12.10.2023: "Der Migrationspakt wird das Recht auf Asyl aufheben", sagt die spanische Europaabgeordnete der Izquierda Unida, Sira Rego, über den bevorstehenden Abschluss des europäischen Abkommens über Einwanderung.
"Der Zugang zu einem Antrag auf internationalen Schutz wird durch bürokratische Hindernisse und neue Rechtsfiguren praktisch unmöglich. Es hat keinen Sinn, ein Recht zu haben, wenn man es nicht ausüben kann, wenn es keine Garantien gibt", prangert die Abgeordnete der Izquierda Unida (Fraktion The Left - Gue/Ngl) den geplanten Migrationspakt an, der "das Recht auf Asyl aufheben wird".
Wir brauchen legale und sichere Zugangswege, wie für die vier Millionen ukrainischen Flüchtlinge, und eine solidarische Umverteilung zwischen den Ländern.
Kürzlich war sie in Italien, um Politiker:innen, Hilfsorganisationen und internationale Organisationen zu treffen. Ziel: die Politik der Regierung Meloni aus nächster Nähe kennen zu lernen.
Frage: Vor dem Gipfel in Granada (6.10.) äußerten sie sich besorgt über den Einfluss, den die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in der Einwanderungsfrage auf EU-Ebene ausübt.
Sira Rego: Der Pakt für Einwanderung und Asyl trägt ganz klar ihre Handschrift. Das bedeutet, dass die europäische Migrationspolitik die Agenda der extremen Rechten von Meloni, Orbán und Morawiecki widerspiegelt. Ihre Positionen sind in dieser Vereinbarung vollständig enthalten. Und das sind keine guten Nachrichten für Europa.
Frage: Aber am Dienstag, 4.10., haben Polen und Ungarn dagegen gestimmt.
Sira Rego: Vielleicht, weil es ihnen zu anspruchslos erscheint, aber die von ihnen vertretenen Grundsätze - zur Militarisierung, zur Externalisierung und zur Verletzung von Menschenrechten - sind Teil des Textes. Wir sagen also, dass der Pakt den Geist der extremen Rechten verkörpert.
Frage: Was wird mit dem Asylsystem geschehen?
Sira Rego: Durch bürokratische Hürden und neue Rechtsfiguren wird es praktisch unmöglich, internationalen Schutz zu beantragen. Es hat keinen Sinn, ein Recht zu haben, wenn man es nicht ausüben kann, wenn es keine Garantien gibt.
Frage: Die spanische Regierung, der Sie angehören und die den Vorsitz im Rat der Europäischen Union innehat, hat eine wesentliche Rolle bei der Vorbereitung des Pakts gespielt.
Sira Rego: Ja, es ist klar, dass es einen Widerspruch gibt. Als Izquierda Unida sind wir gegen die Zustimmung zu einem Pakt, der die Menschenrechte verletzt. Aber wir beteiligen uns an einer Koalitionsregierung, die von verschiedenen Parteien gebildet wird, und in der Migrationspolitik konnten wir im Regierungsabkommen unsere Vorstellungen nicht durchsetzen.
Frage: Welche Maßnahmen des Pakts stellen Sie in Frage?
Sira Rego: Viele. Sicherlich die beschleunigten Verfahren an der Grenze oder die Vorgabe, dass diejenigen, die Asyl beantragen wollen, nicht in das EU-Gebiet einreisen dürfen. So bleiben die Antragsteller in einem rechtlichen und administrativen Schwebezustand. Es wird zu schnellen Rückführungen kommen, ohne dass der Antrag auf Schutz wirklich geprüft wird. Dann sind die Konzepte der "Instrumentalisierung" und der "höheren Gewalt", die die Aktivierung von Notlagen ermöglichen, gefährlich.
Frage: Und warum?
Sira Rego: Normalerweise sollte bei einem Gesetz, das die Möglichkeit bietet, das Völkerrecht auszusetzen, genau erklärt werden, unter welchen Bedingungen dies geschehen kann. Dies ist dieses Mal jedoch nicht der Fall. Der Inhalt ist zu allgemein und lässt Raum für große politische Willkür.
Frage: Was sind die Alternativvorschläge der Europäischen Linken?
Sira Rego: Die Steuerung der Einwanderung ist zu einem Geschäft geworden, das von den EU-Institutionen mit riesigen Budgets ausgestattet wird. All diese öffentlichen Gelder fließen an große multinationale Unternehmen und staatliche oder halbstaatliche Akteure, um die Migration einzudämmen, die Grenzen zu militarisieren und zu externalisieren. Wir sind der Meinung, dass es in die Sozialpolitik fließen sollte, um eine effektive Aufnahme zu ermöglichen und den Wohlfahrtsstaat zu verbessern. Zum Wohle von Migranten und Einheimischen. Dann brauchen wir legale und sichere Zugangswege, wie für die vier Millionen ukrainischen Flüchtlinge, und eine solidarische Umverteilung zwischen den Ländern.
Frage: Was haben Sie bei Ihrer Tour durch Italien gesehen?
Sira Rego: Eine Zivilgesellschaft, die sich sehr um die Menschenrechte sorgt und bereit ist, für ihre Verteidigung zu kämpfen. Und im Gegensatz dazu eine Regierung, die eine rassistische Politik verfolgt und Notlagen erfindet, die es nicht gibt.
zum Thema In den letzten Wochen gelang Tausenden Menschen von der tunesischen Küste aus die Überfahrt zur Insel. Italiens rechtsextreme Ministerpräsidentin Meloni hatte aufgrund der vielen Ankünfte bereits im Juni den Notstand ausgerufen, doch auf Lampedusa selbst schienen nur die Behörden überfordert. Bewohner:innen hingegen verteilten Lebensmittel, Decken und andere Hilfsgüter an die Ankommenden. Ein spontanes und starkes Zeichen der Solidarität. Wie eine Insel den migrationsfeindlichen Diskurs in Europa konterkariert. |
Frage: Wird es eine zweite Regierung Sánchez in Spanien geben?
Sira Rego: Ja, ich bin optimistisch. Es werden viele Anstrengungen unternommen, um eine Einigung zu erzielen. Für uns ist es von grundlegender Bedeutung, dass sie auf der Förderung von Sozial-, Arbeits- und Menschenrechten beruht. Wir hatten eine erste Legislaturperiode, die das Gegenteil von dem war, was im übrigen Europa üblich ist. Meloni hat das Bürgergeld abgeschafft, wir haben die Renten, den Mindestlohn und das Existenzminimum gestärkt. Es ist gut gelaufen, aber wir von der Linken sagen: Es gibt noch viel zu tun.
Interview übernommen von il manifesto, 6.10.2023
https://ilmanifesto.it/leurodeputata-rego-la-politica-migratoria-ue-e-un-riflesso-dellagenda-dellestrema-destra