Der Kommentar

27.01.2023: Annalena Baerbock ist im Krieg mit Russland. Olaf Scholz sagt nein und wirbt um Vertrauen in seine Regierung.
Ein Kommentar von Leo Mayer (Redaktion kommunisten.de)


"Vertrauen Sie der Regierung, vertrauen Sie auch mir", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am Mittwoch im Bundestag, direkt an die Bürgerinnen und Bürger gewandt. Viele Menschen in Deutschland hätten Angst vor einer militärischen Eskalation. Zuvor hatte er mitgeteilt, dass Deutschland in einem ersten Schritt der Ukraine 14 Kampfpanzer vom Typ "Leopard 2 A6" liefern sowie anderen Staaten die Genehmigung zur Lieferung eigener "Leopard"-Panzer erteilen werde. Die Lieferung von Kampfflugzeugen schloss Scholz kategorisch aus. Auch "Boden(!)truppen werden wir in keinem Fall schicken“. Die Bundesregierung werde immer darauf achten, dass wir keine Kriegspartei werden. Es dürfe keinen Krieg zwischen Russland und der NATO geben.

Da ist Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schon einen Schritt weiter. Sie verkündete während der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg am Dienstag: "Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland" ("We are fighting a war against Russia").

"Ja, wir müssen mehr tun, auch in Bezug auf Panzer. Aber das Wichtigste und Entscheidende ist, dass wir es zusammen tun - und nicht Schuldzuweisungen machen in Europa. Denn wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander."
Annalena Baerbock, 17.1.2023

Ein "verrutschtes Statement" beruhigt uns das ZDF. Es handle sich nicht um eine Kriegserklärung, denn die würde "kaum mal in einem Nebensatz der Außenministerin fallen". Das Außenministerium betonte auf eine Anfrage des ZDF nur noch einmal gebetsmühlenartig, dass die Lieferung von Waffen "Deutschland nicht zu einer Konfliktpartei" machen würde. Auch "Expert:innen" und "Leitmedien" beruhigen die Bevölkerung: Die Lieferung der Kampfpanzer sei völkerrechtlich zulässig, Deutschland befinde sich nicht im Krieg mit Russland.

"Besonders ärgerlich finde ich, dass die deutschen Sicherheitsinteressen und die Gefahren für unser Land durch eine Ausweitung und Eskalation des Krieges so wenig beachtet werden. Das zeugt von einem Mangel an Verantwortungsbewusstsein."
General a. D. Harald Kujat

Inzwischen ist die Debatte aber schon wieder einen Schritt weiter. Die US-Regierung und Frankreich schließen die Lieferung von Kampfjets nicht mehr aus. Selensky-Berater Michail Podoljak, der bereits Angriffe auf die Städte Moskau, Sankt Petersburg und Jekaterinburg ankündigt, ist sich sicher, dass auch Langstreckenraketen geliefert werden. "Und wir werden, da bin ich mir sicher, ohne jeden Zweifel eine Einigung über Langstreckenraketen erzielen", verriet er dem britischen Telegraph. "Nur mit diesen Raketen wird es möglich sein, fast die gesamte Infrastruktur der russischen Armee im Hinterland zu zerstören." [1]

Da informiert uns denn auch gleich ein "Experte" in der Tagesschau, dass die Lieferung von Kampfjets keine Beteiligung am Krieg darstellen würde. Selbst wenn sie von deutschen Piloten geflogen würde wäre dies " völkerrechtlich legitim". Zur Erinnerung: Bundeskanzler Scholz hat ausdrücklich von "Bodentruppen" gesprochen, die "wir in keinem Fall schicken" würden.

"Die Grundsätze zur Beteiligung am Konflikt gelten auch analog bei einer möglicherweise anstehenden Debatte um die Lieferung von Kampfjets: Eine Lieferung von Gerät und Waffensystem alleine wäre keine Beteiligung am Krieg sondern lediglich eine Unterstützung. Das Eingreifen, etwa durch Piloten der Luftwaffe, oder Missionen vor Ort wäre dann aber anders zu beurteilen. Beides jedoch wäre vom Selbstverteidigungsrecht der Ukraine umfasst und damit völkerrechtlich legitim.
Tagesschau, 26.1.2023, [2]

Fraglich nur, ob Moskau das genauso sieht und sich nach der Völkerrechtsinterpretation aus Berlin richtet. Beim Überfall auf die Ukraine war dem Kreml das Völkerrecht ziemlich gleichgültig. "Alles, was die Allianz und die von mir erwähnten Hauptstädte (Europas und der USA) tun, wird in Moskau als direkte Beteiligung am Konflikt aufgefasst", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow.

Häufig wird die gegenwärtige Entwicklung mit den Ereignissen verglichen, die zum Beginn des Ersten Weltkriegs führten. "Die Schlafwandler – Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog" ist der deutsche Titel eines Sachbuchs des australischen Historikers Christopher Clark.

Doch heute sind keine "Schlafwandler" unterwegs, sondern die Welt wird bewusst Schritt für Schritt in einen großen Krieg mit Russland geführt. Für den 14. Februar ist das nächste Waffenstellertreffen der "Ramstein-Runde" einberufen. Und je länger der Krieg dauert, desto größer wird das Risiko einer Ausweitung oder Eskalation. Dabei sollte bewusst sein, dass auch ein konventioneller Krieg nicht zu gewinnen ist, sondern nur unermessliche Zerstörungen auf beiden Seiten zur Folge hat.

Anstatt immer mehr Waffen zu liefern, sollte sich die Bundesregierung für eine internationale "Friedens-Koalition" engagieren, anstatt für "Panzer- und Kampfjet-Koalitionen"; politisch-diplomatischen Initiativen für die Wiederaufnahme der im Frühjahr vergangenen Jahres abgebrochenen Verhandlungen ergreifen. Seither sind Zehntausende getötet worden und die militärische Situation hat sich nicht wesentlich verändert. Ob noch einmal der Selensky-Vorschlag von Ende März zur Debatte steht oder der für beide Seiten deutlich schlechtere Plan, den Henry Kissinger beim Weltwirtschaftsforum in Davos vorgestellt hat, sei dahin gestellt. Sicher ist nur, dass die Waffenlieferungen nur eines bedeuten, nämlich dass der Krieg sinnlos verlängert wird, mit noch mehr Toten auf beiden Seiten und der Fortsetzung der Zerstörung der Ukraine – und der Gefahr einer nuklearen Katastrophe.

Es sollte jeden alarmieren, dass das Bulletin of the Atomic Scientists seine berühmte Weltuntergangsuhr am Mittwoch auf 90 Sekunden vor Mitternacht umgestellt hat. Das ist der niedrigste Wert, den das von Albert Einstein gegründete Institut jemals gemeldet hat. Noch nie war die Gefahr eines atomaren Konflikts mit all seinen verheerenden Folgen nach Ansicht der Wissenschaftler:innen so groß wie heute.[3]

Und NEIN Herr Scholz, ich vertraue weder Ihrer Regierung noch Ihnen.

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Fußnoten

[1] The Telegraph, 25.1.2023: Ukraine expecting long-range missiles next after West finally sends its tanks
https://www.telegraph.co.uk/world-news/2023/01/25/ukraine-expecting-long-range-missiles-next-west-finally-sends/

[2] Tagesschau, 26.1.2023: Wann wird Deutschland "Kriegspartei"?
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/leopard-kriegspartei-101.html

[3] Bulletin of the Atomic Scientists, 24.1.2023: A time of unprecedented danger: It is 90 seconds to midnight
https://thebulletin.org/doomsday-clock/current-time/


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