Im Interview

pflueger btw201308.08.2013: Die UZ sprach mit Tobias Pflüger über den Konzern EADS, die führende Waffenschmiede in Europa. Tobias Pflüger ist Mitglied des Vorstands der Partei Die Linke und Bundestagskandidat im Wahlkreis Freiburg.

UZ: Der europäische Luft- und Raumfahrt- Konzern EADS steht vor dem größtem Umbau seit seiner Gründung und gibt sich den Namen „Airbus“. Wer steht eigentlich hinter EADS?

Tobias Pflüger: EADS war eine Fusion von drei Konzernen der Luftfahrtund Rüstungsindustrie: Die deutsche DASA, die französische Aérospatiale- Matra und die spanische CASA. EADS war – wie jetzt dann Airbus – eine Aktiengesellschaft, deshalb ist es nicht einfach zu sagen, wer dahinter steht. Klar ist, dass die Staaten Frankreich, Deutschland und Spanien direkt an der EADS, zukünftig Airbus, beteiligt sind. Deutschland und Frankreich mit jeweils 12 Prozent, Spanien mit vier Prozent.

Das wurde über so genannte Beteiligungsgesellschaften organisiert: Die französische heißt „SOGEPA“, die deutsche „GZBV“ und die spanische „SEPI“. EADS, zukünftig Airbus, ist somit ein halbstaatlicher Rüstungs- und Luftfahrtkonzern. Die drei EU-Staaten sind damit an einem weltweit führenden Rüstungskonzern beteiligt. Um sich das noch mal klar zu machen: Der Staat Deutschland gibt z. B. einen Rüstungsauftrag an einen Konzern, an dem er beteiligt ist, dieser aber diktiert nicht unwesentlich, wie die Ausgestaltung der Rüstungsprojekte ist.

UZ: Welche Rolle spielt der Konzern im Rahmen der europäischen Rüstungsindustrie und Kriegspolitik?

Tobias Pflüger: EADS, oder demnächst Airbus, ist DER führende europäische Rüstungskonzern. Er stellt z. B. das jetzt der Öffentlichkeit vorgestellte Militärtransportflugzeug A 400 M her. Dieses riesige Rüstungsprojekt ist typisch: Während der Herstellung kam es zu Mehrkosten in Milliarden Euro Höhe, sie wurden noch von Guttenberg gerechtfertigt, ausgerechnet mit der Förderung des Mittelstandes. Nun wollen die beteiligten Länder, auch Deutschland, nicht mehr so viele A 400 M abnehmen, wie sie bestellt haben, sie wollen sie gleich zum (Rüstungs)-Export freigeben. Das gäbe eine weitere Spirale des Rüstungsexports, vermutlich in arabische Länder, oder Südostasien …EADS ist auch Hersteller des teuersten Rüstungsprojektes aller Zeiten in Europa des Eurofighters. Eurocopter, der Hersteller von Kampfund Transporthubschraubern wie dem Tiger oder dem NH 90 gehört ebenfalls zur EADS. Eurocopter hat einen Weltmarktanteil von rund 30 Prozent. Umsatz waren hier 2011 5,4 Milliarden Euro. Und: EADS besitzt die Tochterfirma Cassidian, die wiederum am Raketen- und Lenkflugkörper-Hersteller MBDA wesentlich beteiligt ist. Insgesamt hatte Cassidian 2011 einen Umsatz von 5,8 Mrd. Euro. EADS bzw. Airbus ist die führende Kriegswaffenschmiede in der Europäischen Union.

UZ: Und welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang insbesondere die Bundesrepublik Deutschland?

Tobias Pflüger: Für Deutschland ist die EADS bzw. Airbus im „fliegenden Bereich“ der zentrale Rüstungskonzern, um weltweit mitspielen zu können. Alle wesentlichen „fliegenden“ Rüstungsprojekte der Bundeswehr kommen von EADS. Inzwischen hat sich weltweit eine Oligopolisierung (einige wenige haben das Sagen) des militärisch-industriellen Komplexes (MIK) herausgebildet. Innerhalb der EU gibt es sechs Staaten mit einem starken militärisch-industriellen Komplex: Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien, Italien und Schweden. Die EADS ist im Luftfahrtbereich hier DER Kriegswaffenkonzern mit wesentlichem deutschen Einfluss. Solche Konzerne nehmen ja nicht nur Rüstungsaufträge entgegen, ja haben auch weitgehenden Einfluss auf die Politik. Es sind Machtzentren, der militär- und kriegsorientierten Politik.

