03.08.2011: In der Finanzkrise retteten die Eurostaaten ihre Banken vor dem Kollaps. Dazu mussten sie sich in erheblichem Ausmaß verschulden. Die Finanzmittel dazu liehen sie sich größtenteils von eben diesen Banken, über die Begebung von Staatsanleihen, die von den Banken gezeichnet wurden und diesen nun erhebliche Zinseinkünfte bescheren.
Wie eine Analyse der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) aufzeigt ist der Staat die am schnellsten wachsende Schuldnergruppe in den Bankbilanzen. Im Durchschnitt des Euro-Raumes stieg die Staatsfinanzierung durch Banken seit 2009 um 20 Prozent; in manchen Ländern hat sich die Staatsfinanzierung in den Bankbilanzen binnen zwei Jahren mehr als verdoppelt.
In der Studie heißt es: „Ein Blick auf das Nettoemissionsvolumen der Anleihen (ohne Kredite) der öffentlichen Hand in der Eurozone in 2009 und 2010 zeigt eine Erhöhung um ca. 930 Mrd. Euro an. Im gleichen Zeitraum haben die Banken in der Eurozone ihre Bestände an Staatsanleihen um über 400 Mrd. Erhöht. Damit haben diese gut die Hälfte der steigenden Staatsverschuldung, Fiskalprogramme etc. finanziert“.
Für die Banken ist diese Ausweitung der Staatsfinanzierung aus zwei Gründen von Vorteil.
Zum einen, weil die Kreditvergabe an Unternehmen und Privathaushalte stagniert, sie also mit der zunehmenden Staatsverschuldung expandierende Anlagefelder vorfinden.
Zum anderen lässt sich mit der Staatskreditierung hervorragend Geld verdienen.
LBBW: „Das opportunistische Halten von langlaufenden Staatsanleihen dürfte bei gegebener Refinanzierung durch die EZB (bei geringen Liquiditätsabschlägen und – wie erwähnt – 0% Risikogewichtung dieser Aktiva) äußerst lukrativ sein“. Refinanzierung durch die EZB (Europäische Zentralbank) bedeutet, dass die Banken die Staatsanleihen bei der EZB beleihen können, d.h. die Banken reichen sie als Sicherheit ein – unabhängig von den Bonitätsnoten der Ratingagenturen - und erhalten im Gegenzug Geld zum Leitzins von ein oder wenig mehr Prozent; sie kassieren also eine erhebliche Zinsdifferenz. Die LBBW schätzt, dass die Banken durch die Nutzung der EZB-Finanzierung „Windfall“-Zinsgewinne von 34 Milliarden Euro seit Ende 2008 erwirtschaftet haben. „Zum Vergleich: Die nach Bilanzsumme 500 größten Banken der Eurozone wiesen im Jahr 2009 ein Net Income von 33 Mrd. Euro auf. Insofern leistet die Geldpolitik u.E. Einen nicht unerheblichen Beitrag zur Bankensanierung...“, schreibt die LBBW.
Die Ausweitung der Staatsfinanzierung wird zudem durch die Aufsichtsregeln begünstigt, der oben erwähnten „0% Risikogewichtung“. Nach den neuen Regeln müssen Banken und Versicherungen für das Risiko, dass ein Euro-Staat seine Schulden nicht mehr bedient, kein Eigenkapital vorhalten. Damit gelten Staatsanleihen als ebenso liquide wie Bargeld.
Die LBBW zieht folgendes Fazit: „Das vorgestellte Zahlenwerk dürfte deutlich machen, dass es für Banken äußerst opportun ist, in Staatsanleihen investiert zu bleiben. In einem von hoher Unsicherheit geprägten ökonomischen Bild, wie insbesondere in der Eurozonen-Peripherie vorzufinden, werden Banken ihre nationalen Staatsanleihen aus Mangel an Alternativen kaufen. Die systemische Verknüpfung zwischen Banken und Zentralstaat wird dadurch weiter verstärkt“.
Es bleibt nicht bei der finanziellen Symbiose zwischen Banken und Staaten. Die Banken münzen ihre gestiegene Finanzmacht gegenüber den Staaten zunehmend in politische Einflussnahme um, insbesondere in der Finanz- und Wirtschaftspolitik. „Im Zuge der Finanzkrise wurde die Demokratie eingeschränkt und Weichen in Richtung einer Finanz-Diktatur gestellt. Mit der Aufnahme der „Schuldenbremse“ in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, erhält die Bedienung der Geldvermögen quasi Verfassungsrang. Sie soll auch anderen Ländern aufoktroyiert werden. Die Souveränität und der Gestaltungsspielraum der Parlamente wurden minimiert. Der Bundestag z.B. behält zwar das Recht, über eine Erhöhung der Hartz-IV-Sätze um drei Euro wochenlang zu debattieren, die großen Finanzentscheidungen aber fallen in anderen Gremien. Rettungspakete über zig-Milliarden Euro wurden in Nacht- und Nebel-Aktionen von einem exklusiven Zirkel bestehend aus der Kanzlerin, dem Finanzminister, zwei Privatbankern, dem Präsidenten der Bundesbank und dem Chef der Bankenaufsicht beschlossen. Das Parlament hat sich entmündigen, sich sein originäres und zentrales Recht, das Budgetrecht, weitgehend nehmen lassen. Der Souverän der Politik sind heute die Banken, selbsternannte Rating-Agenturen und das „Urteil der Finanzmärkte“. Sie heben oder senken die Daumen über ganze Volkswirtschaften. Gar nicht zu reden von den „Problemländern“ innerhalb der Euro-Zone. Über deren Wirtschafts- und Finanzpolitik bestimmt heute total die „Troika“ aus EU-Kommission, EZB/IWF und „System“-Banken. Diese Länder stehen bereits unter der totalen Kuratel des Geldes“ (Fred Schmid: Schulden & Sühne – Thesen zur Schuldenkrise des globalen Kapitalismus; http://www.isw-muenchen.de/).
Text: Fred Schmid Foto: plassen