22.12.2020: So wollte Douglas den Lockdown umgehen: Umfirmierung von Parfümerie zur Drogerie ++ negatives Medienecho und Shitstorm in den sozialen Netzwerken beenden die Trickserei
Amazon ist angeblich kein Versandhändler, sondern "bloß" ein Logistiker; deshalb will das Unternehmen auch nicht die Tarifverträge des hessischen Einzel- und Versandhandels anerkennen. Douglas wollte neuerdings auch keine Parfümerie mehr sein, sondern eine Drogerie. Dafür sorgte das allgegenwärtige und hartnäckige Corona-Virus. Nach bisherigen Erkenntnissen greift der Erreger durch seine unmittelbare Einwirkung die Lungen und andere Organe an, doch das Gehirn der Erkrankten bleibt glücklicherweise verschont.
Plötzlich "schädigte" das Pandemie- Virus die Douglas-Geschäftsführung derart, dass sie am Abend des 15. Dezember 2020 noch mit der "Parfümerie" zu Bett ging, um am anderen Morgen mit einer "Drogerie" aufzuwachen. Das war selbstverständlich nicht die unmittelbare, sondern die indirekte Auswirkung von Corona, besser: die ab 16. Dezember geltende neue hessische "Verordnung zur Beschränkung von sozialen Kontakten und des Betriebes von Einrichtungen und von Angeboten aufgrund der Corona-Pandemie".
Mit dieser Regelung hat die Hessische Landesregierung nicht zum ersten Mal, sondern eigentlich schon immer seit Beginn der Corona- Krise und den damit verbundenen Betriebsschließungen im Einzelhandel die Drogerien von dieser Form der Einschränkung ausgenommen.
Das scheint den Parfümist*innen um die ehemalige Opel-Managerin Tina Müller, heute Vorsitzende der Douglas Geschäftsführung, lange Zeit nicht aufgefallen zu sein. Oder sah sie darin nur eine "Spitzfindigkeit" der Corona-Verordnung und keinen erkenn- und nutzbaren Vorteil für Douglas? Der neueste Lockdown-Erlass scheint sie (endlich?) abrupt "wachgeküsst" zu haben. Keine Frage für die Unternehmerin: Letztlich zählt sicher auch für sie jeder Euro von verkauften, ätzend riechenden Klosteinen in der Hand mehr als der reizvollste, aber unveräußerliche Parfümduft auf dem Dach. Oder wurde der Coup zur Drogerie nicht erst nach solchen Überlegungen "werbetechnisch" gezielt vorbereitet?
Noch am 12. Dezember mahnte Douglas die tatsächlichen und möglichen Kund*innen: "Der nächste Lockdown ab dem 21.12. steht vor der Tür. Jetzt die letzte Chance wahrnehmen und Weihnachtsgeschenke kaufen."
Drei Tage später war die allgemeine Schließung des Einzelhandels ab 16. Dezember bereits verkündet. Douglas schwenkte zu den durch die hessische Corona-Verordnung weiterhin für den Verkauf freigegebenen "Abhol- und Lieferdiensten" um; zusammen mit dem Online-Handel werden sie beispielsweise unter dem Aspekt "Click & Collect" aufgezogen. Die Botschaft von Douglas: "So erhältst Du noch rechtzeitig Deine Geschenke. Express Reservierung. Trotz Lockdown – Produkte online in der Wunschfiliale reservieren & abholen."
Am 16. Dezember war in zahlreichen Douglas-Stores auch dieser Vertriebskanal "verstopft", weil sich Betriebsräte und Beschäftigte weigerten, sich ohne ausreichende Schulung und Garantie von ausreichenden Hygienstandards beim Abholservice in oder vor der Filiale den nicht sonderlich durchdachten Anweisungen zu dieser unsicheren Übergabe der Ware von den Verkäufer*innen an die Kund*innen zu unterwerfen.
Hinzu kam eine zusätzliche Verunsicherung, weil "eifrige" Filialleitungen die unzweideutige Forderung stellten, auch Produkte aus dem normalen Ladensortiment zu verkaufen, falls die Abholer*innen dies wünschten.
