25.10.2012: Beim sogenannten Arbeitgebertag der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) am 16. Oktober trafen sich in Berlin jene, die wirklich Macht haben in Deutschland. Das politische Personal lauschte andächtig und zeigte sich dienstbeflissen. Nicht weniger als eine gesetzliche „Tarifeinheit“ forderten die Hundt und Co., und Kanzlerin Merkel versprach, am runden Tisch mit allen Beteiligten an einem Abend alles lösen zu können. SPD und Grüne, derzeit zweite Reihe an den Trögen, da ist Opposition wohl der falsche Begriff, sagten ihre Unterstützung zu. Aber nicht nur ver. di lehnte den Versuch ab, das deutsche Arbeitskampfrecht noch weiter zu beschneiden.
Das Bundesarbeitsgericht revidierte 2010 seine Rechtsprechung, nach der eine sogenannte Tarifeinheit im Betrieb und damit nur ein Tarifvertrag galt. Eine für die Mitgliedschaft überraschende gemeinsame Initiative von DGB und BDA kurz nach dem DGB-Bundeskongress zielte darauf ab, die Tarifeinheit gesetzlich zu regeln. Da dies eine weitere Einschränkung des deutschen Arbeitskampfrechts und erstmals eine gesetzlich geregelte Friedenspflicht der Gewerkschaften befürchten ließ, wurde die Beteiligung der Gewerkschaften gestoppt. Eine breite Diskussion vor allem in ver.di war ausschlaggebend, Frank Bsirske erklärte noch vor dem Bundeskongress seiner Organisation deren Ausstieg. Namhafte Verfassungs- und auch Arbeitsrechtler wie Prof. Däubler hatten zudem das Ziel der Initiative als nicht vereinbar mit dem Grundgesetz bezeichnet. Auch europäisches Recht sieht anderes vor. Zur Untermalung der Unternehmerforderung zeigte der SWR am Abend einen Beitrag, nach dem z. B. bei der BASF mit ihren Dutzenden Berufsgruppen zu befürchten sei, dass der Betrieb von Streik zu Streik taumele, weshalb sich auch der rheinland-pfälzer BDA-Boss Simon so vehement für die Tarifeinheit einsetzte. Von Streik zu Streik taumeln, das kann man in einem Land, in dem mit fünf Streiktagen pro 1 000 Beschäftigte im Jahr nicht mal ein Sechstel des Wertes der USA erreicht wird, ein Zwanzigstel des Französischen, als Halluzination abtun. Zumal Streik immer mit Opfern für die Streikenden verbunden ist und niemand aus „Spaß und Dollerei“ zu diesem Kampfmittel greift. Tarifeinheit, ein Betrieb, ein Tarifvertrag für alle, ist es das, was die Unternehmer wollen? Aber bitteschön, sie haben es doch über weite Strecken selbst in den Händen. Verzicht auf Ausgliederungen in einen schlechteren Tarifbereich unter Missbrauch des § 613 a BGB, Verzicht auf Leih- und Zeitarbeit zum halben Lohn der Stammbelegschaft, Verzicht auf Dumpingverträge mit „christlichen Gewerkschaften“, Verzicht auf schlechtere Bezahlung von Frauen, Verzicht auf „Beschäftigungsbrücken“ oder ähnliche Lohnsenkungsinstrumente für junge Beschäftigte und vor allen Verzicht auf Werkverträge, das alles schüfe Tarifeinheit.
Der ver.di-Sprecher Christoph Schmitz wird von der Tageszeitung „neues deutschland“ so zitiert: „Wir lehnen einen gesetzlichen Eingriff in die Tarifautonomie und das Streikrecht ab. Da, wo Tarifeinheit wünschenswert ist, wollen wir das mit gewerkschaftlichen Mitteln erreichen.“ Wir Kommunistinnen und Kommunisten sind für die Einheitsgewerkschaft. Neben der politischen Offenheit für alle (außer Faschisten und Rassisten) heißt das auch: ein Betrieb, eine Gewerkschaft, ein Tarifvertrag. Wir sehen deshalb im Agieren von Spartengewerkschaften eine Gefahr für die Einheitsgewerkschaft. Wir sehen aber auch, dass Spartengewerkschaften dort Chancen haben, wo Beschäftigte sich nicht durch DGB-Gewerkschaften vertreten fühlen. Unsere „Rezept“ dagegen heißt, durch Mitarbeit unserer Genossinnen und Genossen gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen die Gewerkschaften als kämpferische und autonome Klassenorganisationen stärken. Dann erreichen wir auch die Tarifeinheit, aber anders, als sich das die Herren Hundt, Simon und Konsorten sowie ihr politisches Personal in Berlin vorstellen.
Gastkolumne von Volker Metzroth in der UZ vom 26.10.12