03.01.2013: "Sechs Stunden sind genug für die Arbeit. Die anderen Stunden sagen zum Menschen: LEBE!" - Was wie die Kurzfassung des Antrags "Arbeitszeit verkürzen!" des Parteivorstandes der DKP an den 20. Parteitag klingt, schrieb der griechische Schriftsteller Lukian schon vor fast 2 000 Jahren nieder. Wobei er sicher wenig von steigender Produktivität und nichts von Überproduktionskrisen wusste, wohl aber von den Bedürfnissen arbeitender Menschen. Das Bedürfnis der Kapitalisten hingegen, den Arbeitstag immer weiter auszudehnen, erklärte Karl Marx aus den Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus heraus und charakterisierte die Praxis dabei u. a. so: "Jede Schranke von Sitte und Natur, Alter und Geschlecht, Tag und Nacht, wurde zertrümmert.
Mit endlosen Kämpfen setzte die Arbeiterbewegung Verbesserungen durch, deren Glanzlichter die 35-Stunden-Woche, der 8-Stunden- Tag und die 5-Tage-Woche waren, auch das freie Wochenende in vielen Branchen und sechs Wochen Urlaub. Endlos waren und sind diese Kämpfe aber nicht nur weil sie seit über 150 Jahren geführt werden, sondern auch wegen der ständigen Versuche des Kapitals, die Uhr wieder zurück zu drehen.
Längst arbeiten Vollzeitbeschäftigte im Schnitt wieder über 41 Stunden in der Woche. Das ohne zunehmende nicht erfasste Überzeiten an Handy, Laptop etc. nach Feierabend, am Wochenende und im Urlaub. Das reicht der Bourgeoisie aber nicht.
Zur Erinnerung: Bei der fordistischen Fließbandarbeit wurden zunächst ca. 45 Sekunden pro Minute ausgenutzt, die japanische Autoindustrie steigerte das auf 57 Sekunden. Da war und ist noch nicht mal mehr Zeit zum Schneuzen in den Jackenärmel, geschweige ins Taschentuch. Wie Unternehmer „Leerlaufzeiten“ im nichtindustriellen Bereich zu beseitigen gedenken, schildert eine aktuelle Pressemitteilung des DGB zu den gescheiterten Verhandlungen über eine neue EU-Arbeitszeitrichtlinie und warnt mit Beispielen. So könnte die Zeit zwischen der Einlieferung und Versorgung zweier Patienten in einer Notfallambulanz plötzlich „Freizeit“ sein oder die im Fachgeschäft zwischen der Bedienung zweier Kunden. Zwei Absichten werden erkennbar: Zum einen die Ausdehnung der täglichen gesetzlichen Höchstarbeitszeit über zehn Stunden, da in „erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst“ (§ 7 Arbeitszeitgesetz) anfalle. Ähnliche Versuche sind vielfältig, z. B. die Nichtanrechnung von Fahrtzeiten von Beifahrern bei Arbeiten mit wechselnden Einsatzorten. Zum anderen sollen solche Zeiten wie auch die für innerbetriebliche Wege, notwendige Arbeitsübergaben etc. überhaupt nicht mehr zu bezahlen sein.
Zu den subjektiven Hindernissen im Kampf um Arbeitszeitverkürzungen gehört die Resignation vieler Beschäftigter gerade wegen überlanger Arbeitstage und krank machender Belastung. Deshalb ist auch unser Einsatz als Gewerkschafter gefragt, insbesondere bezüglich der Einhaltung von Gesetzen und Tarifverträgen. Ebenso in der Kommunalpolitik, wenn sich bürgerliche Politiker mal wieder für „Mitternachtsshopping“ und verkaufsoffene Sonntage vor den Karren ruinöser Konkurrenz im Einzelhandel spannen lassen. Oder wenn Medien darüber jubeln, dass Weihnachtspakete am Sonntag vorm 24. 12. zugestellt werden mit dem zynischen Verweis darauf, Krankenschwestern und Feuerwehrleute müssten ja sonntags ebenfalls arbeiten. Der Kampf um die Verkürzung der Arbeitszeit wird gerade in der Krise in vielen Bereichen mit der Abwehr weiterer Verschlechterungen beginnen bzw. fortgeführt müssen.
Fehlende Arbeitsplätze, auch für junge Menschen nach der Ausbildung, krank machende Arbeitsbedingungen, immer weniger Zeit für Familie, Freunde und gesellschaftliches Engagement, weniger gemeinsame Freizeit und ein die Frauen diskriminierendes überkommenes Normalarbeitsverhältnis mit dem Mann als Voll- und der Frau als Hinzuverdiener sind mit die Folgen gesellschaftlich unnötig langer Arbeitszeiten. Mitte der siebziger Jahre lag der Anteil der Arbeitseinkommen am Volkseinkommen bei knapp 75 Prozent, heute knapp über 60 Prozent. Eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich würde in etwa wieder dieses Verteilungsverhältnis herstellen, dabei aber in keiner Weise die kapitalistische Ausbeutung der Arbeitskraft als Quelle des Reichtums der Millionäre und Milliardäre abschaffen.
Je näher die Bundestagswahl kommt, umso mehr tönen Kapital und Kabinett, „uns“ ginge es ja gut, „wir“ seien besser als andere durch die Krise gekommen. Die ökonomischen Fakten sprechen eine andere Sprache, derzeit vor allem in der Automobilbranche, und nicht nur bei Opel und Ford. Nach den Erfahrungen 2008 und danach erschallt wieder der Ruf nach Kurzarbeit. Den sollten wir aufgreifen und darauf hinweisen, dass Kurzarbeit im Kern nichts anderes ist als Arbeitszeitverkürzung, aber zu Lasten der Beschäftigten, der Beitragsund der Steuerzahler. Der Antrag des Parteivorstands gibt die richtige Orientierung:
„Mit einer radikalen Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich kann die Massenarbeitslosigkeit und soziale Verelendung großer Teile der Bevölkerung aktiv beendet, bzw. verhindert werden. Diese kann nicht allein Sache von Tarifpolitik sein, sondern muss zudem Gegenstand eines gesellschaftlichen Kampfes um gesetzliche und tarifvertragliche Regelungen sein. Die Überzeugung der Menschen in Betrieben, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen für dieses Ziel zu kämpfen ist die Voraussetzung für einen Erfolg.“
Gastkolummne von Volker Metzroth (aus der UZ vom 04.01.13)