UZ: Behauptet wird nun, dass die bisher eigenständigen EADS-Töchter Astrium (Weltraum) und Cassidian (Rüstung) zusammengefasst und auch zugunsten des Flugzeugbaus kräftig gestutzt werden sollen. Cassidian entwickelt ja nicht nur den Eurofighter, sondern am Standort Bremen unter anderem Drohnen, die nicht nur bei bundesdeutschen Politikern und Militärs als unverzichtbar gelten.

Tobias Pflüger: Cassidian ist zusammen mit dem US-Konzern Northrop Grumman der Hersteller der Spionagedrohne Euro-Hawk, die jetzt ja gestoppt werden musste, u. a. weil es keine Zulassung für den zivilen Luftraum für diese Spionagedrohne gibt. Cassidian und Northrop Grumman wollten das Milliarden-Projekt Euro-Hawk auch nach den offensichtlichen Mängeln nicht stoppen. Dabei stellte Cassidian die Spionageeinrichtung ISIS her, Northrop Grumman die so genannte Plattform. Von deutscher Regierungsund Militärseite wurde ISIS immer wieder gelobt, so dass der Verdacht nahe ist, dass es für Cassidian gar nicht so schlecht ist, dass Euro-Hawk in der jetzigen Form gestoppt wurde, so könnte Cassidian selbst die dazu passende Plattform entwickeln.

Doch noch wichtiger als diese Spionagedrohne sind Kampfdrohnen. Cassidian hat angeboten, die bei der Bundeswehr eingesetzten und geleasten Spionagedrohnen Heron 1 aus Israel, die von Cassidian bei der Bundeswehr gewartet werden, umzurüsten und zu Kampfdrohnen umzubauen. Cassidian würde dann gern die Ausbildung der Soldaten daran gleich mit übernehmen. Welchen Einfluss Cassidian hat, zeigt das Vorgehen bzgl. der erst im Entwicklungsstadium befindlichen Cassidian- Drohne ‚Talarion‘: Diese wurde zunächst als ‚Future European MALE‘ (FEMALE) in Konkurrenz zur israelischen ‚Heron TP‘ und US-amerikanischen ‚Predator‘ konzipiert. Dann gab die Bundeswehr bei der IABG eine Studie in Auftrag, die Cassidian sogar in Teilen selbst schreiben durfte, mit der Feststellung, es gäbe eine Fähigkeitslücke im Bereich der ‚signalgestützten Aufklärung‘. Und, große Überraschung: Die noch in Entwicklung befindliche FEMALE wurde als beste im Wettbewerb eingestuft. Wurde auch deshalb das Euro-Hawk-Projekt gestoppt? Das ist sehr wahrscheinlich.

UZ: Welche Forderungen muss die Linke – und auch die Partei „Die Linke“ – deines Erachtens in dieser Situation stellen? Und wäre es nicht notwendig, diese noch offensiver im Bundestagswahlkampf zu thematisieren?

Tobias Pflüger: Die Linke und die Partei „Die Linke“ müssen den Bereich des militärisch-industriellen Komplexes (MIK) direkt angehen. Hier wird Kriegspolitik von Industrieseite aus betrieben. Ich bin deshalb froh, dass wir im Wahlprogramm der Partei „Die Linke“ neben der dringend notwendigen Forderung der Beendigung aller Rüstungsexporte auch die Forderung nach einem „Verbot von Rüstungsproduktion“ verankern konnten. Weiter heißt es: „Wir wollen die Rüstungsindustrie auf zivile Produktion umbauen, so dass die Arbeit der Beschäftigten nicht im Dienste von Krieg und Zerstörung steht.“ Wenn die Bundeswehr immer mehr in Auslandseinsätze geschickt wird, „braucht“ es dafür auch die entsprechenden Waffen und Rüstungsgerät. Ein militärisch-industrieller Komplex ist bei einer Armee, zudem bei einer kriegsführenden Armee wie der Bundeswehr immer der andere Teil der Militäreinsätze. Auslandseinsätze der Bundeswehr und Rüstungsexporte sind zwei Seiten einer Medaille. Wenn Waffen produziert werden, werden sie auch exportiert, wenn sie exportiert werden, ist immer ein Einsatz der Waffen möglich. Rüstung und Waffen sind ein mörderisches und tödliches Geschäft. Damit muss endlich Schluss sein. Und ja, das müssen wir noch offensiver – besonders im Wahlkampf – vertreten.

Das Gespräch führte Manfred Dietenberger

Das Interview erscheint in der UZ vom 09.08.13

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