinavischer Linksparteien, wiederum auch Mitglieder der Partei der Europäischen Linken, angeschlossen haben.
Dass das European Forum eine von Wahlen unabhängige Initiative ist, welche den kontinuierliche Austausch zwischen progressiven Akteuren unterstützen soll, scheint nicht zu allen durchgedrungen zu sein. Die Ursachen dafür können einerseits im mangelnden Interesse einiger Akteure gesehen werden, aber auch in der ausbaufähigen Mobilisierung durch die Initiator*nnen. Was es auch ist, die innerlinken Auseinandersetzungen vor den Wahlen haben sich auch auf das Forum niedergeschlagen.
Hinweis auf die Härte, mit der diese Konflikte zum Teil ausgetragen werden, ist sicherlich der Austritt der Parti de Gauche aus der Partei der Europäischen Linken Mitte dieses Jahres, mit der Begründung, nicht mehr mit Syriza zusammenarbeiten zu können. Syriza würde das Recht der Arbeiter*nnen auf Streik in Griechenland verbieten, so der Vorwurf. (siehe dazu: Warum schränkte die SYRIZA-Regierung das Streikrecht ein?) Eine sehr eingeengte Sicht auf den Sachverhalt einerseits und andererseits Anzeichen für einen fehlenden strategischen Weitblick, angesichts der Gesamtsituation, in der sich Europa oder auch Griechenland befindet.
Strategie ist dann wohl auch das Stichwort an dem sich die Geister scheiden, weniger die tatsächlichen inhaltlichen Differenzen. Inhaltlich wurden auf dem Forum die Ressorts Migration, Frieden, Feminismus, Ökonomie bis hin zur Ökologie in großen Panels und Workshops behandelt. Dass die katastrophale Situation im Mittelmeer unhaltbar ist, Europa eine ökologische Wende benötigt, die Austerität beendet und sowohl Wirtschaft wie auch Institutionen demokratisiert werden müssen oder die grundlegenden Rechte der Arbeiter*nnen in Europa gestärkt werden sollen, werden alle teilen. Und auch die explizite Rückbesinnung auf das Manifest von Ventotene, in welchem Altiero Spinelli 1941 in faschistischer Gefangenschaft die Idee eines demokratischen und sozialistischen Europas aufzeichnete, war Thema auf dem Forum und beinhaltete eine Diskussion über ein Europa im Jahre 2034. Auch dies stellt wohl kaum einen Streitpunkt dar, an dem eine Zusammenarbeit scheitern würde.
Und wenn es wichtigen Akteuren wie Melenchon aus Frankreich auch oft vorgeworfen wird, geht es im engeren Sinne auch nicht um die Debatte über den Austritt aus der Union oder nicht, sondern darum, wie genau Veränderung auf europäischer und nationaler Ebene letztlich durchgesetzt werden kann. Melenchon und die Bewegung "Jetzt das Volk" wollen dies vor allem durch die offene Verweigerung, die Verträge und Direktiven aus Brüssel umzusetzen, erreichen, ohne jedoch zwingend auszutreten. Noch viel mehr unterscheiden sich die Akteure jedoch in ihren strategischen Ansätzen, wie linke Politik überhaupt mehrheitsfähig gemacht werden kann, um Regierungsmacht beziehungsweise Hegemonie zu erlangen und die nationalen und europäischen Politiken mitgestalten zu können. Oft wird hier dann auf einen Diskurs zwischen dem vagen Begriff "Linkspopulismus" und eher klassenbezogenen Ansätzen verwiesen. Dieser manifestiert sich dann letztlich in der Frage, ob die oft als sogenannt "populistisch" agierenden Bewegungsorganisationen wie Podemos und France Insoumiese die richtigen Ansätze sind oder klassische Massenparteien mit Verankerung in Bewegung und gesellschaftlichen Sektoren. Beide Ansätze haben ihre Berechtigung und es scheint noch nicht klar zu sein, ob eine klare Trennung der Ansätze überhaupt möglich ist, geschweige denn, welcher am Ende zum Erfolg führt.
