07.09.2012: Mit einem enttäuschenden, aber nicht direkt überraschenden Ergebnis endete die gestrige Abstimmung bei Siemens North East, Maryland über die gewerkschaftliche Vertretung: Zwar hatte eine Mehrheit der Beschäftigten zu Beginn der Kampagne die Gründung einer Gewerkschaft unterstützt. Aber nachdem Siemens über mehrere Wochen eine massive Einschüchterung der Belegschaft betrieb (siehe Stoppt die antigewerkschaftliche Kampagne bei Siemens), bröckelte die Zustimmung, so dass die United Steelworkers (USW) bei der Abstimmung letztendlich keine Mehrheit fand.
USW Organizer Phil Ornot sagte, dass diese Ergebnis nach der sechswöchigen Antigewerkschaftkampagne von Siemens nicht überraschend käme. "Die Siemensmanager haben jeden Tag Meetings abgehalten, bei denen sie den ArbeiterInnen sagten, dass es sinnlos sei, die Gewerkschaft zu unterstützen und dass der Betrieb Aufträge und Kunden verlieren würde, wenn die Gewerkschaft die Abstimmung gewinnt."
Drew Oikemus, Gewerkschaftsaktivist bei Siemens North East Maryland, dankt allen, die die Kampagne unterstützt haben. Zwar sei er schwer enttäuscht von dem Ergebnis, aber "ich werde immer ein überzeugter Unterstützer der Kampagne bleiben", bekräftigt er.
Siemens Workers United erklärt, dass unerlaubte Drohungen und Einschüchterungen durch die Vorgesetzten am Arbeitsplatz typisch für die USA seien, wenn Beschäftigte ihr Bürgerrecht auf Organisation durchsetzen wollen. Der Kampf sei jedoch nicht beendet. "Jetzt treten wir in die nächste Phase dieses Kampfes ein", erklärte Siemens Workers United. Dazu gehöre die Ausdehnung der globalen Kampagne gegen das unerhörte Verhalten des Siemens Managements wie auch die rechtlichen Schritte die die USW beim National Labor Relations Board (NLRB) gegen Siemens eingeleitet hat. Ziel sei, in den nächsten Monaten eine erneute Abstimmung durchzuführen.
Gewerkschaften im Überlebenskampf
Siemens North East, Maryland ist zwar nur ein kleiner Betrieb, aber für die amerikanische Gewerkschaft ein wichtiger Fall. Dies steht im Zusammenhang mit der spezifischen Krisensituation der US-Gewerkschaften. Die Lohndifferenz zwischen den Löhnen in gewerkschaftlich organisierten Betrieben und unorganisierten Betrieben in der gleichen Branche wird immer größer. Siemens setzte die Belegschaft mit dem Argument unter Druck, dass es für gewerkschaftlich gebundene Unternehmen sehr schwer ist, konkurrenzfähig zu sein und Betriebsschließungen dann nicht ausgeschlossen sind. Für die Gewerkschaft wird es so zu einer Überlebensfrage die unorganisierten Betrieb zu organisieren. Sie können dabei darauf setzen, dass die Mehrzahl der Beschäftigten angibt, sofort einer Gewerkschaft beitreten zu wollen - sofern sie könnten. Aber Siemens zeigt wieder einmal, dass dies gar nicht so einfach ist: Denn wenn die Mehrheit der Belegschaft beschlossen hat, einen kollektiven Tarifvertrag auszuhandeln, muss ein langwieriger Prozess über den staatlichen National Labor Relations Board (NLRB) eingeleitet werden. Diesen Zeitraum nutzen die Unternehmen, um die Belegschaft mit Entlassung, Werkschließung und Betriebsverlagerung zu erpressen, "Rädelsführer" zu kündigen, .. - bis schließlich eine verängstigte Belegschaft gegen die Gewerkschaft stimmt. Genau dies ist auch bei Siemens abgelaufen.
Deshalb ist auch die Hauptforderung der US-Gewerkschaften seit Jahren die Verabschiedung des "Employee Free Choice Act (EFCA)", der seit Jahren dem US-Kongress als Gesetzesinitiative vorliegt. Der EFCA sieht vor, das NLRB zu umgehen und schneller zu kollektiven Tarifverhandlungen zu kommen. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen spendeten die Gewerkschaften 200 Mio. US-Dollar für die Wahlkampagne von Obahma, weil sie annahmen, dass Obahma und die Demokraten den EFCA beschließen würden. Eine Illusion, wie sich zeigte. Daran wird sich auch nach den Wahlen im November nichts ändern, es sei denn, die Gewerkschaften schaffen es, die 2011 mit dem Kampf gegen die Antigewerkschaftsgesetze in Wisconsin und der Occupy-Bewegung begonnene Dynamik weiter zu entwickeln. Siemes bleibt ein Exempel für den weiteren Kampf.
Die Solidarität muss weitergehen.
txt: lm / Foto: lost an the eastern shore