Im Interview

bonn demo 061213 w siebler 046809.12.2013: Werner Siebler, Vorsitzender der ver.di-Betriebsgruppe-Brief in Freiburg, war mit seinen Kollegen und Kolleginnen nach Bonn zu der Demonstration der Postbeschäftigten vor dem Posttower gefahren. Wir sprachen mit ihm über seine Eindrücke.

Frage: Du warst am 6.12. bei der Kundgebung am Bonner Posttower, dem Sitz der Zentrale der Deutschen Post, zu der verdi die Betriebsräte und JAVn zum Protest gegen den von Postchef Frank Appel angekündigten Ausbildungsplatzabbau aufgerufen hatte. Wie war denn die Stimmung bei den Kundgebungsteilnehmern?

Werner Siebler: Zunächst mal waren die 1500 TeilnehmerInnen überhaupt froh darüber, dass sie es bis zum Posttower geschafft hatten. Der Orkan „Xaver“, der in großen Teilen Deutschlands wütete, hat viele gezwungen, unterwegs umzukehren und die Hamburger konnten noch nicht mal losfahren. Dennoch haben es viele geschafft durchzukommen und die waren einfach nur stinke sauer.

Frage: Worum geht es denn genau?

bonn demo posttower 061213 wsiebler 1777Werner Siebler: Eigentlich begann dieser Konflikt schon wenige Tage nach dem Ende der Tarifrunde 2013 im April dieses Jahres. Nach flächendeckenden Warnstreiks Mitte April hatte der Postvorstand eingelenkt und ein verhandlungsfähiges Angebot vorgelegt. Nach zähen Verhandlungen kam es zu einem Tarifkompromiss, der eine soziale Komponente für die KollegInnen enthielt, die am schlechtesten bezahlt werden. Doch kaum war der Tarifvertrag unterschrieben, hörte man von überall aus dem Management „durch diesen Lohnabschluß werden die strukturellen Nachteile der Post weiter vergrößert“. Damit sind die Bezahlungsunterschiede gemeint, die zu konkurrierenden Postdiensten bestehen und bei den dort teilweise bezahlten Hungerlöhnen tatsächlich beträchtlich sind. Dennoch ist es ja so, dass die Post gerade alles andere als Not leidet. So sagte der Konzernbetriebsratsvorsitzende Thomas Koczelnik und Bundesfachbereichsvosritzende bei der Kundgebung, dass der Konzern voraussichtlich im Frühjahr bekannt geben wird, dass er 2013 drei Milliarden Euro Gewinn gemacht habe. Der Aktienkurs ist während der letzten Monate stetig gestiegen, um ca. 40% . Umso befremdlicher für ver.di, dass das Postmanagement nun z.B. ankündigt, die Zahl der Ausbildungsplätze zu reduzieren, weil man die dringend benötigten ausgelernten Fachkräfte Brief und Fracht nicht zu den tariflich geltenden Bedingungen übernehmen könne.

Frage: Was verdienen die jungen ZustellerInnen denn?

Werner Siebler: Nach der Ausbildung arbeiten die übernommenen KollegInnen so wie alle neueingestellten Beschäftigten in der Entgeltstufe 0 mit 11,48 die Stunde. Das ergibt monatlich etwa 1900.-€ brutto, was natürlich netto mit ca 1400€ hinten und vorne nicht ausreicht, um ein normales Leben zu führen, geschweige denn eine Familie zu gründen. Diese neue Entgeltstufe 0 wurde vor drei Jahren erst eingeführt und bedeutete eine Absenkung der Einstiegslöhne, was ich damals schon für sehr problematisch hielt. Doch im Gegenzug gab es einen „Generationenvertrag“ mit einer akzeptablen Altersteilzeitregelung. Kurz gesagt, die Alten können zu erträglichen Bedingungen gehen und die Jungen erhalten dafür eine Beschäftigung mit Zukunft. Dafür erhielt die Post dann sogar den Innovationspreis der deutschen Wirtschaft und lies sich dafür feiern. Nun wird genau das konterkariert durch eine weitere Absenkung der Ausbildungsquote auf 2 % konzernweit.

Der ver.di Jugendfachbereichsleiter Thomas Hampel, nannte das bei der Kundgebung einen Riesenskandal. Insbesondere habe es der Vorstand auf die Einstieglöhne bzw. überhaupt auf die Löhne abgesehen und sorge damit für die nun sichtbare Wut und Empörung. Jede Gewerkschafterin weiß, wie viel im Vorstand der DP AG verdient wird (allein Appel über 3 Millionen) und welche Gewinne der Konzern einfährt und trotzdem geht der Vorstand nun verstärkt zum Angriff auf die Löhne über. Unsere stellvertretende ver.di Bundesvorsitzende Andrea Kocsis fragte bei der Kundgebung in Richtung Posttower „Wollt Ihr aus der Post eine Billiglohnbude machen?“

Frage: Hast Du eine Erklärung für das Vorgehen des Postvorstandes?

