06.06.2013: Von der Türkei bis zur iberischen Halbinsel sind in den vergangenen Tagen viele Tausend Menschen auf die Straße gegangen. In Istanbul wurde aus dem lokalen Widerstand gegen den Bau eines Einkaufszentrums mittlerweile heftiger politischer Protest gegen die Regierung Erdogan und die AKP. Der Rücktritt der Regierung wird gefordert, die Menschen wenden sich gegen den zunehmenden Abbau politischer Rechte und die Islamisierung des Landes. Die Polizei versuchte in den vergangenen Tagen immer wieder die Protestaktionen zu unterbinden. Dabei wurde auch der Tod von Menschen in Kauf genommen.
In anderen Ländern gab es dagegen neue Aktionen gegen die Austeritätspolitik. Während in Frankfurt am Main am vergangenen Sonnabend die Polizei Demonstrierende einkesselte und mit extremer Gewalt gegen Teile der Blockupy-Demonstration vorging, folgten dem Aufruf für einen internationalen Protesttag gegen die Sparpolitik der Troika (EU-Kommission, Internationalen Währungsfonds und Europäischer Zentralbank) vor allem in Spanien und Portugal viele Menschen.
Allein auf der iberischen Halbinsel fanden fast 100 Demonstrationen statt. In der portugiesischen Hauptstadt Lissabon und in anderen Großstädten des Landes gingen am Sonnabend Tausende auf die Straße. Sie zogen zum von der Polizei abgeriegelten Büro des Internationalen Währungsfonds (IWF) und forderten – neben einem Ende des EU-Spardiktats – auch den Rücktritt von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho und seiner konservativen Regierung. Zur Aktion hatte die Bewegung „Que se lixe a troika“ („Zum Teufel mit der Troika“) aufgerufen. An den Demonstrationen im Lande beteiligten sich die PCP und andere linke Parteien ebenso wie die größte portugiesische Gewerkschaft CGTP. Die Beteiligung war zwar dieses Mal geringer als bei den Protestaktionen im März. Damals gingen etwa 1,5 Millionen Menschen auf die Straße. In Analysen wird aber darauf verwiesen, dass nicht wenige Menschen – und nicht nur in Portugal – frustriert darüber sind, dass ihre Forderungen von den Regierenden missachtet werden und statt dessen Renten und Gehälter gekürzt, die Arbeitszeit erhöht und aktuell 30 000 Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes entlassen werden sollten. Die CGTP ruft jetzt zu einem Generalstreik am 27. Juni auf und dieses Mal wird wahrscheinlich auch die sozialdemokratische UGT mitmachen.
In Madrid zogen die Demonstranten zur Vertretung der EU-Kommission. Sie machten die Troika für die wirtschaftliche Lage ihres Landes verantwortlich und wandten sich gegen die eigene konservative Regierung. Deren Chef Rajoy will innerhalb von drei Jahren 150 Milliarden Euro einsparen. Auch in Frankreich und Italien waren an diesem Tag Proteste geplant.
Dass europaweiter gemeinsamer Widerstand möglich ist, zeigte auch dieser Aktionstag.
Nina Hager ( UZ vom 07.06.2013)