07.06.2016: Podemos und Izquierda Unida haben sich auf eine gemeinsame Liste für die Wahl am 26. Juni geeinigt – und liegen nach einer Woche Wahlkampf vor den Sozialdemokraten an zweiter Stelle. Stabilisiert sich diese Tendenz, dann muss sich die PSOE entscheiden: große Koalition oder Linksregierung unter Führung von Podemos-Izquierda Unida.
Mit der zweiten Runde der Parlamentswahl am 26. Juni wird das traditionelle Zweiparteiensystem Spaniens endgültig der Geschichte angehören. Noch nicht entschieden ist, ob sich die rechtskonservative Volkspartei PP und die sozialdemokratische PSOE zur Verteidigung des Status quo gegen die Linke verbünden, oder ob mit dieser Wahl eine tiefgehende Demokratisierung Spaniens eingeleitet wird.
Bereits nach der Wahl vom 20. Dezember wäre wahlarithmetisch eine "Regierung des Wechsels" aus PSOE, Podemos und Vereinigter Linken (Izquierda Unida-Unidad Popular, IU-UP), mit Tolerierung durch die nationalistischen Kräfte des Baskenlandes und Kataloniens, möglich gewesen. Aber die Führung der PSOE stand einer Regierung mit Podemos und der IU feindlich gegenüber und lehnte die Forderung nach einem Referendum in Katalonien strikt ab. PSOE-Chef Pedro Sánchez versuchte anstatt einer linksorientierten Regierung eine Regierung mit den neoliberalen Newcomern der Ciudadenos zu bilden. Im Parlament fand er jedoch keine Mehrheit für die Regierungskoalition. (Spanien: Regierung für den IBEX-35. Gescheitert!, PODEMOS-Mitglieder sagen Nein) Neuwahlen waren unvermeidlich, obwohl es schien, als würde sich im Juni der 20. Dezember wiederholen.
Mit der Bildung der Wahlallianz 'UNIDOS PODEMOS' (Vereint können wir) aus Podemos, IU und der ökosozialistische Equo werden die Karten aber neu gemischt. (PODEMOS und Vereinigte Linke treten gemeinsam zur Wahl an)
In 11 Autonomen Gemeinschaften des spanischen Staates kandidieren Podemos und die anderen Linksparteien gemeinsam auf der Liste 'UNIDOS PODEMOS', in Galicia, Catalunya und der Comunidad Valenciana treten breitere Wahlallianzen, zum Beispiel unter Einschluss kommunaler Plattformen, an. Auf den Balearen (Illes Balears) kandidiert UNIDOS PODEMOS gemeinsam mit MÉS per Mallorca (eine ökologische Partei, die Teil der Regionalregierung ist) unter dem Namen UNIDOS PODEMOS-MES. Die WählerInnen, die links von der PSOE wählen wollen, zersplittern ihre Stimmen diesmal also nicht auf verschiedene Listen, sondern haben eine linke Alternative.
Zudem ist es gelungen, neue KandidatInnen für UNIDOS PODEMOS zu gewinnen, die seit langem für die Einheit der Linken eintreten - wie Manolo Monereo, prominenter linker Intellektueller und langjähriges Mitglied der PCE, oder den kämpferischen Gewerkschafter Diego Cañamero, Generalsekretär der Landarbeitergewerkschaft Andalusiens und bis 2015 Sprecher der Andalusischen Arbeitergewerkschaft SAT. Beide waren an vorderster Stelle aktiv für die 'Märsche der Würde', die im März 2014 zwei Millionen Menschen in Madrid auf die Straße brachten (Madrid: Zwei Millionen bei den "Märschen der Würde")
UNIDOS PODEMOS eine Kandidatur für den Sieg
Íñigo Errejón, Kampagnenleiter von Podemos, will im Wahlkampf eine bisherige Hürde überwinden: Bisher wird Podemos vor allem von jungen Menschen gewählt, diesmal sollen die Eltern und Großeltern derjenigen Kinder und Enkel gewonnen werden, die schon Podemos gewählt haben.
Alberto Garzón hat angekündigt, dass Izquierda Unida einen "auf die Klasse zentrierten" Wahlkampf führen wird, mit dem Ziel, "das Leben der populären Klassen zu verbessern". Gleichzeitig gehe es darum, alle Menschen, die gegen die Austeritätspolitik gekämpft, verschieden politische Initiativen unterstützt haben und gegen das Zweiparteiensystem aktive geworden sind, zusammenzuführen.
Der 30-jährige Alberto Garzón ist seit Sonntag (5. Juni) Generalkoordinator der Vereinigten Linken. Seine Liste für den Politischen Rat, das höchste Organ der IU, hatte bei der Mitgliederabstimmung der IU 74,7% der Stimmen erhalten. Die Liste von Garzón wurde von der Kommunistischen Partei Spaniens PCE unterstützt. Am Wochenende tagte die 11. Bundesversammlung der IU und wählte Alberto Garzón zum neuen Generalkoordinator der IU.