Die augenscheinlich unermüdlich über immer neue Wege zur Offenhaltung der Läden nachdenkende Douglas-Geschäftsführung scheint sich dann am Tag des Lockdown selbst angesichts des drohenden Imageverlusts zu dem Bäumchen-wechsle-dich-Spiel zur Drogerie ermutigt zu haben.
"Die Douglas-Filialen bieten überwiegend ... den Großteil eines klassischen Drogeriesortiments an"
Wie aber erkläre ich dies meinen Kund*innen und der Öffentlichkeit, hat Tina Müller vielleicht alpgeträumt. Oder es könnte ihr in schlafloser Nacht eingefallen sein, mal ein Wörterbuch der deutschen Sprache zu Rate zu ziehen. Gesagt, getan – und schnell hinausposaunt: "Der Duden definiert 'Drogerie' … als ein 'Geschäft, in dem nicht apothekenpflichtige Heilmittel, Chemikalien und Kosmetikartikel verkauft werden." Von dort war es zur "glorreichen" Schlussfolgerung nicht weit: "Die Douglas-Filialen bieten überwiegend Körperpflegeprodukte wie Cremes, Shampoo, Seife, Deodorants, Make-up, Parfüms und Hygieneprodukte und damit den Großteil eines klassischen Drogeriesortiments an."
Diesen Beweis erstaunlicher Wandlungsfähigkeit präsentierten Nicole Nitschke und Rico Raddao von der Douglas-Geschäftsführung in einer Branche, die bisher eher nicht damit warb, dass sie neben schönen Düften auch Klopapier und Windeln, Anti-Schuppen-Shampoo und Kernseife in rauen Mengen und – wie gesagt – zum "Großteil" anzubieten hätten.
"Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Feuer springt", bot vor gut fünfhundert Jahren der Prediger Johann Tetzel als Allheilmittel für jede Art von "Sünde" an. So ein Fehltritt wäre bestimmt auch die "Vorspiegelung falscher Tatsachen". Wer aber den Einzelhandel kennt, der erlebt immer wieder, dass es heute wohl keine "Sünde" mehr zu geben scheint, die groß genug wäre, sich ein gewinnträchtiges Geschäft deshalb "durch die Lappen" gehen zu lassen.
"Wir öffnen unsere Stores unter dem Kontext, dass wir eine Drogerie sind, .."
Offenbar war sich die Geschäftsführung unsicher, ob die Beschäftigten in den hessischen Douglas- Filialen nicht etwas überrascht und sehr unwillig sein könnten, wenn sie von der nächtlichen "Umwandlung" der Parfümerie erfahren würden. Deshalb verließ sie sich nicht auf die an dieser Stelle unklaren Worte des Duden, sondern auf eine befehlsmäßige Anweisung. "Wir öffnen unsere Stores unter dem Kontext, dass wir eine Drogerie sind, da wir das Sortiment des täglichen Bedarfs und der Grundversorgung haben", hieß es in dem ver. di in Hessen zugespielten Schreiben vom 16. Dezember, das vor offizieller Ladenöffnung noch allen Geschäften zuging, obwohl an diesem Tag bereits der Lockdown umfassend greifen sollte.
Handlungsanweisung für den Coup: Parfümerieartikel weg, Drogeriesortiment nach vorn |
Darin die Ansage ans Personal: "Bitte räumt folgende Artikel vor Öffnung Eures Stores von der Verkaufsfläche weg: Dekoartikel und Schmuck z.B. Douglas Bär, Tosh außer Lesebrillen, Baumschmuck. Im Eingangsbereich des Stores sollte primär unser Drogeriesortiment präsentiert werden, sodass klar ist, dass wir eine Drogerie sind."
