08.03.2024: Beim Vernichtungskrieg gegen Gaza geht es Israel nicht nur um die Vertreibung der Palästinenser:innen, sondern auch um das Gasfeld von Gaza ++ das israelische Energieministerium erteilte sechs Unternehmen die Lizenz, in palästinensischen Gewässern vor Gaza nach Erdgas zu suchen ++ UN-Expert:innen fordern Sanktionen
Die Zahl der palästinensischen Todesopfer in Gaza ist in den letzten fünf Monaten auf mehr als 30.800 angestiegen, mit fast 73.000 Verwundeten und mindestens 7.000 Vermissten, von denen man annimmt, dass sie tot oder unter Trümmern begraben sind. Mehr als 70 Prozent der Opfer sind nach Angaben der Gesundheitsbehörden Frauen und Kinder.
Israel tötet die Palästinenser:innen aber nicht nur mit Bomben und Granaten, sondern setzt auch Hunger als Waffe ein, indem es den Fluss der humanitären Hilfe nach Gaza verweigert und beschränkt. Aber nicht nur das. Israel zerstört das Nahrungsmittelsystem in Gaza selbst z.B. den Fischfang, sagte Michael Fakhri, UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, in einer Rede vor dem UN-Menschenrechtsrat.
Insbesondere im Norden von Gaza wird die Bevölkerung ausgehungert, um sie in den Süden, an die Grenze zu Ägypten, zu vertreiben. Mehr als eine Million Menschen sind jetzt in Rafah zusammengepfercht, wo es an angemessenen Unterkünften und medizinischer Versorgung mangelt und sie von Hunger und Krankheiten bedroht sind.
"Seit dem 8. Oktober lässt Israel die palästinensische Bevölkerung in Gaza absichtlich hungern. Jetzt zielt es auf Zivilisten, die humanitäre Hilfe suchen, und auf humanitäre Konvois", so Michael Fakhri und andere die UN-Experten in einem jüngsten Bericht. "Israel muss seine Kampagne des Aushungerns und der gezielten Angriffe auf Zivilisten beenden." [1]
"Nach fünf Monaten des verheerenden Krieges vermitteln die Aktionen der israelischen Regierung in Gaza den Eindruck, dass ihre Ziele über die Zerstörung der Hamas hinausgehen."
Josep Borrell, Außenbeauftragter und Vize-Präsident der EU-Kommission
Josep Borrell, Außenbeauftragter und Vize-Präsident der EU-Kommission, kommt zu der Schlussfolgerung:
"Nach fünf Monaten des verheerenden Krieges und der Zerstörung vermitteln die Aktionen der israelischen Regierung in Gaza den Eindruck, dass ihre Ziele über die Zerstörung der Hamas hinausgehen. Wie Generalmajor Giora Eiland im vergangenen Dezember in Yedioth Ahronoth schrieb, scheint es eine Anstrengung zu geben, «Gaza in einen Ort zu verwandeln, der vorübergehend oder dauerhaft unmöglich ist, an einem Ort zu leben». Und in der Tat ist fast alles zerstört worden, was eine menschliche Gesellschaft funktionieren lässt: Zivilregister, Immobilienregister, Kultur- und Gesundheitsinfrastruktur, die meisten Schulen, die von der UNRWA gebaut wurden. .. [2]
Das Drehbuch für die Vertreibung wurde bereits im Oktober bekannt. Wie aus einem offiziellen Dokument hervorgeht, empfiehlt das israelische Geheimdienstministerium die gewaltsame und dauerhafte Umsiedlung der 2,2 Millionen palästinensischen Bewohner:innen des Gazastreifens auf die ägyptische Sinai-Halbinsel.
In einem 10-seitigen Regierungsdokument, datiert auf den 13. Oktober 2023, werden die Schritte für die gewaltsame und dauerhafte Umsiedlung der 2,2 Millionen palästinensischen Bewohner:innen des Gazastreifens auf die ägyptische Sinai-Halbinsel beschrieben. (siehe kommunisten.de, 3.11.2023: "Wieder eine Nakba? Durchgesickerte Dokumente bestätigen israelischen Plan, Palästinenser:innen nach Ägypten zu vertreiben")
Der Krieg gegen Gaza ist auch ein israelischer Versuch, sich der palästinensischen Gasreserven zu bemächtigen
Der Wirtschaftswissenschaftler Walid Abuhelal schreibt in der Zeitung Middle East Eye:
"Das erschreckende Ausmaß der Zerstörung, die Israels Kriegsmaschinerie in Gaza angerichtet hat, zeigt, dass das Ziel dieses Angriffs nicht nur die Zerstörung der Hamas ist.
