25.12.2013: Wer sich Hoffnung machte, dass mit dem Fall Chodorchowskij ein Zeichen der GroKo gesetzt wurde, wie künftig mit hierher flüchtenden Regimekritikern verfahren wird, wird enttäuscht werden. Denn es kommt erstens immer darauf an, welches Regime kritisiert wird.
Ist es das Regime amerikanischer Geheimdienste, wird der Regimegegner um den Erdball gejagt, ist es dagegen das Regime Putin, gibt es einen Privatjet, Hotel Adlon und lukrative Jobangebote.
Zweitens kommt es darauf an, wer da flüchtet. Im Falle von Tausenden Menschen, die vor Krieg, Hunger und Verfolgung fliehen, ist der Tod im Mittelmeer einkalkuliert, günstigstenfalls menschenunwürdige Unterbringung und entwürdigende Lebensumstände hier. Im Falle Chodorchowskij aber mediale Aufmerksamkeit und Zugang zu hier deponiertem Vermögen.
So schreibt die SZ vom 24.12.13: "Kein armer Mann – deutsche Fahnder entdecken, dass der russische Putin-Gegner auf einem Off-Shore-Konto 17 Millionen Dollar deponiert hat".
Nach eigenen Angaben kennt der Putin-Gegner Chodorchowskij seine finanziellen Verhältnisse nicht so genau, meint aber: "Das Geld reicht mir zum Leben". Deutsche Steuerfahnder entdeckten 2010 bei einer Durchsuchung der Schweizer Privatbank Julius Bär eine Geldspur, die zu Chodorchowskijs Millionenvermögen auf einem Off-Shore-Konto führte. Ein Münsteraner Oberststaatsanwalt hielt es sogar für angebracht, ein Verfahren wegen des Anfangsverdachtes der Geldwäsche einzuleiten.
Schon 2011, also 5 Jahre nach der Zerschlagung von Yukos, dessen Chef Chodorchowskij früher war, bezifferte das mit Reichtumsschätzungen erfahrene Magazin FORBES sein Vermögen auf 2,2 Milliarden Dollar. Sehr unwahrscheinlich, dass er sich diese im Straflager erarbeitet hatte, in dem er nicht wegen Regimekritik, sondern u.a. wegen angeblicher Unterschlagung und Steuerhinterziehung seine Haft zubringen musste.
Jetzt erfolgte nach der vorzeitigen Freilassung – wie hinterhältig von Putin: "ein
zynisches Angebot – 2003 wurde Yukos-Chef Chodorchowskij festgenommen. Rosneft schluckte den Konzern und bietet ihm nun einen Job" (Originalton SZ 24.12.13) Und weiter: "Nach der Begnadigung ... legte Igor Setschin noch eins drauf und bot Chodorchowskij an, bei Rosneft zu arbeiten" (SZ).
Von dieser Art Zynismus können Edward Snowden, oder die Cuban Five nur träumen. Letztere haben exilcubanische Terrorgruppen aufgeklärt, die Anschläge in Cuba planten und sitzen dafür seit Jahren im US-Knast. Keines solcher "zynischen Angebote" hatte sie je erreicht, von einem Privatjet und Aufenthalt im Hotel Adlon ganz zu schweigen. Wie gesagt: es kommt halt immer darauf an, wer wen kritisiert.
Text: Walter Listl Foto: wikimedia