In seiner ersten Rede in dieser Funktion zeigte er sich überzeugt, dass UNIDOS PODEMOS eine "Kandidatur für den Sieg" ist. "Dies ist kein Projekt der Resignation, und auch nicht nur des Herzens", sagte er in Anspielung auf das mehrfarbige Herz im Logo von UNIDOS PODEMOS, sondern "drückt eine fröhliche Konzeption und politischen Optimismus aus, und schockiert jene, die mit einer Kampagne der Angst angefangen haben".
Garzón konzentriert seine Wahlkampfaktivitäten auf Madrid, wo er am 20. Dezember gewählt wurde und wo die IU einen großen Teil der Stimmen holte. An zweiter Stelle stehen Andalusien und die Provinzen, in denen KandidatInnen der IU auf relevanten Listenplätzen stehen, wie z.B. Barcelona, A Coruña, Palencia, Zaragoza und Teruel, Alicante und Asturias. Entsprechend der Übereinkunft wird die IU ein Sechstel der gewählten Abgeordneten von UNIDOS PODEMOS stellen. Dies entspricht der realen Wählerunterstützung bei der Wahl im Dezember. Bedingt durch das Wahlsystem benötigte die IU für jeden Abgeordneten 454.012 Stimmen, während bei der PP schon 57.692 für ein Mandat reichten, bei der PSOE 59.697 und bei Podemos 74.164.
UNIDOS PODEMOS auf der Überholspur
Die durch UNIDOS PODEMOS erzeugte Dynamik widerspiegelt sich in den Wahlprognosen. Nach der aktuellsten Umfragen vom Sonntag hat UNIDOS PODEMOS nach einer Woche Wahlkampf mit 23,7% die PSOE überholt und würde 80 Abgeordnetenmandate erzielen. Die PSOE kommt nur noch auf 20,3% und damit auf 77 Mandate. In Führung liegt immer noch die Volkspartei PP mit 31% und 130 Sitzen. Aber auch gemeinsam mit den Ciudadanos (14%, 37 Abgeordnete) würde es nicht zur Regierungsmehrheit im 350 Abgeordnete zählenden Parlament reichen.
Die PSOE wird also wahrscheinlich vor die Alternative gestellt werden, eine große Koalition mit der PP zu bilden oder in eine Linksregierung unter Führung von UNIDOS PODEMOS einzutreten.
Sozialistenführer Sánchez will sich alle Optionen offen halten. Den Vorschlag von Podemos, für den Senat eine gemeinsame Liste PSOE-Podemos-IU zu bilden, um die PP-Mehrheit zu brechen, wies er umgehend zurück. Eine Koalition mit dem bisherigen Regierungschef Rajoy lehnt er ab, gleichzeitig startet er gemeinsam mit der PP Angriffe auf die "Stadträte des Wechsels" in Barcelona, Madrid und anderen Städten. Zudem stimmte er in die Verleumdungskampagne ein, dass Pablo Iglesias und Podemos aus Venezuela finanziert seien.
Das Führungsmitglied der PP, Pablo Casado, hatte die Schmutzkampagne eingeleitet: Mit Podemos komme das "Caracas-Projekt" nach Spanien, mit "leeren Regalen, Apotheken, wo 200 Menschen auf Aspirin warten, geschlossenen Medien, enteigneten Unternehmern und enteigneten Wohnungsbesitzern".
Es stehen noch drei Wochen schmutziger Wahlkampf bevor, in dem PP, PSOE und Ciudadanos alle Mittel einsetzen werden, um einen Sieg von UNIDOS PODEMOS und die Einleitung eines tiefgehenden Wechsels in Spanien zu verhindern.
txt: ts
grafik: El Mundo
siehe auch
- PODEMOS und Vereinigte Linke treten gemeinsam zur Wahl an
- PODEMOS-Mitglieder sagen Nein
- Spanien: Regierung für den IBEX-35. Gescheitert!
- Spanien: Rajoy wirft Handtuch – Iglesias schlägt "Regierung des Wechsels" vor
- Wahl am 20. Dezember - PODEMOS, "die einzige Kraft, die den Wechsel leiten kann"
- Von unten nach oben - Podemos drängt ins spanische Parlament.
Neue Talkshow des ISM - Katalonien: Mehrheit für Unabhängigkeit, aber keine Regierung
- Linke Frauen regieren in Madrid und Barcelona
- Spanien wählt den politischen Wechsel
- Podemos auf fragwürdigem Weg?
- Kontrovers: Eine Suppe aus Parteikürzeln oder wie gewinnt man die Regierungsmacht im spanischen Staat?
- Statt linker Vereinigung Fusion an der Basis
- Alberto Garzón: „Wir verspielen die nächsten Generationen, nicht nur die nächsten Wahlen!“
- .. und ‘Jetzt Madrid‘
- Spanien: "Jetzt ist der Moment der Veränderung!"
- Spanien: »Empörte« wollen Regierung übernehmen