Diese Auseinandersetzungen sind jedoch wertlos, wenn mit den theoretischen Diskursen nicht gleichzeitig auch der klare Wille verbunden ist, nationale wie europäische Politik beeinflussen zu wollen. Jetzt und auch in naher Zukunft wird die Agenda für europäische Politik nicht zuletzt auch auf den nationalen Ebenen gesetzt. Die dogmatische Haltung gegen jedwede Form von Regierungsbeteiligungen und der Glaube an eine vermeintliche revolutionäre Dynamik, die vor allem innerhalb der radikalen Linken vorhanden sind, setzen allen ernsthaften Vorstellungen und Versprechungen für ein sozialeres und demokratisches Europa oft ein jähes Ende. Dabei sollte es viel mehr um einen Austausch über die substanziellen Fragen gehen, wie denn nun Prekarisierung und Niedriglöhne zurückgedrängt werden können oder wie vermehrt genossenschaftliche und kooperative Produktion im nationalen wie europäischen Binnenmarkt organisiert werden könnten. Erfahrungen aus Italien und anderen Ländern könnten hier beispielhaft sein, wo von vormals 3,4 Millionen Arbeiter*innen zurzeit immer noch um die 800.000 Menschen im kooperativen Sektor beschäftigt sind.
Unterschiedliche strategische Ansätze sollten nicht gegen die offensichtliche Notwendigkeit für gemeinsamen inhaltlichen Austausch und die Zusammenarbeit progressiver Akteure sprechen. Das European Forum sollte und kann genau das bieten. Darüber hinaus könnte das Forum in Zukunft auch der Rahmen dafür sein, eben genau die verschiedenen strategischen Ausrichtungen offen zu diskutieren. Auch wenn scheinbar noch nicht die gewünschte politische Breite erreicht wurde und notwendige Debatten über konkrete Initiativen eher im Hintergrund standen, das Forum bietet jetzt schon einen Ort für Kommunikation und Austausch, wie er vorher noch nicht bestanden hat. Auch die konkrete Vernetzung der Akteure auf dem Forum selbst könnte strukturierter von statten gehen und sollte nicht der zufälligen Begegnung überlassen werden. Wenn in Zukunft noch breiter mobilisiert wird und mehr Organisationen als bisher das Angebot zur Teilnahme annehmen, dann kann diese Initiative ein Raum sein, um konkrete Alternativen zu verhandeln und Strategien zu diskutieren – und könnte damit ein Lichtblick für Europa werden, den wir so dringend benötigen.
Stefanos Kontovitsis
Die marxistische linke war mit Lisa und Stefanos beim European Forum in Bilbao vertreten.
Video vom Abschluss des 2. European Forums mit Beiträgen über die Ergebnisse der Arbeitsgruppen, über die Zukunft des Forums und der Verlesung der Abschlusserklärung.
Aufruf an alle europäischen Bürger*innen!
EUROPA MUSS WACHSAM SEIN!
Lasst uns unsere Zukunft in unsre Hände nehmen
Für eine dauerhafte Zusammenarbeit und eine Konvergenz der Aktionen zwischen linken, grünen und fortschrittlichen Kräften in Europa.
Millionen von Europäer*innen haben gelitten und leiden immer noch unter den Angriffen eines entfesselten Kapitals, das arbeitsrechtliche, soziale, wirtschaftliche und institutionelle Veränderungen mit dem Ziel vorantreibt, historische Errungenschaften der arbeitenden Klasse und der unteren Bevölkerungsschichten zu zerstören, um eine autoritäre, prekäre, deregulierte Gesellschaft ohne Arbeits-, Sozial- oder Bürgerrechte durchzusetzen.
Auf dieser Grundlage rufen wir, die wir uns am 9., 10. und 11. November 2018 im Rahmen des zweiten Europäischen Forums der Linken, Grünen und Progressiven in Bilbao versammelt haben, die Bevölkerung ganz Europa auf, wachsam und mobil zu sein.
Wir sind wachsam gegenüber den sozialen Schäden und Ungleichheiten, die unsere Gesellschaften immer mehr auseinanderreißen und die jeden Tag durch Maßnahmen verschärft werden, die Austerität, den Verlust von Sozialleistungen und den Konkurrenzkampf unter den Arbeiter*innen fördern.
Wir sind wachsam gegen die Anhäufung von Reichtum in den Händen weniger, während Unsicherheit und Armut in ganz Europa zunehmen.
Wir setzen uns für das Klima ein, im Bewusstsein der Bedrohung durch den katastrophalen Klimawandel, der Luftverschmutzung und der Risiken für die biologische Vielfalt, denn der Planet erwärmt sich und läuft Gefahr, unbewohnbar zu werden, wenn unverzüglich der Kurs unserer Wirtschafts- und Industriemodells geändert wird - wie es erneut in dem alarmierenden Bericht des IPCC gefordert wird.