Offenbar rechnete die Douglas-Geschäftsführung auch mit unangenehmen Kontrollen durch die Ordnungsämter der jeweiligen Städte. Wie darauf zu reagieren sei, stand ebenfalls in der Regieanleitung: "Gebt Euch bitte direkt aktiv als Mitarbeiter*innen zu erkennen und sprecht die Beamten an. Bitte keine aggressiven Gespräche führen und Auseinandersetzungen vermeiden. Erklärt den Beamten, dass es sich bei diesem Store um einen Drogeriestore handelt. Wir versuchen eine zwangsweise Verriegelung unserer Läden zu verhindern, indem wir den Beamten signalisieren, dass wir den Anordnungen Folge leisten. Bitte lasst Euch die Ausweise zeigen und notiert die Namen in der Protokollvorlage anbei. Falls die Beamten den Store schließen möchten, legt bitte bereits mündlich Widerspruch ein."
Und tatsächlich sollen an manchen hessischen Filialen sowohl Polizei als auch städtische Hüter der Ordnung "angeklopft" haben, weshalb die Türen der Parfümerie für die erwartete Kundschaft weit geöffnet waren. Ein Polizist scheint sich sogar ein "Herz" gefasst und allen Mut zusammengenommen zu haben, als er der daraufhin tränenüberströmten Filialleiterin mit einem Bußgeld von einigen tausend Euro drohte, so dass die Parfümerie ihren öffentlichen Zugang wieder schloss. Ansonsten waren die Abgesandten des Ordnungsamtes wohl eher zurückhaltend und gaben vor, den "Sachverhalt" genauer prüfen zu wollen.
Es ist also doch ein Unterschied, ob eine Verweigerin eines Mund- Nasen-Schutzes in der Darmstädter Fußgängerzone von sechs kommunalen Aufpassern umringt und zurecht gewiesen wird – oder ob sie sich mit einem vermeintlich starken Unternehmen wie Douglas anlegen müssen.
Wie dem auch sei, es waren nicht behördliche Aufsichtspersonen, die für ein "Zurückrudern" der Douglas-Geschäftsführung sorgten, sondern das Echo einer ver.di-Presseerklärung in den Medien und darauf schnell folgend in den sozialen Netzwerken. Dort war zu lesen: "Ekelerregend – jedes Schlupfloch genutzt, um den Profit zu maximieren, Gesundheit der Mitarbeiter scheißegal"; "ich werde zukünftig keine Produkte mehr bei Douglas kaufen"; "absolut das falsche Signal in dieser Zeit"; "absolut peinlich für Douglas". Selbst die sonst gegenüber Unternehmen eher untertänig mild schreibende BILD- "Zeitung" widmete der Geschichte nicht nur den Titel (Bild oben), sondern auch die halbe zweite Seite. Wer immer noch denkt, die Presseerklärung sei die schärfste "Waffe" der Gewerkschaften, hätte sich an diesem denkwürdigen 16. Dezember, aber ebenso noch am Tag danach vollauf bestätigt fühlen können.
Sicher haben Medienecho und der Shitstorm in den sozialen Netzwerken in den Ohren von Tina Müller & Co. besser "reinigend" gewirkt als jedes gepflegte Wattestäbchen aus dem eigenen Regal. Am 17. Dezember um 7.20 Uhr ließ sich die Vorsitzende des Vorstands öffentlich vernehmen, die kurzzeitige Umwandlung der Parfümerie zur Drogerie sei ab dem Folgetag beendet. Sie entschuldigte sich sogar für ihren (offensichtlich kläglichen) Versuch, durch einen zweifelhaften Streich den Lockdown zu unterlaufen. Mit ihrer eigenwilligen "Schöpfung" hat sie der landläufigen Bezeichnung "Eau de Toilette" vielleicht nachhaltig einen erweiterten inhaltlichen und käuflichen Sinn gegeben. Das bleibt an Wert, auch wenn durch ihren "Griff ins Klo" dem Image der einst exklusiven Parfümerie der allseits bekannte "Duft" des Örtchens noch eine Zeitlang oder dauerhaft anhaften könnte. Wohl bekomms!
txt: Horst Gobrecht
übernommen von: Kuckuck - Informationen der ver.di Südhessen für Betriebsräte und Beschäftigte - Nr. 147 - 21. Dezember 2020