18.03.2015: Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis hat in einem Exklusiv-Interview für die französische kommunistische Tageszeitung „Humanité“ unter anderem die Frage beantwortet, worin er den Unterschied sieht zwischen der früheren „Troika“, die zur Durchsetzung der EU-Diktate nach Athen geschickt worden war, und der jetzigen „Gruppe von Brüssel“, mit denen die griechische Regierung jetzt konfrontiert ist. Hier der Auszug, der auf der Internet-Seite der „Humanité“ am 17.3. vorab veröffentlicht wurde:
Frage: Können Sie uns den Unterschied zwischen der Troika und dem erklären, was Sie nunmehr „die Gruppe von Brüssel“ nennen, die außer den Vertretern der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) auch die des Europäischen Finanzstabilitätsfonds (EFSF) umfasst? Wird Griechenland nicht den gleichen Formen von politischer Kontrolle unterworfen sein?
Yanis Varoufakis: Der Hauptunterschied ist, dass während der letzten fünf Jahre die aufeinander folgenden Regierungen in Griechenland völlig abhängig waren vom Willen der Gläubiger. Sie haben kapituliert gegenüber der Logik der Gläubiger, gegenüber der Europäischen Union. Letztere hat wie ein äußerst harter Despot funktioniert, die einer bankrotten Nation Anleihen aufgezwungen hat, deren Ziel einfach war: es dem offiziellen Europa zu erlauben zu behaupten, dass Griechenland gerettet sei, und dabei die Fehler in der Architektur der Euro-Zone weiter zu außer Acht zu lassen.
Die Troika war eine Gruppe von Technokraten, die von unseren Gläubigern nach Griechenland geschickt worden sind, um ein undurchführbarer Programm durchzuführen, ein Programm, das die Krise verschärfen musste. Warum haben sie das getan? Vor allem, weil es in der ersten Phase der Krise, nach 2010, einen zynischen Versuch gab, die Verluste der französischen und deutschen Banken auf die Steuerzahler abzuwälzen. Diese Operation ist ihnen gelungen, wobei sie zugleich vorgaben, das die griechische Krise geregelt sei. Der Preis, und deshalb gilt die Troika in Griechenland als Synonym für ein Kolonialregime, war eine massenhafte humanitäre Krise. Das ist es, wozu die Troika gedient hat.
Wir wurden gewählt, weil das griechische Volk sich dafür entschieden hat, eine Partei an die Macht zu bringen, die diesen Prozess verurteilt. Die administrative Behandlung Griechenlands ist gescheitert. Wir sind gewählt worden, um die Philosophie und die politische Logik des Austeritätsprogramms anzufechten.
Sicherlich, wir gehören zur Euro-Zone. Wir haben keine eigene Zentralbank. Unsere Ansicht als linke Regierung ist es, dass man nicht aus der Euro-Zone ausscheiden muss. Wir hätten nicht in sie eintreten sollen. Aber daraus auszuscheiden, unter den gegenwärtigen Umständen, würde einen massiven Einkommensverlust verursachen und weitere Millionen Menschen in die Armut stürzen. Aus der Euro-Zone auszutreten, würde dem griechischen Volk keinerlei Fortschritt bringen. Wenn Sie einer Union angehören, müssen Sie sie ausbessern, nicht sie demontieren. Das erfordert Verhandlungen.
Zum Unterschied von der Troika ist die Gruppe von Brüssel die Frucht des Abkommens, das wir der Eurogruppe am 20. Januar unter Schmerzen entrissen haben. Wir haben einen neuen Prozess eröffnet. Ermessen wir den durchlaufenen Weg: am Tag nach den Wahlen erteilten uns die europäischen Instanzen die Order, ihre Bedingungen zu akzeptieren, sonst würden den griechischen Banken die Mittel entzogen. Es ist uns gelungen, eine Regelung zu vereinbaren, die eine Zwittersituation schuf. Wir setzen unser Reformprogramm um und wir werden auf dieser Grundlage beurteilt. Die Zwiespältigkeit besteht weiter, daß unsere Gesprächspartner auch beabsichtigen, uns nach einem Teil des früheren Programms zu beurteilen. Die Gruppe von Brüssel bezeugt unseren Willen, das Problem im Herzen Europas zu stellen. Nicht in einem kolonialen Vorposten. Das ist nicht das Kolonialregime, das seine Technokraten, seine Beamten an die Peripherie schickt. Wir sind nunmehr in einem europäischen Prozess. Das ist unser Bestreben, die Demokratie wiederzugewinnen. Nicht nur für Griechenland, sondern für ganz Europa.
Übersetzung: Georg Polikeit Foto: Jörg Rüger