Wir kämpfen gegen die Angriffe auf die demokratischen Freiheiten und die Rechte der Frauen. Wir sind auf der Hut vor der beschämenden Behandlung von Migrant*innen.
Wir sind uns der Gefahr für den Frieden bewusst, die die erneute Militarisierung der internationalen Beziehungen sowie die militärischen Ausgaben, die unter anderem von der NATO verlangt werden, mit sich bringen.
Wir kämpfen gegen das Aufkommen rechtsextremer und reaktionärer Kräfte, die wieder einmal Hass, Rassismus und Spannungen auf dem gesamten Kontinent wecken.
Wir sind wachsam gegen die Ausbreitung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, die von einer Reihe von Regierungen und politischen Kräften angetrieben wird, und gegen den Bau einer Festung Europa, die für Migrant*innen, die vor Krieg und Armut fliehen, geschlossen ist.
Unsere wichtigste Botschaft ist die Notwendigkeit, wachsam und engagiert zu sein, um sich der Politik zu widersetzen, die die Bevölkerung Europas niederdrückt, die von den Reichen und Mächtigen, den Finanzagenten und den Märkten bei ihrer Suche nach einer neoliberalen Politik ignoriert wird.
Wir sagen, dass die Zeit gekommen ist, dass die Bevölkerung Europas die Kontrolle über seine Zukunft und unser gemeinsames Schicksal übernimmt.
Es ist an der Zeit, unsere Kräfte zu bündeln und die Tür zu öffnen für eine neue Ära, einen Weg zu einem neuen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Modell, einschließlich neuer Antworten zu Emanzipation und demokratischem Fortschritt, um den wichtigsten Herausforderungen der Menschheit zu begegnen.
Es ist an der Zeit, gemeinsam zu arbeiten und zu handeln, um unsere Energien langfristig zusammenzuführen, denn wir wissen, dass die Bürger*innen Europas vor historischen Herausforderungen stehen, die noch nie da gewesen sind, und dass keine unserer Kräfte diese Herausforderungen allein bewältigen kann.
Viele verschiedene Kräfte arbeiten zusammen, um eine andere Art von Zukunft und eine Form der Entwicklung zu schaffen, die sich von diesem brutalen und dekadenten Kapitalismus abwendet.
In einem Moment, in dem wir vor dem Brexit voller Unbekanntheiten für britische Bürger*innen und für nicht britische Menschen stehen, die in Großbritannien leben und arbeiten, sowie vor Wahlen zum Parlament der Europäischen Union, die wahrscheinlich das Kräftegleichgewicht und die Machtverhältnisse innerhalb der Europäischen Union verändern werden, ist es von entscheidender Bedeutung, dass diese Kräfte aktiver zusammenarbeiten, um die Bürger*innen Europas dazu zu bringen, sich laut und deutlich zu äußern, dass ein anderer Weg möglich ist: der des sozialen Fortschritts, der Integration, der Demokratie, des Friedens, der Achtung der Gleichstellung von Männern und Frauen sowie im Allgemeinen aller Menschen, der nachhaltigen Entwicklung unter ökologischen Gesichtspunkten und des integrativen Wirtschaftswachstums.
Wir wollen, dass diese popularen Kräfte ihre Energien bündeln.
Auf der Grundlage dieser gemeinsamen Herausforderungen und im Einklang mit der Forderung des ersten Europäischen Forums der linken, grünen und progressiven Kräfte, das im November 2017 in Marseille stattfand, haben wir beschlossen, dass dieses Forum unsere Arbeit fortsetzen muss, um einen ständigen Raum der Konvergenz auf europäischer Ebene zu schaffen.
Unsere Kräfte sind vielfältig. Ob verwurzelt in der Geschichte der Kämpfe der Arbeiterbewegung, antifaschistisch, internationalistisch, grün, emanzipatorisch oder aus Mobilisierungen innerhalb der Gesellschaft, sind wir uns bewusst, dass wir viel gemeinsam haben und dass wir auch unsere Unterschiede haben.
Wir leugnen diese Unterschiede nicht, und jede unserer Kräfte ist und bleibt völlig souverän in ihren Entscheidungen. Ziel ist es, dass diese Unterschiede nicht die Verfolgung des gemeinsamen Ziels dieses Forums beeinträchtigen, sondern einen Rahmen schaffen, der politischen, sozialen, arbeitenden und zivilen Kräften die Möglichkeit bietet, ihre Ideen einzubringen, sie zu prüfen, gemeinsame politische Aktionsachsen abzuleiten, die Menschen zur Mobilisierung auf nationaler und europäischer Ebene zu ermutigen und überall die Zusammenarbeit zwischen linken, grünen und fortschrittlichen Kräften zu fördern - auch im Parlament der Europäischen Union.
