27.06.2016: Für Unidos Podemos brachte der gestrige Wahlabend ein Wechselbad der Gefühle: erst Freude, dann Ernüchterung, schließlich Frustration. Unidos Podemos verlor eine Million Stimmen und scheiterte beim Überholen der PSOE, die das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte einfährt. Die rechtskonservative Volkspartei (PP) von Mario Rajoy wird wieder stärkste Kraft - und kann sogar Stimmen dazu gewinnen.
Als nach Schließung der Wahllokale der Sender TVE die ersten Nachwahl-Prognosen veröffentlichte, war der Jubel groß. Unidos Podemos erschien als der große Sieger, knapp hinter den Konservativen und vor der sozialdemokratischen PSOE. Aber mit jedem ausgezählten Wahllokal ging die Freude in Frustration über. Die Prognosen erwiesen sich als weit von der Realität entfernt.
Der Allianz von Podemos, Vereinigter Linken (Izquierda Unida, IU) und der ökosozialistischen Equo war nicht nur eine Addition ihrer Stimmen aus der Wahl im Dezember vorhergesagt worden, sondern eine Vervielfachung. Auch ein Mitte-Links-Bündnis mit der sozialdemokratischen PSOE schien greifbar. (Spanien: Linksregierung in Sicht?)
Doch entgegen allen Prognosen und Erwartungen verloren das Wahlbündnis und die verbündeten Listen über eine Million Stimmen im Vergleich zum Dezember und kommen unverändert wieder auf 71 Mandate. Am 20. Dezember waren Podemos, IU und die verbündeten Listen zusammengezählt mit 6,1 Millionen Stimmen auf 24,3% gekommen. Jetzt beim gemeinsamen Wahlantritt erhielten sie 4,9 Millionen Stimmen und kommen auf 21,11%. Ein Trostpflaster: In Katalonien und dem Baskenland verteidigten die mit Unidos Podemos verbündeten Listen ihren Spitzenplatz, in der Comunidad Valenciana und Madrid wurde der zweite Platz verteidigt.
Die PSOE verlor über 250.000 Wähler und fuhr mit 85 Abgeordneten (-5) das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte ein. Trotzdem scheiterte Unidos Podemos bei dem Versuch, die die sozialdemokratische PSOE zu überholen und auf Platz zwei vorzurücken.
Zu den Verlierern der Wahl zählen auch die neuen, neoliberalen Ciudadanos. Viele ihrer Wähler kehrten zur PP zurück, so dass sie fast 500.000 Stimmen und acht Mandate verloren. Sie kommen nur noch auf 32 Abgeordnete.
Der Wahlsieger ist die korrupte, rechtskonservative Volkspartei (PP) von Regierungschef Mario Rajoy. Sie gewann über 400.000 Stimmen dazu, kommt auf 33% und 137 Abgeordnete (+14). Allerdings ist die Rajoy-Partei von einer absoluten Mehrheit (176 Abgeordnete) weit entfernt. Auch in einer Koalition mit den Ciudadanos wird eine Regierungsmehrheit nicht erreicht.
Somit sind die Hoffnungen auf eine linksorientierte Regierung gescheitert, wie die Regierungsbildung überhaupt noch komplizierter als nach dem 20. Dezember werden dürfte.
Die Wahlbeteiligung ist mit 69,84% (24.161.083 Wähler) die niedrigsten seit dem Ende der Franco-Diktatur. Im Vergleich zum Dezember gingen 1.189.364 Wähler weniger an die Urnen (-3,36 Prozentpunkte).
Pablo Igelsias: "Wir hatten andere Erwartungen"
Tief enttäuscht über das Wahlergebnis äußerte sich die Führung von Podemos am Wahlabend. "Wir hatten andere Erwartungen", sagte Pablo Iglesias, Generalsekretär von Podemos. Besorgt zeigte sich Iglesias über die Zugewinne der PP und des konservativen Blocks mit dem eine konservative Regierung näher gerückt ist. "Es ist ein Moment der Reflexion und des Dialogs zwischen den progressiven Kräften", kündigte er an. Trotz des enttäuschenden Wahlergebnisses sei Unidos Podemos der "richtige Weg", so Iglesias. "Das Zusammengehen hat sich als richtiger Weg herausgestellt, in Verantwortung gegen über dem Land, und für das Zusammenführen einer möglichst großen Zahl von Kräften für einen progressiven Block, der eine wirksame Politik gegen die Kürzungen entwickeln kann."
Íñigo Errejón, Sprecher der Parlamentsfraktion von Podemos und Mitglied des Politischen Sekretariats, wies darauf hin, dass Unidos Podemos zwar ein enttäuschendes Ergebnis erzielt habe, aber nach wie vor "eine entscheidende Position hat und ausschlaggebend für den Wechsel bleibt. Aber diese Entwicklung vollzieht sich nicht linear und nicht in der Geschwindigkeit die man sich wünscht".
Alberto Garzón: "Wir haben keinen Zweifel, dass der Weg des Zusammengehens der richtige ist"
Der kürzlich zum neuen Generalkoordinator der Izquierda Unida gewählte Alberto Garzón bekräftigte ebenfalls, dass das schlechte Abschneiden bei dieser Wahl nichts daran ändere, am Zusammengehen festzuhalten, denn "in politischen Begriffen ist es eine große Idee". Dieser Prozess sei weit mehr als der Moment der Wahl, sondern müsse auf der Basis "der Partizipation und der Mobilisierung von unten" entwickelt werden. Dieses Zusammengehen müsse ein "kulturelles Ziel" markieren, die Menschen von einem alternativen Projekt zu überzeugen.
Das Wahlergebnis selbst sei sehr schlecht, sagte Garzón, denn es ging nicht darum, "ein paar Sitze mehr oder weniger zu gewinnen, sondern Unidos Podemos ist angetreten, um das Land zu gewinnen, und das haben wir nicht erreicht".
Die IU selbst verlor ihre Abgeordnete für Madrid, Sol Sánchez. Undidos Podemos erzielte in Madrid acht Abgeordnetenmandate, eines weniger als Podemos und IU im Dezember. Sol Sánchez stand auf Listenplatz neun von Unidos Podemos. Dafür sind IU-Mitglieder in Sevilla, Málaga, Guipúzcoa gewählt worden, außerdem Alberto Garón in Madrid. Dazu kommen noch die IU-Aktivisten, die über die Bündnislisten in Katalonien, Galizien und Valencia ins Parlament gewählt worden sind.
Vor der Linken in Spanien stehen jetzt eine gründliche Analyse und Schlussfolgerungen aus dieser Wahl. Geklärt werden muss, wieso über eine Million Wähler verlorengingen; wohin ging die Million, die im Dezember IU wählte; verlor Podemos auf der anderen Seite was sie auf der linken Seite dazu gewann? Wie kann sich Unidos Podemos verbreitern und in der Gesellschaft verankern? Debatten, bei denen "niemend Rivalitäten und den Kampf der Messer sucht", wie Alberto Garzón am Wahlabend sagte. Außerdem würden dafür "mehr Zeit und mehr Informationen, mehr soziologische und wahltechnische Daten" gebraucht.
Jetzt gehe es darum, alle Möglichkeiten zu erkunden, mit denen eine Regierung von Mario Rajoy verhindert werden kann.
Demgegenüber erklärte die PSOE, dass jetzt Rajoy am Zuge sei. Die PSOE akzeptiere, dass sie nicht regieren werde. Ihr Parlamentssprecher Antonio Hernando, sagte: "Es ist Rajoy, der jetzt die Initiative ergreifen muss."
txt: ts
siehe auch
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