27.01.2022: Ausbruchsversuch der IS-Terroristen gescheitert ++ Gefängnis zurückerobert ++ IS setzte Kindersoldaten als menschliche Schutzschilde ein ++ Aktionen gegen IS gehen weiter ++ Türkei unterstützt IS-Aufstand
Nach tagelangen Kämpfen mit IS-Terroristen haben die Syrisch Demokratischen Kräfte SDF am gestrigen Mittwochnachmittag die vollständige Kontrolle über das al-Sina'a-Gefängnis im Stadtteil Guweiran von Hasakah im Nordosten Syriens wiedererlangt. Am Sonntag war es gelungen, einen Belagerungsring um das Gefängnis zu legen. In dem Gefängnis sind Tausende IS-Terroristen verschiedener Nationalitäten gefangen, die von den SDF während des jahrelangen Krieges gegen den IS verhaftet wurden. Es ist eines der Gefängnisse, in denen die SDF auch etwa 4.000 Ausländer aus rund 50 Ländern festhalten.
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Am Donnerstagsabend (20.1.) hatten an die 300 IS-Terroristen das Gefängnis angegriffen, um die dort inhaftierten IS-Mitglieder zu befreien. Die Angreifer drangen von außen in das Gebiet ein und wurden dabei von den Schläferzellen des IS unterstützt, die sich in dem Gebiet ausgebreitet hatten. Gleichzeitig erhoben sich innerhalb des Gefängnisses die Gefangenen und versuchten aus dem Gefängnis auszubrechen. Dieser Angriff des IS ist der größte Versuch eines Massenausbruchs aus dem Gefängnis, seit die Organisation vor drei Jahren in der Stadt Baghouz im Umland von Deir ez-Zor für besiegt erklärt wurde.
"Der Angriff wurde im Irak, in der Türkei und in den von der Türkei besetzten Gebieten vorbereitet"
Newroz Ahmad, SDF
"Der Angriff wurde zum Teil im Irak, zum Teil in der Türkei und in den von der Türkei besetzten Gebieten wie Sere Kaniye und Tel Abyad im Nordosten Syriens und zum Teil in der syrischen Badia-Wüste vorbereitet", erklärte das Führungsmitglied der SDF, Newroz Ahmad, am Mittwochnachmittag bei einer Pressekonferenz in der Nähe des Gefängnisses. (Foto)
Bevor sich am Mittwoch die letzten IS-Terroristen ergaben, wurden von den SDF 1.000 IS-Kämpfer gefangen genommen, die sich im al-Sina'a-Gefängnis verschanzt hatten. Seit Sonntag hatten die SDF das gesamte Gefängnis umstellt und die Gefangenen mit Hilfe von Megaphonen aufgefordert, sich zu ergeben. Am Dienstag wurde ein Gebäudekomplex innerhalb des Gefängnisses von den SDF eingenommen.(Foto ganz oben)
In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch verstärkte die von den USA geführte globale Koalition gegen den IS ihre Flüge über dem Gebiet und nahm um Mitternacht Stellungen des IS im Gefängnis und seiner Umgebung ins Visier. US-amerikanische und britische Eliteeinheiten unterstützten die SDF-Kämpfer*innen bei der Niederschlagung des IS-Aufstandes.
Auch nach der Einnahme des Gefängnisses setzen die SDF und Anti-Terror-Einheiten ihre Durchkämmungsoperationen in den Vierteln rund um das Gefängnis fort, um nach geflohenen IS-Terroristen zu suchen. Gleichzeitig werden groß angelegte Aktionen gegen IS-Schläferzellen in vielen Gebieten von Deir ez-Zor im Osten Syriens, Raqqa am mittleren Euphrat im Norden Syriens und in der Umgebung von Hasakah fortgesetzt.
Am Mittwoch (26.1.) gaben die irakischen Volksmobilisierungskräfte (PMF) bekannt, dass sie einen Versuch von Terroristen des IS vereitelt haben, in den Bezirk Shingal (Sinjar), der an die syrische Grenze grenzt, zu gelangen.
Die mehrtägigen schweren Kämpfe zwischen den SDF und dem IS führten zu einer Massenvertreibung der Bewohner der Stadtteile Guweiran, al-Nashwa, Vilat Hosh al-Ba'er und Vilat al-Humur in die zentralen und nördlichen Stadtteile von Hasaka. Das Büro der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten erklärte am Montag, dass "bis zu 45.000 Menschen aus ihren Häusern in andere Stadtteile vertrieben wurden“.
Bürger*innen von Hasakah organisierten die Selbstverteidigung gegen die IS-Terroristen.
Kindersoldaten als menschliche Schutzschilde
Der Vormarsch der SDF wurde dadurch erschwert, dass die IS-Terroristen rund 289 Familien im Stadtteil al-Zohour westlich des Gefängnisses als menschliche Schutzschilde benutzten, um den Ausbruch abzusichern und den Vormarsch der SDF zu behindern.