Wir schlagen vor, das dritte Forum vorzubereiten, das im Rahmen der gemeinsamen Aktionen organisiert werden soll, die wir 2019 entwickeln wollen. Es gibt viele mögliche Handlungsfelder.
In diesem Jahr schlagen wir vor, unsere Kräfte zu bündeln und uns auf vier grundlegende Achsen zu konzentrieren:
1. Umverteilung des immensen Reichtums, der in Europa geschaffen wurde, in Richtung eines neuen Modells der sozialen und ökologischen Entwicklung.
Ungleichheit und Armut nehmen in Europa weiter zu, während Banken, der Finanzsektor und multinationale Konzerne im Geld schwimmen - in einer Zeit, in der sozialer und wirtschaftlicher Fortschritt dringend erforderlich ist.
Das BIP der Europäischen Union beträgt 17 Billionen Euro. Unbestreitbar nehmen Ungleichheit und Armut zu. Seit 2009 hat die EZB fast 5 Billionen Euro in die Wirtschaft dieses Territoriums investiert, bei gleichzeitiger Steuerhinterziehung im gleichen Gebiet von fast einer Billion Euro. Dieses Geld sollte umgelenkt werden, um die sozialen Bedürfnisse zu befriedigen, öffentliche Dienstleistungen und die Umwelt zu finanzieren und die Untragbarkeit der Staatsverschuldung zu reduzieren.
Auf diese Weise verteidigen wir als progressive und linke Bewegungen das Recht auf einen menschenwürdigen Arbeitsplatz für alle, einschließlich Vollbeschäftigung, mit guten Arbeitsbedingungen, ausreichenden Löhnen, Sicherheit, Sozialschutz, ohne Diskriminierung und mit Gleichstellung von Männern und Frauen.
Wir schlagen vor, dass der Reichtum und die Macht der Länder dazu dienen, die Entwicklung eines würdigen Lebens ohne Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Ausprägung, sexueller oder emotionaler Identität zu fördern.
Unser Aufruf:
Wir schlagen vor, neue Kriterien für die Verwendung von Geld in Europa zugunsten einer Transformation der Produktionsstrukturen und für ein neues soziales und ökologisches Entwicklungsmodell auf der Grundlage eines Rahmenabkommens festzulegen, das ein neues Wirtschafts- und Produktionsmodell vorschlägt. Auf dieser Grundlage haben wir die Absicht geäußert, eine Debatte über die Schaffung einer europäischen Finanz-, Steuer- und Haushaltskonferenz ähnlich der COP (Conference of the Parties) zum Klimawandel zu eröffnen.
2. Die Gleichstellung der Geschlechter zu verteidigen und zu fördern.
Die Rechte der Frauen müssen verteidigt werden. Eine der Säulen, auf denen die Hegemonie des Liberalismus beruht, ist das Patriarchat, das seinerseits auf ideologischen Werten beruht, die Frauen in eine untergeordnete Rolle in der Gesellschaft verweisen und das Lohngefälle normalisieren. Er versagt bei der Beseitigung sexistischer Gewalt von der Wurzel, wie den Handel mit Frauen und Minderjährigen zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung. Diese und andere Formen der Ungleichheit und Diskriminierung halten dieses System, das Frauen unterordnet, aufrecht. Darüber hinaus müssen wir die Diskriminierung von LGBTQI-Personen beenden.
Der Mangel an Solidarität, Gleichheit und Gerechtigkeit führt zu noch größerer Ungleichheit, Diskriminierung und Gewalt, von der in größerem Umfang diejenigen betroffen sein werden, die bereits Opfer einer wirtschaftlichen, fiskalischen und politischen Krise geworden sind.
Wir sind davon überzeugt, dass es keine echte Demokratie geben wird, wenn Frauen nicht frei, ohne Gewalt und mit gleichen Rechten wie Männer leben. Aus diesem Grund ist der Kampf gegen das Patriarchat von grundlegender Bedeutung für den Aufbau eines neuen Gesellschaftsprojekts, das den Wert des Lebens der Menschen über den Nutzen der Märkte stellt.