Werner Siebler: Ich denke sie fühlen sich stark genug, um diese Angriffe nun zu fahren. Der Postchef Appel hat es bei der europäischen Konferenz der Logistiker in Brüssel offen so formuliert: „Niedrigere Kosten werden Europa wettbewerbsfähiger machen“ Er betonte, es habe keinen Sinn, Arbeitsplätze zu schützen und versuche man dies, erreiche man nur das Gegenteil „Wenn etwas zu teuer ist, muss man es loswerden. Wir müssen den Leuten ehrlich sagen, wo wir nicht wettbewerbsfähig sind.“ Dies ist einfach nur noch das nackte Profitdenken. Die Mehrzahl der Anleger des Postkonzerns sind Anleger aus den USA und vor allem Großbritanniens, die Appel mit höheren Renditen bedienen will. Der Bund geriet mit dem Verkauf seiner Aktien unter 25% und hat dadurch seine Möglichkeiten für einen gestalterischen Einfluss auf die Konzernentwicklung preisgegeben.

Frage: Was hat das denn für Auswirkungen?

Werner Siebler: In jedem Betrieb der Post steigt die Belastung ständig, es geht nur noch um die Einhaltung von immer weiter gefassten (irren) Zielvorgaben. Die Folgen sind stetig steigender Arbeitsdruck, erhöhter Krankenstand und sich aufbauende Überstundenberge. Kein Wunder, dass es dann große Qualitätsprobleme gibt, über die schon seit geraumer Zeit die Tagespresse berichtet. Aber interessiert das die Anleger? Ich denke nicht, denn diese wollen Dividenden und steigende Kurse, der Rest ist ihnen egal. Offensichtlich beabsichtigt der jetzige Vorstand, dieses Ziel mit weiteren Einsparungen bei den Personalkosten zu erreichen. Und selbstverständlich wird da von Managementseite immer verwiesen auf den harten Konkurrenzkampf in den Postmärkten.

Frage: Von dort ist öffentlich wenig bekannt, woran liegt das?

Werner Siebler: In der Tat ist es ja so, dass bei den meisten Brief- und Paketdiensten verheerende Arbeitsbedingungen herrschen. Wir versuchen von ver.di seit Jahren dort Fuß zu fassen und gewerkschaftliche und betriebsrätliche Strukturen aufzubauen, doch das ist ungeheuer schwierig. Diese Unternehmen arbeiten ja in großem Stil mit Befristeten und in Teilzeit prekär Beschäftigten. Hier in Freiburg ist das die Firma ARRIVA, eine Tochter des Badischen- und Südkurierverlages. Doch mit allen Mitteln wird versucht, ver.di aus dem Betrieb herauszuhalten. Öffentlich darüber berichtet wird natürlich kaum, aber wir wissen ja, in wessen Händen die Verlage sind.

Und leider ist es eben auch nicht so wie viele meinen, dass sich Menschen, wenn es ihnen nur schlecht genug geht, umso bereitwilliger wehren. Oft haben sie Angst, das Wenige auch noch zu verlieren. Neben der Unterstützung durch ihre Gewerkschaft brauchen sie vor allem die Zuversicht, mit ihrem Einsatz auch Erfolge erzielen zu können, und die hängt von vielen Faktoren ab. Es ist daher nicht so, dass sie nur darauf warten, von der Gewerkschaftsführung zum Kampf aufgerufen zu werden, und dass sie dann auch kämpfen. Unsere Erfahrung ist eine andere und deshalb kämpfen wir in den gut organisierten Bereichen um höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen und zusätzlich seit langer Zeit für einen Postmindestlohn für die weniger gut organisierten Kolleginnen und Kollegen in den Konkurrenzbetrieben. Doch der wird, wie es scheint, neuerdings offensichtlich auch vom Postmanagement gar nicht mehr gewollt. Die drohen unserer Gewerkschaft jetzt ganz offen, entweder ihr macht mit uns niedrigere Löhne, oder wir suchen Wege, das ohne Euch zu erreichen.

Frage: Also ist die Deutsche Post AG ein ganz normales kapitalistisches Unternehmen?

Werner Siebler: In der Tat, und in ver.di wird das immer mehr Kolleginnen und Kollegen bewusst. Alle vergleichsweise guten Regelungen bei uns haben wir erkämpft oder dadurch erreicht, dass die Postspitze weiß, dass wir kämpfen können. Das gibt uns Beschäftigten natürlich Selbstbewusstsein. Das zeigen auch die Zahl der Teilnehmer an dieser Kundgebung sowie die Reden der stellvertretenden ver.di Bundesvorsitzenden Andrea Kocsis, des Konzerbetriebsratsvorsitzenden Thomas Koczelnik und des Jugendsprecher Thomas Hampel. Eine Verschlechterung der Einkommensbedingungen wird sich ver.di nicht gefallen lassen. Koczelnik kündigte unter dem Beifall der Kundgebungsteilnehmer an: „Wir brauchen demnächst mehr und nicht weniger!“ Gut, dass über 70% der Beschäftigten der Post in ver.di organisiert sind. In unserem Bus wurden auf der Heimreise nach Freiburg in guter Stimmung die Aussagen bei der Kundgebung aufgegriffen und wir werden diese Diskussion im Betrieb weiter führen, so wie die Kolleginnen uns Kollegen in den anderen Regionen. Und dann wird sich zeigen ob die Postdirektion wirklich so stark ist, wie sie sich zu fühlen scheint.

Die Fragen stellte Bernd Wagner

Farkha Festival Komitee ruft zu Spenden für die Solidaritätsarbeit in Gaza auf

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Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

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