10.05.2012: Über 30 000 junge Menschen waren am 11. Mai 1952 nach Essen gereist, um gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik und die Einbindung in ein westliches Verteidigungsbündnis zu demonstrieren. Menschen, die die Schrecken des Krieges miterlebt hatten und für eine friedliche Entwicklung in Deutschland eintraten. Die Karawane war für West- und Ostdeutschland geplant und die Sowjetunion hatte in eindringlichen Noten darauf hingewiesen, dass die Wiederaufrüstung die Spaltung Deutschlands zementieren würde.
So waren es nicht nur die Kommunisten und die Freie Deutsche Jugend, die diese Karawanen unterstützten, sondern viele christliche und sozialdemokratische Jugendorganisationen unterstützten sie ebenfalls. Vertreter der Bekennenden Kirche und andere Friedenskräfte stellten sich als Moderatoren zur Verfügung. Das alles passte jedoch nicht in das Konzept von Bundeskanzler Adenauer, der lieber „das halbe Deutschland ganz als das ganze Deutschland halb“ wollte.
Am 10. Mai verbot die NRW-Regierung mit fadenscheinigen Begründungen die Veranstaltung und beorderte ein Großaufgebot von Bereitschaftspolizei nach Essen. Diese waren auf harten Einsatz getrimmt, um mit allen Mitteln Demonstrationen zu verhindern. Nicht nur mit Schlagstöcken wurde auf die Jugendlichen brutal eingeschlagen, sondern es gab auch den Befehl, von Schusswaffen Gebrauch zu machen. Der Anmelder der Essener Veranstaltung, Arnold Haumann, Student der Theologie, späterer Pfarrer, schreibt dazu in seinen Erinnerungen „Gott mit uns“: „Einige unserer Jugendlichen sind bereits so verletzt, dass sie mit Krankenwagen abtransportiert werden müssen. Plötzlich werden aus der Menge Steine geworfen. Sofort gibt ein Polizeioffizier den Schießbefehl. Es wird gezielt in die Menge geschossen, nicht nur in die Luft. Tödlich getroffen, und zwar in den Rücken, wird Philipp Müller, ein Jugendlicher aus München. Mehrere sind verletzt.“ Und Herbert Mies, der in Essen dabei war, beschreibt in seinen Erinnerungen, dass außer dem Münchener Jungkommunisten zwei weitere Jugendliche aus Münster und Kassel lebensgefährlich verletzt wurden.
Philipp Müller ist das erste Todesopfer des Kalten Krieges. Ein später eingeleitetes Verfahren zu diesem Mord verläuft im Sande. Dafür wurden gegen viele Jugendliche Haftstrafen verhängt, hier handelte es sich gezielt um Mitglieder der FDJ.
Dem Resümee von Arnold Haumann möchte ich nichts hinzufügen: „Die makabere Frage bleibt unklar – obwohl es nach meiner Erfahrungen in den letzten Jahren nahe liegt – ob der Schuss auf Philipp Müller doppelt gezielt war, auf den Teilnehmer [der Karawane] und insbesondere auf ihn als Mitglied der verbotenen FDJ“
Kommentar von Peter Dürrbeck, Mitglied der Initiative der Opfer des Kalten Krieges, in der UZ vom 11.05.12, Foto: UZ
Aktionen zum 60. Todestag von Philipp Müller
Zu Philipp Müllers 60. Todestag hat sich in Essen ein Bündnis aus verschiedenen Organisationen gegründet, das in mehreren Aktionen an Philipp Müller und sein Anliegen erinnern will. In einem Aufruf heißt es:
„Wogegen Philipp Müller auf die Straße ging, ist eingetreten: Die Bundeswehr war beteiligt am völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien, sie führt seit zehn Jahren Krieg in Afghanistan. Deutschland ist beim Kriegstreiben in aller Welt mit von der Partie. Der Rüstungsetat der Bundesrepublik ist der zweitgrößte Haushaltsposten. Deutsche Rüstungsfirmen verkauften 2011 Waffen und Kriegsgerät für 2,1 Milliarden Euro ins Ausland – Deutschland ist zum drittgrößten Waffenexporteur der Welt aufgestiegen und heizt damit weltweit Krisen und Kriege an.“
Veranstaltungen in
Essen:
11. Mai
17.30 Uhr, Kranzniederlegung Rüttenscheider Brücke
19.00 Uhr, Beats against militarism!
Gedenkkonzert für Philipp Müller, Weststadthalle
12. Mai
11.00 Uhr
Gedenkdemonstration für Philipp Müller, Rüttenscheider Brücke
München:
11. Mai, 15:30Uhr
Demonstration
Treffpunkt: Bahnhof Aubing
Redner: Siegfried Benker, Stadtrat, DIE GRÜNEN
Demonstration zum Grab Phillipp Müllers am Aubinger Friedhof
Redner: der bekannte KZ-Überlebende und Freund Phillipp Müllers Martin Löwenberg
Am Friedhof wird zudem in der Aussegnungshalle ein kurzer Ausschnitt aus Martin Löwenbergs Film "Es kann legitim sein, was nicht legal ist", in welchem Philipp Müller vorkommt, gezeigt werden.
Gegen Ende, vorraussichtlich um ungefähr 17:15Uhr, wird die Demonstration dann in die Pappinstraße ziehen, in welcher Philipp Müller zu Lebzeiten gewohnt hat. Dort wird es eine symbolische Straßenumbenennung (von "Pappinstraße" in "Philipp Müller-Straße") geben.
Am Bahnhof Neuaubing endet die Demonstration.