Vielmehr können wir daraus schließen, dass diese Aggression lange auf sich warten ließ, da Israel auf einen günstigen Zeitpunkt wartete, um seine gesamte militärische Macht gegen das belagerte palästinensische Gebiet einzusetzen.
Einige haben argumentiert, dass es Israels Ziel ist, die Bevölkerung des Gazastreifens in den Sinai zu drängen, und der Hamas-Angriff vom 7. Oktober lieferte den Vorwand, um diese Operation ernsthaft zu beginnen. Die Ideologie des Zionismus basiert auf der Vertreibung von Landbesitzern durch Einschüchterung und die Unterbrechung lebenswichtiger Infrastrukturen, um den Weg für den Zuzug israelischer Siedler zu ebnen.
Aber es gibt noch einen anderen, wichtigeren Grund für Israels derzeitigen Krieg: die vielversprechenden Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer, insbesondere vor der Küste des Gazastreifens.
Das Gasfeld in der Levante umfasst die Küsten des historischen Palästina (Israel und Gaza), Syriens, des Libanon und auf der gegenüberliegenden Seite die Insel Zypern. Dieses Feld enthält schätzungsweise etwa 122 Billionen Kubikfuß Erdgas." [3]
Dies ist auch einer der Gründe, warum die israelischen Regierungen hartnäckig alle Versuche zur Bildung eines palästinensischen Staates hintertreiben und den Palästinenser:innen keinerlei Souveränität über ihr Land oder ihre Gewässer zugestehen will.
Mit der Begründung, dass der Gazastreifen (Palästina) kein souveräner Staat ist und daher kein Recht hat, die Souveränität über die Sonderwirtschaftszone nach dem Seerecht (UNCLOS) zu fordern, hat Israel Lizenzen für die Exploration von Erdgas im Meeresgebiet vor den Küsten Israels und des Gazastreifens erteilt. Israel setzt sich darüber hinweg, dass Palästina in Jahr 2012 als Beobachtermitglied in die UNO aufgenommen worden ist und das UN-Seerechtsübereinkommens von 1982 (UNCLOS) unterzeichnet hat. Im Jahr 2019 legte Palästina außerdem vollständige Koordinaten und Karten des Gebiets vor. Im Unterschied zu Israel. Israel hat das UN-Seerechtsübereinkommen bisher nicht unterzeichnet und noch nicht einmal seine Seegrenzen demarkiert. Israel beansprucht auch Gasfelder, die in der Hoheitszone Libanons liegen.
Israel vergibt Gas-Lizenzen für die besetzten palästinensischen Gebiete
Am 29. Oktober 2023, inmitten des Vernichtungskrieges Israels gegen den Gazastreifen, bei dem der Internationale Gerichtshof den Vorwurf des Völkermordes für "plausibel" hält, gab das israelische Energieministerium bekannt, dass es Lizenzen an sechs israelische und internationale Unternehmen vergeben hat, um in Gebieten, die nach internationalem Recht als palästinensische Seegebiete gelten, nach Erdgas zu suchen. Die Ausschreibung erfolgte im Juni 2023. Zu den Unternehmen gehören Eni S.p.A (Italien), Dana Petroleum (Großbritannien, eine Tochtergesellschaft der South Korean National Petroleum Company) und Ratio Petroleum (ein israelisches Unternehmen).
Israel plant, ein wichtiger Exporteur von Gas zu werden. In den vergangenen 20 Jahren hat sich das Land von einem Nettoimporteur fossiler Brennstoffe zu einem Exporteur von Erdgas entwickelt.
Israel vergab Lizenzen für die Gasexploration in der Zone G, einem Seegebiet, das an die Küste des Gazastreifens angrenzt (siehe grüne Fläche auf Karte 2). Bemerkenswert ist, dass 62 Prozent der Zone G innerhalb der Meeresgrenzen liegen, die der Staat Palästina 2019 gemäß den Bestimmungen des UN-Seerechtsübereinkommens von 1982 (UNCLOS), das Palästina unterzeichnet hat, erklärt hat. Zusätzlich zu den bereits vergebenen Lizenzen in der Zone G hat Israel auch Ausschreibungen für die Zonen H und E veröffentlicht (auf Karte 2 rosa dargestellt); 73 Prozent der Zone H liegen innerhalb der von Palästina erklärten Seegrenzen, ebenso wie fünf Prozent der Zone E.
Damit setzt Israel nicht nur ein langjähriges Muster der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen der Palästinenser:innen für seine eigenen finanziellen und kolonialen Vorteile fort, sondern verstößt damit auch gegen das Völkerrecht.
