15.09.2013: Wir, die Mitglieder der DKP-Gruppe Elmshorn hatten diskutiert und entschieden, wir fertigen ein Transparent und gehen auf die Straße, sobald der Kriegseinsatz der US-Armee in Syrien beginnt. Die Orientierung des Kasseler Friedensratschlages zu solchen Aktionen war aus unserer Sicht die notwendige Reaktion gegen den geplanten Bruch des Völkerrechts durch den US-Präsidenten und Friedens-Nobel-Preisträger Obama. Zwei Tage später verschoben wir zunächst die Malerei des Transparents. Selbstverständlich gibt es immer noch genügend Gründe, gegen diesen Krieg in Syrien zu protestieren, der 100.000 Tote bisher zu beklagen und solche Grausamkeiten wie den Einsatz von Giftgas gegen unschuldige Menschen zu verantworten hat. Dies ist längst kein Bürgerkrieg mehr, es ist ein Kampf um Machtposition in dieser ökonomisch und politisch wichtigen Region dieser Welt. Dabei ist auch zu beachten, dass diese Weltordnung des neoliberalen Kapitalismus selbst Bestandteil der umfassenden Krise dieses Systems ist. Auch das ist eine Quelle vieler Konflikte.
Die Hoffnung und Erwartung vieler Völker auf ökonomisches Wachstum und mehr soziale Sicherheit und demokratische Rechte wurden in der Realität vom Gegenteil geprägt. Mehr Armut und Unterentwicklung, keine positiven Zukunftsmöglichkeiten. Größer werdende Teile der Bevölkerung in dieser Region können und wollen so nicht mehr leben. Die Widersprüche brechen auf, Konflikte eskalieren, es kommt zu Revolten, zur Auswechslung von Regierungen oder auch zum Krieg, wie in Syrien.
Entscheidend für den Verlauf und die Ergebnisse solcher Konflikte sind bisher allerdings nicht die Bedürfnisse der Aktivisten von Bewegungen oder der Völker selbst, sondern die Interessen der ökonomisch und politisch Mächtigen in dieser Weltordnung. Es war in Libyen, Ägypten und Tunesien möglich, mit Geldmitteln, Militärmacht und durch Abhängigkeiten unterschiedlicher Art gewünschte politische Konstellationen durchzusetzen, die diese Machtinteressen vor allem des transnationalen Kapitals sicherten.
Die aktuellen Ereignisse um den Syrienkonflikt signalisieren zumindest wichtige Veränderungen im internationalen Rahmen. Bevölkerungen der bisher kriegstragenden imperialistischen Staaten wie USA, England, Frankreich und der BRD lehnen mehrheitlich Kriege und Kriegsbeteiligung ab. Regierungen haben Legitimationsprobleme, Kriege durchzuführen. Die bisher übliche Kriegspropaganda hat nicht mehr die Wirkung, wie es z.B. in Irak, in Jugoslawien oder in Afghanistan in der Vergangenheit möglich war, um völkerrechtswidrige Kriege scheinbar zu legitimieren.
Weitere Gründe für Veränderungen im Denken und Handeln vieler Menschen sind auch in der Zuspitzung ökonomischer Krisenerscheinungen mit weltweiten Auswirkungen zu sehen, und in den vielfältigen Krisenerscheinungen des neoliberalen Kapitalismus selbst, wie die DKP es im Beschluss des 19. Parteitags und im Entwurf des Antrags des PV vom 20. Parteitag zu den Vorstellungen zur Auswirkung der Krise analysiert hat.
Es ist eine Krise, die durch ökonomische, ökologische, soziale, moralische, demokratische Widersprüche, die oft parallel wirken, gekennzeichnet ist. In ihr wirken Klassenwidersprüche, religiös motivierte Kämpfe, Rassismus und Chauvinismus. Auch das können wir in Syrien zumindest in Teilaspekten erkennen. Die sich aufdrängende Frage ist vor allem, wie kann dieser Konflikt wie auch die anderen, wie z.B. in Tunesien, Ägypten oder Libyen, gelöst werden. Entscheidend wird langfristig eine Antwort sein, wie Kräfteverhältnisse sich entwickeln, z.B. in den neoliberalen Staaten selbst. Kommt es zu Veränderungen im neoliberalen System zu deutlich reaktionäreren Formen der Machtgestaltung auch im internationalen Rahmen oder setzen sich fortschrittliche Kräfte stärker durch.
Ganz offensichtlich zeigt sich im Agieren Russlands, Chinas und in den veränderten Möglichkeiten des Wirkens der US-Regierung, dass es Veränderungen in dieser Weltordnung gibt. Hier zeigt sich, dass Entwicklungen auf dem lateinamerikanischen Teilkontinent Auswirkungen im internationalen Rahmen haben.
Die bisherigen Möglichkeiten, die Eskalation des Krieges in Syrien durch US-Kriegsbeteiligung zumindest zeitweilig zu verhindern, ist in dieser Hinsicht ein ermutigendes Signal, das allerdings keine Illusion über die anhaltende Aggressivität des neoliberalen Kapitalismus zulassen sollte.
Heinz Stehr