23.03.2018: Der griechische Ex-Finanzminister Yannis Varoufakis, der französische ehemalige sozialistisches Präsidentschaftskandidat Benoît Hamon und der Bürgermeister von Neapel, Luigi de Magistris, haben am 10. März bei einer Zusammenkunft in Neapel bekanntgegeben, dass sie zur nächsten EU Wahl im Mai 2019 zusammen mit anderen Linkskräften mit einer linken Liste antreten wollen. Nach den Angaben der Initiatoren soll es die erste "bahnbrechende europäische transnationale Liste" werden, die auch einen "transnationalen Spitzenkandidaten" für die EU Präsidentschaft nominiert.
"Die gemeinsame Überzeugung, dass die Lösung der Krise unserer Regionen und Länder europäisch sein muss, führt uns heute in Neapel zusammen” sagte Varoufakis bei dem Treffen laut Internetseite der von ihm initiierten Bewegung DiEM25 (Democracy in Europe Movement 2025 – Demokratie in Europa Bewegung 2025). "Wir sind zusammengekommen um das Bündnis zu schmieden, das diese europäischen Lösungen hervorbringen wird und laden alle progressiven Europäer*innen ein, sich uns anzuschließen”.
Das Programm gründet auf zwei Pfeilern:
- einem paneuropäischen ‘Grünen New Deal’ als Maßnahme gegen die Krise privater und öffentlicher Schulden, Unterfinanzierung, Ungleichheit und Armut und als sozioökonomische, ökologische und feministische Grundstruktur
- und einem Prozess hin zu einer verfassungsgebenden Versammlung, die unsere Union mit einer wahrhaft demokratischen Verfassung ausstatten soll.
Das endgültige Ziel dieses einvernehmlich beschlossenen Programms ist, ungehorsam und wirksam dem Brüsseler Status quo und seiner gescheiterten Politik entgegenzutreten, die die EU auseinander reißt. Wir wollen einen konstruktiven Wiederaufbau eines demokratischen europäischen Projekts, und zwar mit unserer transnationalen Wahlliste, unserer Spitzenkandidatur, unserem politischen Programm. (Quelle: https://diem25.org)
Der ehemalige sozialistische Präsidentschaftskandidat Hamon, der sich mittlerweile von der französischen Parti Socialiste (PS) getrennt und eine eigene linkssozialistische Vereinigung Générations gegründet hat, betonte laut Bericht der kommunistischen Zeitung Humanité, es gehe um die Schaffung einer "neuen transnationalen europäischen Bewegung". "Wir glauben, dass es eine Alternative zur gegenwärtigen Austeritätspolitik (Sparzwangpolitik) gegenüber Emmanuel Macron, Angela Merkel und Jean-Claude Juncker gibt".
Gegenüber "dieser echten Rechten und dieser falschen Linken, die behaupten, dass es keine Alternative gibt, wollen wir eine echte europäische und demokratische Alternative verkörpern, bei der ökologischen Frage, der sozialen Frage, der Frage der Flüchtlinge", sagte Hamon. Die Lösung der EU-Krise liege nicht in einer Rückwendung zum Nationalismus, sondern in der Kooperation der Völker und der Neugründung Europas auf anderen politischer Basis als derjenigen der gegenwärtigen EU.
Nach den bisher veröffentlichten Angaben haben an dem Treffen in Neapel neben Varoufakis 'DiEM25' und Hamons 'Générations' u. a. die von ehemaligen Jungsozialisten und Grünen gegründete polnische Partei 'Razem' (Gemeinsam), die Vereinigung 'Die Alternativen' aus Dänemark und das links-grüne Parteienbündnis 'Livre/Tempo de Avançar' (Frei/Zeit voranzukommen) aus Portugal teilgenommen. Luigi de Magistris Partei 'Democrazia Autonomia' (DemA), war bei Parlamentswahlen in Italien im März 2018 als Teil des linken Wahlbündnisses 'Liberi e Uguali' angetreten. Teilnehmer aus Deutschland oder anderen EU-Staaten sind bisher nicht bekannt.
Eine bei dem Treffen zusammengestellte zeitlich befristete Steuerungsgruppe, die bis Juni 2018 für den Beitritt weiterer politischer Kräfte und Bewegungen offen sei, soll für das Zustandekommen der transnationalen Wahlliste sorgen. Danach sollen die Mitglieder der beteiligten Bewegungen und Organisationen bis Ende des Sommers 2018 in ganz Europa die Kandidat*innen wählen.
Wie mitgeteilt wurde, wollen die Beteiligten nach der Wahl 2019 auch eine eigene Fraktion im EU Parlament bilden. Ungeklärt ist, in welchem Verhältnis diese zur bisherigen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordischen Linken Grünen (GUE/NLG), in der auch kommunistische Parteien und Parteien wie die deutsche Partei DIE LINKE mitwirken, stehen wird.
Offen ist auch das Verhältnis zur Partei der Europäischen Linken, wie auch die Frage, ob DiEM25 mit diesem Schritt die Linke stärkt oder "ein neues Element der Verwirrung und Zersplitterung in der radikalen Linken herbeiführt" (Roberto Morea, transform italia).
txt: Georg Polikeit
fotos: DiEM25