19.10.2023: USA legen Veto gegen UN-Resolution ein, die eine "humanitäre Pause" im Krieg fordert ++ Zahl der Todesopfer im Gazastreifen steigt auf mehr als 3.700. Alle 15 Minuten wird ein palästinensisches Kind getötet ++ US-Ladung gepanzerter Fahrzeuge in Israel eingetroffen ++ hoher Beamter des Außenministeriums tritt wegen Waffentransfers nach Israel zurück ++ Europäische Spitzenpolitiker besuchen Israel, um Unterstützung für den Krieg zu zeigen, nicht um einen Waffenstillstand zu fordern ++ UN-Experten schlagen Alarm wegen israelischer Verbrechen gegen die Menschlichkeit und der Gefahr eines Völkermords in Gaza
USA legen Veto gegen UN-Resolution ein, die eine "humanitäre Pause" im Krieg fordert
Während UN-Generalsekretär Antonio Guterres seine Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen immer dringlicher wiederholt, hat die US-Regierung mit einem Veto eine Resolution des UN-Sicherheitsrats blockiert, die eine humanitäre Pause im Krieg zwischen Israel und der Hamas gefordert hätte, um den Lieferung von Hilfsgütern in den Gazastreifen zu ermöglichen.
Wie erwartet hatte am Montag eine von Russland entworfene Resolution des UN-Sicherheitsrats nicht die erforderliche Mindestzahl von neun Stimmen erhalten - fünf Länder (Russland, China, Vereinigte Arabische Emirate, Gabun, Mosambik) stimmten für die Resolution, vier (USA, UK, Frankreich, Japan) stimmten dagegen und sechs Länder enthielten sich -, nachdem die USA den Widerstand gegen die Resolution angeführt hatten, weil die Resolution die Hamas nicht ausreichend kritisiert habe.
Aber auch ein von Brasilien eingebrachten Entwurf in dem die "abscheulichen terroristischen Angriffe" der Hamas angeprangert und jegliche Gewalt gegen Zivilisten verurteilt, scheiterte am Mittwoch an den USA. Der Text forderte eine Pause der Kämpfe , humanitäre Korridore im Gazastreifen und eine Aufhebung des israelischen Befehls an die Palästinenser, den nördlichen Gazastreifen zu verlassen. Washington kritisierte den Text, weil er "Israels Recht auf Selbstverteidigung" nicht erwähnt.
Von den 15 Mitgliedsstaaten des Rates stimmten 12 dafür, zwei (Russland und Großbritannien) enthielten sich. Die Vereinigten Staaten, eines der fünf ständigen Mitglieder, stimmten als einzige dagegen, was ausreichte, um die Annahme der Resolution zu verhindern. Die USA haben schon in der Vergangenheit in der Regel ihr Veto im Sicherheitsrat eingelegt, um Israel vor kritischen Resolutionen zu schützen.
"Wir sind vor Ort und leisten die harte Arbeit der Diplomatie", sagte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Linda Thomas-Greenfield, nach der Abstimmung im Rat. "Wir glauben, dass wir dieser Diplomatie freien Lauf lassen müssen".
Zwar erklären die USA, Israel solle Maßnahmen ergreifen, um die Tötung palästinensischer Zivilisten zu vermeiden, gleichzeitig haben sie entschiedene Unterstützung und kaum direkte Kritik geäußert, während die israelischen Luftangriffe auf den Gazastreifen ganze Viertel dem Erdboden gleichmachen und den 2,3 Millionen Einwohnern des Streifens der Zugang zu Wasser, Lebensmitteln, Strom und Treibstoff durch die israelische Blockade versperrt wird.
Nach der Abstimmung erklärte der russische Vertreter, das Veto der USA zeige, dass die US-Rhetorik über internationales Recht und Menschenrechte nach monatelanger Kritik an Russlands Invasion in der Ukraine nur der Selbstdarstellung diene. "Wir wurden gerade wieder einmal Zeugen der Heuchelei und der Doppelmoral unserer amerikanischen Kollegen", sagte der russische UN-Botschafter Vassily Nebenzia.
Wachsende Spannungen
Die Abstimmung fand inmitten zunehmender Spannungen in der Region statt. Nach der Bombardierung des al-Ahli Hospitals am Dienstag mit, bei der mindestens 471 Menschen getötet wurden, haben die Proteste im gesamten Mittleren Osten die Sorge verstärkt, dass sich andere bewaffnete Gruppen in der Region dem Krieg zwischen Israel und der Hamas anschließen könnten. Der UN-Beauftragte für den Frieden im Nahen Osten, Tor Wennesland, sagte vor dem Sicherheitsrat, die Welt stehe "am Rande eines tiefen und gefährlichen Abgrunds, der den Verlauf des israelisch-palästinensischen Konflikts, wenn nicht sogar des gesamten Mittleren Ostens, verändern könnte".