Energiekonzerne müssen mit rechtlichen Konsequenzen rechnen
Palästinensische Menschenrechtsgruppen erheben Einspruch gegen die illegalen israelischen Lizenzen zur Gasexploration vor der Küste des Gazastreifens und haben die US-amerikanische Anwaltskanzlei Foley Hoag LLP beauftragt, die Unternehmen Eni S.p.A, Dana Petroleum Limited und Ratio Petroleum aufzufordern, von jeglichen Aktivitäten in den Gebieten der Zone G, die in die Seegebiete des Staates Palästina fallen, abzusehen, weil solche Aktivitäten eine eklatante Verletzung des Völkerrechts darstellen würden. Sie machen geltend, dass mehr als die Hälfte des Gebiets, für das die Unternehmen Lizenzen erhalten haben, innerhalb der maritimen Grenzen Palästinas liegt.
Israel ist die Besatzungsmacht im Gazastreifen und übt die volle effektive Kontrolle über die palästinensischen Seegebiete aus. Die Ausschreibungen und die anschließende Erteilung von Lizenzen für die Exploration, die im Einklang mit dem innerstaatlichen israelischen Recht erfolgen, kommen de facto und de jure einer Annexion der von Palästina beanspruchten palästinensischen Seegebiete gleich, da Israel versucht, die geltenden Normen des humanitären Völkerrechts außer Kraft zu setzen und stattdessen das innerstaatliche israelische Recht im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung und Ausbeutung der natürlichen Ressourcen auf das Gebiet anzuwenden. Nach geltendem Völkerrecht ist es Israel untersagt, die endlichen, nicht erneuerbaren Ressourcen des besetzten Gebiets zu kommerziellen Zwecken und zum Nutzen der Besatzungsmacht nach den Regeln des Nießbrauchs gemäß Artikel 55 der Haager Vorschriften auszubeuten.
Unternehmen, die vom Staat Palästina beanspruchten natürlichen Ressourcen ohne dessen Zustimmung zu erforschen und ausbeuten, verstoßen gegen das humanitäre Völkerrecht, einschließlich des Besatzungsrechts.
Die Unternehmen wurden darauf hingewiesen, dass die Mitwirkung an Kriegsverbrechen wie Plünderung eine schwere Straftat darstellt, für die Unternehmen individuell strafrechtlich verantwortlich gemacht werden können. Die Anwaltskanzlei macht die Unternehmen darauf aufmerksam, dass der Internationale Strafgerichtshof derzeit aktiv gegen internationale Verbrechen ermittelt, die auf dem Territorium des Staates Palästina begangen wurden, und somit die Zuständigkeit für die Untersuchung und strafrechtliche Verfolgung von Personen besitzt, die für die Begehung des Kriegsverbrechens der Plünderung verantwortlich sind. Darüber hinaus setzt die Beteiligung an der Ausschreibung und die Durchführung der Gasexploration in den palästinensischen Seegebieten, die gegen das humanitäre Völkerrecht verstößt, die Unternehmen dem Risiko zivilrechtlicher Schadensersatzklagen aus.
Ein Sprecher von ENI erklärte, dass das Unternehmen zwar eine Explorationslizenz erhalten, aber noch keinen Vertrag unterzeichnet habe, und bestätigte, dass in dem Gebiet keine Aktivitäten im Gange seien. "Wo immer ENI tätig ist, hält es sich an internationales Recht und die besten Sicherheitsstandards", sagte der Sprecher.
Die UN-Sonderbeauftragte für die besetzten palästinensischen Gebiete, Francesca Albanese, erklärte: "Ich bin zuversichtlich, dass die ENI sich über die Geschehnisse in Gaza informieren wird, denn sie könnten strafrechtlich verfolgt werden, wenn sie sich an Aktivitäten beteiligen, die internationale Verbrechen darstellen. Illegal, unverantwortlich und unmoralisch."
"Wir bekräftigen unsere frühere Forderung nach einem Waffenembargo und Sanktionen gegen Israel als Teil der Pflicht aller Staaten, die Achtung der Menschenrechte zu gewährleisten und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht durch Israel zu unterbinden."
Michael Fakhri, Francesca Albanese und weiter UN-Expert:innen [1]
Fußnoten
[1] United Nations, 5.3.2024: UN experts condemn ‘flour massacre’, urge Israel to end campaign of starvation in Gaza
https://www.ohchr.org/en/press-releases/2024/03/un-experts-condemn-flour-massacre-urge-israel-end-campaign-starvation-gaza
[2] Diplomatic Service of the European Union (European External Action Service), 5.3.2024: Gaza: Hunger und Blutbad
https://www.eeas.europa.eu/eeas/gaza-starvation-and-bloodbath_en?etrans=de
[3] Middle East Eye, 20.2.2024: The war on Gaza is also an Israeli drive to seize Palestinian gas reserves
https://www.middleeasteye.net/opinion/war-gaza-israel-brutal-drive-seize-palestinian-gas-reserves
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