21.01.2015: Die Veranstaltung „Wölfe mitten im Mai“ mit Kai Degenhardt und Rolf Becker im Hamburger „Polittbüro“ war ein großartiges Erlebnis. Unter dem Beifall der Teilnehmer formulierte Rolf Becker zum Schluss einen leidenschaftlichen Appell zur Unterstützung der Forderungen der griechischen Bevölkerung und für Syriza bei den kommenden Wahlen. In weiten Teilen der Linken und auch in Teilen der Mitgliedschaft der DKP ist diese Unterstützung selbstverständlich. Dabei wird verstanden, dass Syriza keine kommunistische Partei ist, sondern ein Bündnis unterschiedlicher linker Strömungen darstellt.
Es wäre dem Ansehen der UZ zuträglich, wenn die politischen Ziele des Wahlkampfes von Syriza dargestellt und mögliche Folgen eines Wahlsieges auch für die BRD diskutiert würden.
Die Darstellung der Position der KKE im UZ- Interview mit Giorgos Marinos vom Politbüro des ZK der KKE reicht nicht, um die neue Situation in Griechenland zu erfassen und politische Schlussfolgerungen zu ziehen. Genosse Marinos nutzt das Interview vor allem zur Denunziation von Syriza als „sozialdemokratische Partei,“ die mit der griechischen ND darum konkurriert, „wer das Profitstreben des Kapitals, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, die Schuldenrückzahlung besser stärken wird ….“
Die EL wird charakterisiert als eine Partei „deren Gründung und Aufbau auf EU Beschlüsse zurückzuführen ist.“ Diese Behauptung ignoriert die politische Notwendigkeit, dieser EU eine linke antikapitalistische Politik entgegenzustellen. In der EL arbeiten zahlreiche Kommunistische Parteien aus EU-Ländern solidarisch als Vollmitglieder oder wie die DKP als beobachtende Partei mit.
Für Giorgos Marinos ist die einzige Lösung der politisch brisanten Probleme im Lande die Stärkung der KKE. Diese KKE Führung erwartet nach diesen Interviewaussagen auch, das alle Kommunistischen Parteien sich ihrem Kurs anschließen. Im Interview sagt Genosse Marinos: “Das Leben selbst wird zwangsläufig jede Partei, die ihrer historischen Mission als Partei der Arbeiterklasse und der sozialistischen Perspektive entsprechen will, dazu führen, sich unserer gemeinsamen Front gegen die Monopole, den Kapitalismus und seine Vereinigungen anzuschließen.“
Die Ergebnisse des internationalen Treffens der kommunistischen Parteien in Ecuador haben jedoch gezeigt, dass diese politischen Positionen der KKE in der Minderheit geblieben sind.
- Was bleibt da von der Politik der früheren KKE, Forderungen zu einem Politikwechsel und für Alternativen zu entwickeln?
- Wo bleiben die Erfahrungen kommunistischer Politik, dass es auch in Griechenland nötig ist, breitest mögliche Bündnisse zu bilden um Politik durchsetzungsfähig zu gestalten?
- Wo sind die politischen Erkenntnisse zum Verhältnis von Strategie und Taktik geblieben, nach denen notwendigerweise der Kampf um progressive Reformen heranführen kann zum Kampf für weitergehende sozialistische Veränderungen?
- Wo bleibt die kommunistische Erkenntnis, dass im gemeinsamen Kampf – aktuell mit Syriza – Einsichten und Erkenntnisse aller Kämpfenden wachsen können?
Mir ist nach dem Lesen des Interviews nicht klar, welche konkreten Forderungen die KKE in diesem Wahlkampf hat. Und die Fragen schaffen kaum die Möglichkeit, Widersprüche zu erkennen. Sie waren eher gefällige Hilfestellung zur Darstellung der Position des Genossen Marinos.
Es ist sicher nicht einfach, vor dem Hintergrund der Entwicklung sowohl der KKE als auch Syrizas in den letzten Jahren Lösungen zu einer konstruktiven Zusammenarbeit zu finden. Dies wird allerdings unmöglich sein, wenn keine solidarischen Debatten stattfinden und zunächst Gemeinsamkeiten zu konkreten aktuellen Forderungen erarbeitet werden. Was jetzt in Griechenland nach den Wahlen passieren wird, ist möglicherweise nicht nur für die Bevölkerung im Land selbst von großer Bedeutung, sondern auch für Europa und die EU - Länder. Denken wir nur an die ausstrahlende Wirkung eines Wahlsieges von Syriza nach Spanien, Italien und Frankreich.
Auch für die Perspektiven für politische Entwicklungen in der BRD könnte ein Wahlsieg impulsgebend wirken.
Die politische Chance, in Griechenland einen Wahlsieg von Syriza zu erreichen, müssen wir unterstützen, auch weil dies für unseren Kampf im Land Bedeutung hat.
Text: Heinz Stehr Foto: thierry ehrmann
Franz Josef Degenhardt
Wölfe mitten im Mai
Lieder und Texte zum rechten Aufmarsch in Europa gesungen, gelesen und kommentiert von
Rolf Becker und Kai Degenhardt
„August der Schäfer hat Wölfe gehört / Wölfe mitten im Mai…“ – doch statt den Anfängen zu wehren, wiegt sich das Dorf in dem bekannten Franz-Josef-Degenhardt-Chanson in trügerischer Sicherheit – bis es zu spät ist. 1965 galt dieses Lied der Gefahr erneuter faschistischer Bedrohung, war doch die NPD gerade in sieben westdeutsche Landtage eingezogen.
Und heute? Der Faschismus als äußerstes Mittel zur Rettung bürgerlicher Herrschaft in der Krise ist nicht mehr nur strategische Option in der Hinterhand der Herrschenden – die Entdemokratisierung schreitet europaweit fort. Franz Josef Degenhardts Metapher von den „Wölfen mitten im Mai“ behält auf bestürzende Weise Aktualität.
Degenhardts Sohn Kai stand als Gitarrist und Arrangeur mit seinem Vater über viele Jahre zusammen auf der Bühne. Er arbeitet längst selber als Liedermacher und ist dabei „einer der wenigen seiner Generation, der sowohl mit einer klaren politischen Position als auch mit musikalischen Ideen aufwarten kann” (Jazzthetik).
Der langjährige „Hamburger Jedermann“ Rolf Becker ist nicht nur als Schauspieler einem breiten Publikum bekannt – seit Jahrzehnten beteiligt er sich mit Lesungen und Vorträgen an den Bemühungen um politische Aufklärung.
Quelle: Kai Degenhardt