Zahl der Todesopfer im Gazastreifen steigt auf mehr als 3.700. Alle 15 Minuten wird ein palästinensisches Kind getötet
Das von der Hamas geführte Gesundheitsministerium im Gazastreifen gab am Donnerstagmorgen bekannt, dass mindestens 3.785 Menschen bei dem israelischen Bombardement der Küstenenklave getötet wurden, mehr als 12.493 Menschen wurden verletzt. Unter den Getöteten befinden sich 1.524 Kinder und 1.000 Frauen. Die israelischen Streitkräfte haben etwa alle 15 Minuten ein palästinensisches Kind getötet, seit das israelische Militär am 7. Oktober eine massive Militäroffensive auf den Gazastreifen startete, nachdem bewaffnete palästinensische Gruppen Raketen auf Israel abgefeuert und den israelischen Grenzzaun um den Gazastreifen durchbrochen hatten, um Angriffe innerhalb Israels zu starten und ein Massaker unter der Zivilbevölkerung durchführten.
https://twitter.com/AJEnglish/status/1714984258358391057 |
Das Ministerium fügte hinzu, dass der Gesundheitssektor durch die israelischen Angriffe seit dem 7. Oktober, bei denen 44 Angestellte des Gesundheitswesens ums Leben kamen, stark beeinträchtigt wurde. Nach Angaben des Ministeriums mussten vier Krankenhäuser und 14 Gesundheitszentren in ganz Gaza ihre Arbeit einstellen.
Am Donnerstag haben die israelischen Streitkräfte ihre Angriffe in verschiedenen Gebieten des Gazastreifens verstärkt, zu einem Zeitpunkt, zu dem sich Israel auf eine Bodenoffensive gegen die belagerte Enklave vorbereitet. "Der Befehl wird kommen", sagte der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant am Donnerstag zu israelischen Soldaten in der Nähe des Gazastreifens. "Sie sehen den Gazastreifen jetzt noch aus der Ferne, aber bald werden Sie ihn von innen sehen", so Yoav Gallant.
Israelisches Kriegsministerium: US-Ladung gepanzerter Fahrzeuge eingetroffen
In einem Beitrag auf X teilte das israelische Kriegsministerium am Donnerstag (19.10.) mit, dass die erste US-Lieferung gepanzerter Fahrzeuge für die israelischen Streitkräfte (IDF) eingetroffen ist. "Sie werden an die IDF [israelische Armee] übergeben, um die während des Krieges beschädigten Fahrzeuge zu ersetzen".
https://twitter.com/Israel_MOD/status/1714993784092573740
Die USA haben zugesagt, ihre militärische Unterstützung für Israel - die sich bereits auf durchschnittlich 3,8 Milliarden Dollar pro Jahr beläuft - angesichts des Krieges zu erhöhen. Nach Angaben des US-Pentagons wurden seit dem 7. Oktober bereits fünf Waffen- und Ausrüstungslieferungen nach Israel geschickt. Es wird erwartet, dass Biden den Kongress auffordern wird, zusätzliche Mittel in Höhe von 10 Milliarden Dollar für Israel zu bewilligen.
Am Montag hatte CNN berichtet, dass die Vereinigten Staaten eine schnelle Eingreiftruppe der Marine vor die Küste Israels entsenden und das Pentagon amerikanische Truppen auf einen möglichen Einsatz in dem Land vorbereitet. Ein US-Verteidigungsbeamter erklärte gegenüber CNN, dass die aus 2.000 Marinesoldaten und Matrosen bestehende Truppe zu einer wachsenden Zahl von "US-Kriegsschiffen und Streitkräften, die sich Israel nähern, hinzukommen wird, da die USA versuchen, eine Botschaft der Abschreckung an den Iran und die libanesische militante Gruppe Hisbollah zu senden."
Die USA haben erklärt, dass sie Israels Reaktion auf die palästinensischen Angriffe auf den Süden Israels uneingeschränkt unterstützen, obwohl das Land eine vollständige Belagerung des Gazastreifens verhängt und von Strom und Wasser abschneidet sowie flächendeckende Bombenangriffe auf die Zivilbevölkerung durchführt.
Beamter des Außenministeriums tritt wegen Waffentransfers nach Israel zurück
Am Mittwoch trat der hohe Beamte des Außenministeriums, Josh Paul, mit der Begründung zurück, dass die fortgesetzten Zusagen von US-Waffen dem israelischen Bombardement des Gazastreifens grünes Licht gäben, das keine Rücksicht auf die Opfer unter der Zivilbevölkerung nehme.
In seinem Rücktrittsschreiben erklärte Josh Paul, der seit über 11 Jahren als Direktor für Kongress- und Öffentlichkeitsarbeit im Büro für politisch-militärische Angelegenheiten des Außenministeriums tätig ist, dass die "blinde Unterstützung einer Seite" durch die Biden-Administration zu politischen Entscheidungen führe, die "kurzsichtig, destruktiv, ungerecht und im Widerspruch zu den Werten stehen, für die wir öffentlich eintreten".
"Die Reaktion Israels und damit die amerikanische Unterstützung sowohl für diese Reaktion als auch für den Status quo der Besatzung wird nur zu mehr und tieferem Leid sowohl für das israelische als auch für das palästinensische Volk führen", schrieb er und fügte hinzu: "Ich fürchte, wir wiederholen die gleichen Fehler, die wir in den letzten Jahrzehnten gemacht haben, und ich lehne es ab, noch länger daran teilzunehmen."
