18.12.2015: „In dieser Straße – Das Waterboarding-Syndrom“, so der Titel des aktuellen Albums von Bernd Köhler und ewo2, dem „kleinen elektronischen weltorchester” aus Mannheim. Diese CD - Anfang 2015 produziert - bildet jetzt ungewollt den Soundtrack zum gegenwärtigen Akt des „Kampfes gegen den Terror“ mit aktiver deutscher Beteiligung. Am 10. Dezember um 11:18 Uhr sind die beiden ersten Tornado-Kampfjets von Jagel (bei Schleswig) aus in Richtung Einsatzstützpunkt in die Türkei gestartet – ab Januar sollen sie dann Einsätze über Syrien fliegen. Zur Verabschiedung waren Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) und Landtagspräsident Klaus Schlie (CDU) nach Jagel gekommen. Zusammen mit dem Kommandierenden General des Luftwaffentruppenkommandos, Generalleutnant Helmut Schütz, wünschte Albig den Soldaten viel Erfolg bei ihrer Mission und eine gesunde Rückkehr und übergab ihnen dann eine Landesflagge (Frage: Auf welchen eroberten Stellungen soll diese dann gehisst werden?).
Im Mittelpunkt der CD steht eine Lieder-Trilogie (Das Waterboarding-Syndrom) zum Thema Anti-Terror-Krieg, in der Hintergründe, Nutznießer sowie Akteure dieses Krieges benannt werden.
...und auf Kommando hauen die bedenkenlos jede x-beliebige Stadt in Schutt
„Die Spuren der Kriege“, so schreibt Bernd Köhler in der Cover-Innenseite, „ziehen sich dabei bis in das Land, die Stadt, die Straße, in der du wohnst. Wegsehen hilft nicht, die Einschläge kommen näher. Es wird Zeit, dass wir zur Besinnung kommen und uns dem Lauf der Dinge widersetzen.“
Da ist zum Beispiel der nette Familienvater von nebenan: Er ist ein “Legalized Killingman”, unterwegs für Sicherheitsdienste auf der ganzen Welt.
Auf jeden Fall sei sein Job gut bezahlt da unten -
wo - keine Ahnung, Afrika, Asien,
Afghanistan, er habe schon überall
'ne Karte geschrieben -
habe die ganze Welt geseh'n, sei schwer rumgekommen -
was er das mache, wisse man auch nicht genau, aber
he'll doit and he can
he is a legalized killing man.
Das Lied “Ich habe sie gesehn”, schlägt den Bogen von Ramstein, nach Abu Ghraib und erzählt über den für viele Bundesbürger fernen und doch vorhandenen Zusammenhang der Geschichte des „Kampfes gegen den Terror“ und der herrschenden Weltordnung. “Der Terrorismus ist aus der Rippe einer Welt gemacht, die vom Imperialismus verwüstet wurde” hat die indische Schriftstellerin Arundhati Roy einmal geschrieben. Auf dieser CD wird uns diese Erkenntnis noch einmal ausdrucksstark musikalisch vor Augen geführt.
Ich habe sie geseh'n in Bahrain
die Militärbasen
mit den Jagdfliegerkommandos
Bomberstaffeln und Awacs-
die sind nicht zum Spaß da
Und unter den spitzen Knickflügeln
hängen scharfe Bomben und
die Piloten sind gut dressiert
Ein Haufen toller Hunde der wartet nur darauf
endlich mal von der Leine gelassen zu werden
(…)
Und auf Kommando hauen die bedenkenlos
jede x-beliebige Stadt in Schutt.
Der Drei-Song-Zyklus des „Waterboarding Syndroms” kommt – der Sache entsprechend - düster daher. Daneben sind auf dem Album aber auch optimistische Stücke zu hören, die mal an Hannes Wader und mal an Franz-Josef Degenhardt erinnern.
Ein Leben beginnt, brüderlich gleich und frei
Keiner duckt mehr den Rücken krumm
Die Erde, sie wird von uns instand besetzt
Dass allen Menschen gleich, sie Heimat sei.
BERND KÖHLER UND EWO2
In den 70er und 80er Jahren wurde Bernd Köhler, Mannheimer Liedermacher, durch Auftritte unter seinem Spitznamen „Schlauch“ bundesweit bekannt. Er spielte bei außerparlamentarischen Aktionen und Demos, bei gewerkschaftlichen und betrieblichen Kämpfen, linken Festivals und trieb dabei „manches Folk-Festival an den Rande des Wahnsinns, wenn er sich auf der Bühne abarbeitete. Nicht mit Steinen und Sturmmaske - seine Waffe war schärfer: Seine Gitarre und seine erbarmungslosen Texte waren bei Freunden beliebt und bei seinen Gegnern gefürchtet" hieß es einmal in einer Konzertkritik.
Die „Wende“ und das verschwinden des „Realsozialismus“ ließen ihn dann erst einmal verstummen. 2007 veröffentlichte er nach langer Pause eine vielbeachtete Solo-CD. 2009 erhielt er mit der Gruppe ewo2 für die Produktionen „avanti popolo” den „Preis der deutschen Schallplattenkritik”. Neben Eigenkompositionen zählen vor allem Bearbeitungen Lieder der internationalen Arbeiterbewegung zu seinem Repertoire.
Ewo 2 das sind neben Bernd Köhler (Gesang), Hans Reffert und Jan Lindqvist (Gitarren),Laurent Leroi (Akkorden) und Adax Dörsam (diverse Saiteninstrumente), Christiane Schmied (Synthesizer) sowie Joachim Romeis (Geige) und Margit Romeis (Gesang). Wer also angesichts der Abkürzung (ewo2 - das kleine elektronische weltorchester) Musik im postmodernen Elektro-Sound erwartet, täuscht sich: Die Instrumentierung ist klassisch – liedermacherisch.
Das hier besprochene aktuelle Album von Bernd Köhler und ewo2 wurde im Mai 2015 zur CD des Monats der Liederbestenliste gewählt. ( Diese „Liedermacher-Charts“ gibt es seit 1984; bis 2003 angesiedelt beim öffentlich-rechtlichen SWF / SWR, wird sie seitdem vom Deutschsprachige Musik e.V. getragen. www.liederbestenliste.de).
In der Begründung der Jury heißt es: „Dass Bernd Köhler seine überwiegend linkspolitischen und antimilitaristischen Meinungen noch immer bemerkenswert frisch präsentieren kann, ist gleichermaßen seinem geschärften Blick wie der tagesaktuellen Lage zu verdanken. Denn die Einschläge, wer mag ihm da widersprechen, kommen tatsächlich näher. Und sie werden derzeit mehr, nicht weniger. (…) Ja, es ist kaum abzustreiten, viele von uns haben sich längst einlullen lassen, zurückgezogen in uns selbst hocken wir in unseren Wohnungen, haben kapituliert, kommen kaum noch heraus. Nicht aus uns selbst und schon gar nicht mehr auf die Straße.“
Das zu ändern, ist ein Anliegen dieser CD: „… dass ihr euch endlich besinnt und dafür sorgt, dass die Spirale aus Hass und Gewalt, Elend und Not, ein Ende nimmt, endlich ein Ende nimmt.“
Bernd Köhler und ewo2
In dieser Straße - das waterboarding-syndrom
Erschienen ist die CD in der Reihe JumpUp-Productions (Bestellnummer JUP 35)
15,00 € zzgl. Versandkosten
Bestellungen bei Bernd Köhler über:
Oder über JumpUp:
Alle Texte sind in einem 32-seitigen Booklet
Text: Günther Stamer