12.08.2017: Ver.di will umbauen. Nach der Zusammenlegung von Bezirken sollen nun aus 13 Fachbereichen (FB) 4 werden. Dazu einige Gedanken von mir als Ehrenamtlichem aus dem FB 9 und dem Ortsvorstand in einer 50.000-Einwohner-Stadt mit ländlichem Hinterland. Dies sei erwähnt, da andere Umfelder auch zu anderen Gedanken führen mögen.
Vorne weg: ver.di ist kein Konzern wie die Telekom, der jährlich 3 Mrd. Dividende ausschüttet. Ein solches Einsparpotential gibt es nicht, man muß mit den Beiträgen auskommen. Und wenn zunehmend prekär beschäftigt und schlecht bezahlt wird, dann drückt das auch die Beitragseinnahmen. Skepsis besteht bezüglich Zusammenlegungen von Bezirken etc. auch deshalb, weil für viele mehr Reiseaufwand entsteht, von voll im Berufsleben Stehenden kaum noch bewältigbar.
Wer die ver.di-Gründung miterlebte weiß, weshalb Strukturen mit 13 FB geschaffen wurden. Die kleineren Gewerkschaften wollten und sollten sich mit ihrer Tradition und Fachlichkeit auch organisatorisch wiederfinden, nicht in einer vergrößerten ÖTV untergehen. Da war es z.B. für die früheren Postgewerkschafter wichtig, nicht nur aus Gewohnheit auf der 4. Ebene, der untersten, eigene Kassen zu haben. Nicht on top, sondern zu Lasten der Personalschlüssel ihrer FB.
Wenn heute dann u.U. in zwei Bundesländern 1 ½ Sekretäre einen FB beackern, werden vor allem außerhalb von Ballungsgebieten Grenzen deutlich. Hier FB zu vereinen und größere „Pools“ auch von Hauptamtlichen zu schaffen erscheint sinnvoll. Auch die angedachte Aufteilung. Das Gesundheitswesen bliebe als wachsender Bereich mit großem Potential selbständig, Handel, Post und Logistik wachsen in der Praxis auch zusammen, ein Fachbereich repräsentierte im Wesentlichen den Öffentlichen Dienst, ein anderer private Dienstleistungen in Bereichen, die immer mehr durch die Digitalisierung geprägt sind.
Die Musik spielt bei ver.di vorrangig in den Betrieben, in denen Betriebs-, Personalräte und Mitarbeitervertretungen sowie Vertrauensleutestrukturen zumindest möglich sind. Aber zunehmend muß man in die Bereiche rein, wo 20 und weniger Menschen beschäftigt sind. Auch dazu bedarf es auf der 4. Ebene, sowohl in den FB als auch in der Gesamtorganisation, arbeitender Zusammenschlüsse. Ehrenamtlichkeit kann sich nicht darauf beschränken, daß in Gremien höherer Ebenen überwiegend freigestellte Betriebs- und Personalräte aktiv sind. Wo vor Ort an der Basis zu wenig läuft, weil zwar auf Bezirksebene zahlenmäßig genügend Aktivisten vorhanden sind, die Fahrtstrecken aber zu groß, böten größere FB neue lokale Chancen.
Betriebliche und gesellschaftspolitische Kämpfe werden nicht mehr alleine in den „großen Buden“ gewonnen werden. Auch deshalb wird die zu oft brach liegende Arbeit der Ortsvorstände wichtiger. Hier wird sich aber zu wenig tun, wenn nicht auch hauptamtliche Ressourcen zu deren Stärkung in den Bezirken bereitgestellt werden, damit ver.di im öffentlichen Bewußtsein vor Ort ein Faktor wird, der betriebliche Kämpfe von außen unterstützt, ins politische Geschehen eingreift und als Ansprechpartner der abhängig Beschäftigten, auch der Beschäftigten und Mitglieder in Kleinbetrieben, präsent ist, auch in den Medien. Ohne Ressourcen, die – siehe oben – zwangsläufig zu Lasten der FB gehen, wird sich hier wenig bewegen. Wird das nicht jetzt angegangen, ist es 2022 vielleicht zu spät. Wer will dann schon wieder umbauen?
Nicht aus Selbstsucht, sondern weil man nie und nirgends genug Personal haben wird, um allen Anforderungen der Mitglieder an Hauptamtliche gerecht zu werden, werden die FB dann ihre „Bestände“ gegen die „Ebene“ verteidigen. Das Ziel von ver.di, eine ehrenamtlich geführte Gewerkschaft der aktiven Mitglieder zu sein, steht und fällt auch mit dem realen Sein oder Nichtsein der 4. und ehrenamtlichen Ebene. Gute Erfahrungen des DGB mit seinen ehrenamtlichen Kreisvorständen könnten hier einfließen.
Volker Metzroth