20.03.2016: Auf den Flüchtlingsgipfeln EU-Türkei ging es zu wie auf einem türkischen Bazar. Doch gefeilscht und geschachert wurde nicht um Teppiche oder Hühner, sondern um Menschen, und zwar im Tausenderpack. „Biete gut gelagerte Syrien-Flüchtlinge fern aus der Türkei, gegen frisch in Griechenland angestrandete Asylsuchende. Aber nur bei zusätzlichen Milliarden in cash, plus Visa-Freiheit für türkische Migranten, plus zügigere EU-Beitrittsverhandlungen und und …“ Darf´s noch etwas mehr sein? Widerlich! Völkerrechtswiderlich und -widrig.
Der türkische Präsident Erdogan versucht wie ein Pate Schutzgeld zu erpressen. Und die EU-Mächtigen wiederum glauben, mit Euro-Schecks und Stacheldraht sich die Flüchtlinge vom Hals zu schaffen. Und werfen dabei flugs das Völkerrecht auf Asyl und die Genfer Flüchtlingskonvention über Bord. Denn Asylsuchende können danach nur in „sichere Herkunftsländer“ abgeschoben werden. Der von der EU auserwählte Cerberus am Tor zu Europa aber ist selbst einer der Hauptverursacher für die Flüchtlingsströme. Erdogan terrorisiert und massakriert die eigene Bevölkerung und ist in die blutigen Kriege in Syrien und Irak tief verstrickt.
Jetzt ist dieser Menschenhandel besiegelt. Er hat für das europäische Kapital zusätzlich den Vorteil, sich wie auf dem Rossmarkt die fähigsten Arbeitskräfte unter den in der Türkei lebenden Syrien-Flüchtlingen herauspicken zu können. Ansonsten aber soll die EU-Botschaft an verzweifelte, an Menschen in Todesangst und zur Flucht entschlossen, lauten: Ihr habt keine Chance, euch nach Europa zu retten. Wie EU-Ratspräsident Donald Tusk bereits vor Wochen zynisch formulierte: „Kommen Sie nicht nach Europa!“. Setzt nicht durch eine Schlauchboot-Überfahrt über die Ägäis euer Leben auf´s Spiel; ihr kommt am Ende doch nicht rein. In EU-Bürokraten-Logik zu Ende gedacht: Bleibt dort, wo die Kanonen donnern. Harrt aus im Bomben- und Granathagel, im Bürgerkriegsmassaker. Oder setzt euch in den Zeltstädten der Nachbarstaaten der Gefahr des Verhungerns aus. Eine Bankrotterklärung deutscher und europäischer Asylpolitik.
Die „Wertegemeinschaft“ EU demonstriert auf unappetitliche Weise, dass für sie der heiligste Wert nach wie vor der Mehr-Wert, der Profit ist. Menschenrechte, Humanität, Demokratie, … sind Dekor, solange sie nicht allzu viel kosten und nicht den Geld- und Warenstrom behindern, die Mehrwert-Produktion nicht gefährden. In einer solchen Gesellschaft hat dann auch ein Menschenfeind und Diktator, wie Erdogan seinen Platz, solange er nützlich ist und für Geld alles tut. Ihrerseits blickt die „Wertegemeinschaft“ naserümpfend beiseite, wenn der Schlächter von Ankara weiter die Kurden totschießt, in der Türkei, im Irak und Syrien. Und im eigenen Land Demokraten inhaftiert und massakriert, demokratische Rechte und Gerichte mit einem Federstrich außer Kraft setzt. Es ist ein Pakt mit dem Teufel, den die EU hier eingeht. Das Abkommen zur Abwehr der Flüchtlinge ist mit Blut geschrieben.
Und das alles, weil das „christliche Abendland“, nicht willens und fähig ist, Flüchtlingen auch nur im Umfang von einem Prozent der EU-Bevölkerung von 510 Millionen, Schutz zu gewähren. Das Gift neoliberaler Ideologie und Regierungspolitik tut seine Wirkung: Eigennutz statt Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe. Brutale Abwehr und Massenabschiebungen statt Solidarität, die „Zärtlichkeit der Völker“.
Text: Fred Schmid Foto: EPP
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