Ein weiteres Hindernis für die Kämpfer*innen der SDF bestand darin, dass die IS-Dschihadisten im Gefängnis Hunderte von Minderjährigen als menschliche Schutzschilde benutzten. Es handelt sich nicht um die Kinder der inhaftierten IS-Kämpfer – diese sind mit ihren Müttern in den Lagern von al-Hol und al-Roj eingesperrt -, sondern um ca. 700 Jungen im Alter von 12 bis 17 Jahren, die so genannten "Junglöwen des Kalifats". Sie sind inhaftiert, weil sie indoktriniert und zu Kindersoldaten ausgebildet wurden. Die meisten von ihnen sind Syrer und Iraker, aber 150 von ihnen sind Ausländer. Sie sind in einen separaten Teil des Gefängnisses untergebracht und sollen deradikalisiert und rehabilitiert werden.
Die ehemaligen Kindersoldaten sollten nach dem Bau mehrerer spezieller Rehabilitationszentren aus dem Gefängnis verlegt werden, um sie wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Die mangelnde internationale Unterstützung verhindert jedoch den Bau solcher Rehabilitätszentren für die "Junglöwen des Kalifats", so dass sie in den "normalen" Gefängnissen untergebracht sind.
Die SDF appellierten an die Vereinten Nationen und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), einzugreifen, damit die Kinder von den Kampfhandlungen verschont bleiben und um zu verhindern, dass sie vom IS beim Ausbruchsversuch eingesetzt werden.
In diesem Zusammenhang kritisierte die SDF auch, dass die westlichen Länder sich ihrer Verantwortung entziehen und es unterlassen, ihre Bürger*innen, die sich dem IS in Syrien angeschlossen haben, zurückzunehmen. Ebensowenig würden diese Länder die Einrichtung eines internationalen Gerichts zur Verfolgung von IS-Mitgliedern unterstützen. Die SDF fordert diese Länder auf, ihre Bürger*innen zurückzuholen und sie in ihren eigenen Heimatländern vor Gericht zu stellen.
UNICEF beklagt, dass im Nordosten Syriens sich fast 10.000 Kinder aus mehr als 60 Ländern und ihre Mütter in Internierungslagern oder in den Lagern von Hawl und Roj befinden, wo sie unter immer schlimmen Bedingungen und im strengen Winter ums Überleben kämpfen. Die Bewachung und Versorgung dieser Gefangenen lastet auf den Schultern der Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens und stellen, wie die Ereignisse im Gefängnis von Hasakah zeigen, eine Zeitbombe dar.
Video: https://twitter.com/i/status/1486031321650581505 |
Türkei unterstützt IS-Aufstand
Nachdem der IS mit seinem Angriff im Gefängnis von Hasakah gescheitert ist, versucht die Türkei dies zu kompensieren, indem sie ihre Offensive auf die Dörfer von Tel_Tamr im Nordosten von Syrien eskaliert. Bereits während des Ausbruchsversuches hatte die Türkei ihre Angriffe auf Ziele ein Nord- und Ostsyrien intensiviert, um dem IS Entlastung zu verschaffen.
Nach der Niederschlagung der IS-Erhebung haben die türkischen Streitkräfte und die mit ihnen verbundenen bewaffneten dschihadistischen Hilfstruppen einen Bodenangriff auf Dörfer der Stadt Tel Tamr, nördlich von Hasakah, gestartet. Eingeleitet wurde der Bodenangriff mit einem vorhergehenden türkischen Bombenangriff auf das Dorf Dardara, nördlich von Hasakah. Nach Angaben des SDF-Medienzentrums vom heutigen Donnerstag kommt es in der Region derzeit zu heftigen Zusammenstößen zwischen den Selbstverteidigungskräften von Tel Tamr und den türkischen Streitkräften und ihren Hilfstruppen.
Die Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (AANES) erklärte, dass sowohl der Angriff des IS wie die der Türkei darauf abzielen, das Projekt der demokratischen Selbstverwaltung zu zerstören. Da die syrische Regierung das gleiche Ziel verfolge, würde sie dem IS-Aufstand un der türkischen Aggression auf syrisches Territorium tatenlos zusehen.
"Die Türkei hat mit ihren dshihadistischen Söldnern, Tag und Nacht daran gearbeitet, die Sicherheit und Stabilität zu destabilisieren und zu versuchen, das demokratische Projekt der AANES zu vereiteln", so die Erklärung. Es sei das Ziel der Türkei, die Kontrolle über die Stadt Hasakah zu verstärken und einen terroristischen Korridor von Tel Tamr bis zum Hawl-Lager in das irakische Gebiet zu sichern. Dazu habe die Türkei Söldner in speziellen Lagern in Ras al-Ain und Tal Abyad ausgebildet und sie in den Stadtteil Guweiran in Hasakah geschickt, um das al-Sina'a-Gefängnis anzugreifen, heißt es in der Erklärung.
In ihrer Erklärung werden die NATO-Länder, Russland und die UNO aufgefordert, aktiv zu werden, um die türkischen Übergriffe auf syrisches Territorium und die Beschießung der Region mit Artillerie und Drohnen zu beenden.