23.09.2015: „Die wichtigste Lehre aus dieser Abstimmung ist, dass Syriza, die weiterhin die einzige linke Regierung in Europa ist, ein zentraler Gesprächspartner für alle diejenigen bleibt, die das Kräfteverhältnis verändern wollen“, erklärte der Nationalsekretär der Französischen Kommunistischen Partei und Vorsitzende der Europäischen Linkspartei, Pierre Laurent, zum Wahlergebnis in Griechenland. Laurent bewertete die Wiederwahl von Syriza und Alexis Tsipras als „eine Botschaft des Vertrauens in den begonnenen Kampf gegen die Sparpolitik“. Nach der Wahl vom 25. Januar und der Volksabstimmung im Juli hätten die Griechen damit „erneut ganz Europa gezeigt, dass sie den Kampf weiterführen“.
„Sie wissen jetzt klar um die Schwierigkeiten, die vor ihnen liegen, aber sie wollen diesen Kampf weiter mit Syriza führen“, hob er hervor. Dieser Sieg sei ein „Appel an den Rest Europas zur Verbreiterung und Vereinigung der Kämpfe gegen die Austeritätspolitik und die soziale Deregulierung“. Laurent vermerkte dazu, die Griechen seien trotz aller Anstrengungen in den ersten sechs Monaten des Jahres „zu sehr allein gelassen worden“. Jetzt müsse die Solidarität verstärkt werden. „Ich hoffe, dass alle Kräfte der Europäischen Linkspartei und die der Sozialdemokraten, die sich im Kampf gegen den Sparzwang zu regen beginnen, wie Jeremy Corbyn, die Mittel für diese Solidarität finden werden. Laurent kündigte an, dass er sich zu diesem Zweck so bald wie möglich mit den Vorsitzenden der Formationen der Europäischen Linkspartei treffen will, um sich über neue Initiativen verständigen. „Wir müssen unser alternatives Szenarium zum Sparzwang verstärken, das über die fortschreitende Rückeroberung der Souveränität der europäischen Völker über die Finanzwirtschaft, das Geld und den Kredit in Europa geht“.
„Humanité“: Griechen haben Europa erneut „eine Lektion politischer Reife“ erteilt
In einem Leitartikel der französischen kommunistischen Tageszeitung „Humanité“ schrieb ihr Kommentator Jean-Paul Piérot, die Griechen hätten Europa erneut „eine Lektion politischer Reife“ erteilt. „Indem sie ihr Vertrauen zu Syriza erneuerten, haben sie den Hoffnungen der Rechten und der EU-Chefs, dem Ende dessen beiwohnen zu können, was sie die „Parenthese Tsipras“ nannten, eine Dusche verpasst“. Ein Sieg von Nea Demokratie wäre wie ein Triumph von Angela Merkel und Wolfgang Schäuble und all jenen interpretiert worden, die sich darauf versteift hatten, das griechische Volk zu erniedrigen. Die griechischen Wähler hätten sehr wohl verstanden, dass hinter dem erbitterten Beharren der EU Chefs in Sachen Schulden letztlich nur ein Ziel stand, nämlich den Sturz der Linksregierung zu provozieren, und dieses Manöver wurde von den Wählern durchkreuzt.
Den EU-Chefs eine Ohrfeige versetzt
In einem weiteren Artikel der „Humanité“ zum griechischen Wahlergebnis hieß es, mit dem für manche überraschenden Abstand von Syriza zu den nächsten Konkurrenten hätten die griechischen Wähler „der Gesamtheit der europäischen Regierungen eine Ohrfeige versetzt, die sich mit unerhörter Gewalt darauf versteift hatten, die erste Regierung Tsipras zu destabilisieren“. „Obwohl sie seinen Kopf wollten, beeilten sich nun alle, Alexis Tsipras zu gratulieren“.
Die europäischen Völker haben ein gemeinsames Schicksal
Der Syriza-Sieg sei ein Sieg für alle progressiven Kräfte des Kontinents, heißt es weiter in dem Artikel. „Die Griechen sind dabei, uns zu helfen. Aber sie fordern uns auch auf, noch einmal, ihnen zu helfen und den Staffelstab zu übernehmen. Wir schreiben hier nicht, dass Alexis Tsipras alles geschafft hat und dass er nicht großen Widersprüchen gegenüberstehen wird. Wie wird er mit den Gläubigern das Abkommen vom Juli handhaben, aufgezwungen wie ein finanzieller Staatsstreich, der zum Ziel hatte zu zeigen, dass eine alternative Politik zur Austerität unvereinbar ist mit der Zugehörigkeit zur EU? Und wie wird er sich verhalten bei der Neuverhandlung der Schulden? Wir wissen, dass die umgestaltenden Ideen gegenüber einer festgezurrten Ordnung zur materiellen Gewalt werden, wenn sie die Massen ergreifen. Europa erlebt historische Momente, und nichts lässt im Augenblick die Zukunft vorherahnen, nichts beschützt uns im Voraus vor dem Schlimmsten. Die europäischen Völker, die sich zu den antiliberalen Linken bekennen, haben ein gemeinsames Schicksal, bei aller Verschiedenartigkeit ihrer Realitäten. Die vom griechischen Volk monatelang erlittenen Pressionen und Erniedrigungen werfen für uns alle gewichtige politische und philosophische Fragen auf. Die Zukunft der Zusammenarbeit in Europa hängt nicht nur von den Griechen ab, sondern viel von uns.“
Text: Georg Polikeit Foto: pcf