Die gerechte Verteilung der produktiven und reproduktiven Arbeit ist von grundlegender Bedeutung für die Anerkennung der Sozial- und Arbeitsrechte, die alle Arten der Ausbeutung von Frauen verhindern.
Unser Aufruf:
Basierend auf diesen Prämissen dieses Forums der linken, progressiven und ökologischen Kräfte haben wir uns vorgenommen, ein Konzept für die Gleichstellung der Geschlechter auszuarbeiten, das die volle Einbeziehung von Frauen in die Arbeitswelt und von Männern in die Pflegearbeit vorsieht und darauf abzielt, Ungleichheiten zu überwinden und die Gleichstellung der Geschlechter in allen Lebensbereichen zu gewährleisten.
3. Frieden und kollektive Sicherheit.
Die Ankurbelung der Militärausgaben und der Rüstungswettlauf im Rahmen der Ziele der NATO stellen eine ernsthafte Gefahr für den Frieden dar. Die in der Charta der Vereinten Nationen definierten Grundsätze der kollektiven Sicherheit sind gefährdet. Die Politik von Donald Trump übt auch Druck auf ganz Europa aus. Die Frage der Beziehungen zwischen allen europäischen Nationen und den Nachbarregionen muss auf der Grundlage dieser Prinzipien neu überdacht werden.
Unser Aufruf:
Wir schlagen vor, Bürgerdebatten in ganz Europa zu organisieren, um die Idee einer gesamteuropäischen Konferenz für Frieden und kollektive Sicherheit zu fördern. Auf diese Weise wird es möglich sein, die Menschen auf dem gesamten Kontinent zusammenzubringen, um den Weg des Krieges zugunsten einer friedlichen und sicheren Welt zurückzuweisen.
Es sollte verbindliche Vereinbarungen mit einer einheitlichen Norm für Asyl und Schutz des Völkerrechts durch eine auf Solidarität und Verantwortung basierende Migrationspolitik ermöglichen, die sichere Rettungswege für das Mittelmeer gewährleistet. Wir müssen Antworten auf der Grundlage der Solidarität finden, wie zum Beispiel die Reform des Dublin-Systems. Eine Politik der Gastfreundschaft ist nicht nur eine Frage der Barmherzigkeit, sondern bleibt ein wesentlicher Bestandteil jeder Umverteilungsmaßnahme.
4. Demokratie und Achtung der Volkssouveränität.
Eine demokratische Gesellschaft ist eine Gesellschaft, die auf die Bedürfnisse ihrer Bürger*innen eingeht und sie schützt; die in der Lage ist, zuzuhören und für den gemeinsamen Nutzen zu handeln.
Deshalb sind wir der Ansicht, dass das Hauptmerkmal der Europäischen Union die mangelnde Demokratie ist. Die neoliberale Ausrichtung ihrer Verträge wurde ohne die Zustimmung der Bevölkerung und manchmal gegen seinen Willen durchgesetzt. So arbeitet beispielsweise die Europäische Zentralbank ohne jegliche demokratische Kontrolle. Hinzu kommen der asymmetrische zwischenstaatliche Prozess, die von konservativen Mehrheiten gelenkte Politik und die Kriterien einiger der europäischen Institutionen, die ebenfalls einen Angriff auf die Demokratie darstellen.
Was in Europa dominiert, ist nicht die Zusammenarbeit, sondern Konkurrenz und Autoritarismus.
Heute gibt es sogar Länder, die "Illiberalismus" fordern, also Liberalismus ohne Demokratie. Reaktionäre und rechtsextreme Kräfte müssen unermüdlich und ohne Kompromisse bekämpft werden, denn Pluralismus und Demokratie sind wesentliche Säulen für die europäischen Völker und Nationen.
Unser Aufruf:
Damit Europa eine andere Zukunft hat, besteht die Herausforderung darin, die Achtung der Souveränität der Bürger mit der Zusammenarbeit zwischen Völkern und Nationen zu kombinieren, und die Ressourcen zu bündeln, um gemeinsame soziale und ökologische Ziele zu erreichen. Unser Ziel ist es, für ein Europa zu kämpfen, das eine vollständig kooperative, solidarische, gleichberechtigte und sozial fortgeschrittene Demokratie ist. Wir fordern die Stärkung der Souveränität der Bevölkerung durch die Einführung einer neuen Charta für souveräne Demokratie in Europa.
Quelle: https://europeanforum.eu/calling-every-european-citizen-europe-must-be-on-alert/
eigene Arbeitsübersetzung aus dem Englischen