In einem Interview sagte Paul, dass Israels Abschneiden des Gazastreifens von Wasser, Lebensmitteln, medizinischer Versorgung und Strom, einem Gebiet mit zwei Millionen Einwohnern, eine Reihe von seit langem bestehenden Bundesgesetzen auslösen sollte, die die Lieferung von Waffen an Menschenrechtsverletzer verhindern sollen. Aber diese gesetzlichen Schutzmaßnahmen versagen, sagte er. (New York Times, 19.10.2023: State Department Official Resigns Over Arms Transfers to Israel | https://www.nytimes.com/2023/10/19/us/state-department-official-resigns-israel-arms.html)
Europäische Staats- und Regierungschefs besuchen Israel, um Unterstützung für den Krieg zu zeigen, nicht um einen Waffenstillstand zu fordern.
Europäische Spitzenpolitiker - von der Leyen, Scholz, Sunak, Macron, - geben sich bei Israels rechtsextremen Ministerpräsidenten Netanjahu die Türklinke in die Hand. Aber sie besuchen Israel nicht, um zu einem Waffenstillstand und einem Ende des Mordens aufzurufen, sondern um zu zeigen, dass sie auf der Seite Israels stehen.
"Die EU gibt Israel buchstäblich einen Freibrief, um Gräueltaten gegen die Menschen in Palästina zu begehen."
Mick Wallace. irischer Abgeordneter im Europäischen Parlament, Linksfraktion The Left
"Die europäischen Staats- und Regierungschefs reisen mit zwei Botschaften in die Region. Erstens wollen sie ihre uneingeschränkte Unterstützung für Israel zum Ausdruck bringen, eine bedingungslose Unterstützung, unabhängig davon, was Israel tut", sagt Abdelhamid Siyam, Professor für Politikwissenschaft und Nahoststudien an der Rutgers University. "Zweitens versuchen sie, die Geiseln zu befreien und vielleicht über einen humanitären Korridor zu sprechen."
"So etwas hat es noch nie gegeben. Israel handelt ohne jede Rücksicht auf das Völkerrecht, begeht vor aller Augen Kriegsverbrechen, und diese Führer haben nicht einmal zu einem Waffenstillstand aufgerufen. Das hat es noch nie gegeben."
Abdelhamid Siyam, Professor für Politikwissenschaft und Nahoststudien an der Rutgers University
"Im Moment gibt es absolut keine Einschränkung der israelischen Aggression, da die internationale Gemeinschaft Kriegsverbrechen durch die Bereitstellung von Waffen und finanzieller und diplomatischer Unterstützung ermöglicht, damit die israelischen Streitkräfte und Offiziere ungeachtet der Schwere der Verbrechen Straffreiheit genießen", sagt Ayed Abu Eqtaish, Direktor bei Defense for Children International – Palestine.
UN-Experten schlagen Alarm wegen israelischer Verbrechen gegen die Menschlichkeit und der Gefahr eines Völkermords in Gaza
Es wird befürchtet, dass die "uneingeschränkte" Unterstützung Israels den Weg für eine ethnische Säuberung" des Gazastreifens ebnet. "Und wieder versucht Israel im Namen der Selbstverteidigung etwas zu rechtfertigen, was einer ethnischen Säuberung gleichkäme," alarmiert Francesca Albanese, UN-Sonderberichterstatterin für die besetzten palästinensischen Gebiete. "Es besteht die große Gefahr, dass sich die Nakba von 1948 und die Naksa von 1967 wiederholen, allerdings in einem größeren Ausmaß", so Albanese.
"Wir läuten den Alarm: Es gibt anhaltende Angriffe Israels, die zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Gaza führen."
Pedro Arrojo Agudo (UN-Sonderberichterstatter für das Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser und sanitäre Einrichtungen), und Francesca Albanese (UN-Sonderberichterstatterin für die besetzten palästinensischen Gebiete)
UN-Experten haben ihre ernste Besorgnis über die Verschärfung der israelischen Belagerung des Gazastreifens geäußert, durch die 2,3 Millionen Menschen lebenswichtige Nahrungsmittel, Brennstoffe, Wasser, Strom und Medikamente vorenthalten werden. Zu den Experten gehören unter anderem der UN-Sonderberichterstatter für das Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser und sanitäre Einrichtungen, Pedro Arrojo Agudo, und die UN-Sonderberichterstatterin für die besetzten palästinensischen Gebiete, Francesca Albanese.
"Die vollständige Belagerung des Gazastreifens in Verbindung mit undurchführbaren Evakuierungsbefehlen und erzwungenen Bevölkerungstransfers stellt eine Verletzung des humanitären Völkerrechts und des Strafrechts dar. Sie ist außerdem unsagbar grausam", erklärten sie.
"In Anbetracht der Äußerungen führender israelischer Politiker und ihrer Verbündeten, die von Militäraktionen im Gazastreifen und einer Eskalation der Verhaftungen und Tötungen im Westjordanland begleitet werden, besteht auch die Gefahr eines Völkermords am palästinensischen Volk", fügten die Experten hinzu.
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