09.12.2020: Parlamentswahl unter Bedingungen eines "hybriden Krieges" ++ vor der Wahl Neuausrichtung der Kräfte sowohl in der rechten Opposition als auch im Regierungslager ++ Trump-Regierung und EU drängten auf Wahlboykott ++ Wahlsieg des Regierungslagers ++ rechte Opposition verliert letzte Institution, in der sie noch über eine Mehrheit verfügt hat ++ Kommunistische Partei kommt nur auf 2,7 Prozent ++ Guaidó-Unterstützer*innen USA, EU, Deutschland erkennen Wahl nicht an ++ Internationale Beobchter*innen fordern Anerkennung des Wahlergebnisses
Am Sonntag (6.12.) waren mehr als 20 Millionen Venezolaner*innen zu den Urnen gerufen worden, um die 277 Abgeordneten der Nationalversammlung für den Zeitraum 2021-2026 zu wählen. Es war der 25. Wahlprozess in den 21 Jahren der bolivarianischen Revolution. Insgesamt traten 14.000 Kandidat*innen von 107 Parteien an. Von den 107 beteiligten Parteien sind 98 gegen die Regierung, sowohl von rechts als auch von links.
Der Zeitpunkt der Wahlen, der von der rechten Opposition, den internationalen Medien und den westlichen Regierungen fast als eine Laune der venezolanischen Regierung präsentiert wird, mit dem Ziel, das Parlament mit seiner rechten Mehrheit loszuwerden, ist von präzisen Verfassungsvorgaben geprägt. Die venezolanische Verfassung schreibt eine Wahl zur Nationalversammlung vor dem 5. Januar 2021 vor, bei der eine neue Gruppe von Gesetzgeber*innen vereidigt werden muss.
Doch wieder einmal hat die Europäische Union in Gefolgschaft mit Washington bereits vor der Wahl erklärt, dass sie die Legitimität des Wahlprozesses und damit auch die Wahlergebnisse nicht anerkennen wird. Wie im Jahr 2019 in Bolivien nach dem Wahlsieg von Evo Morales beschuldigen sie die Regierung von Nicolás Maduro des Betrugs, um einen Vorwand zu suchen, um in dem Land mit den größten nachgewiesenen Ölreserven der Welt, intervenieren zu können.
Wahlen unter Bedingungen eines "hybriden Krieges"
Es stand also viel auf dem Spiel, und das in einer Zeit, die in einer harten und schwierigen Periode stattfindet, die durch die Pandemie noch verschlimmert wird. Die politische, soziale und wirtschaftliche Krise in Venezuela ist das direkte Ergebnis der unverfrorenen Einmischung der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union, gegen die das bolivarianische Venezuela einen harten Kampf führt. Diese Einmischung wird mit dem von ihnen geführten kriminellen Wirtschaftskrieg (verharmlosend als Sanktionen bezeichnet) deutlich gemacht - Maßnahmen, die denjenigen gegen Cuba sehr ähnlich sind. Auch hier handelt es sich um einen Wirtschafts-, Handels- und Finanzkrieg, der den Zugang zu lebensnotwendigen Dienstleistungen und Gütern, einschließlich Nahrung und Medizin, eingeschränkt hat, was den Verlust tausender Menschenleben verursacht hat.
Zu den Aggressionen gegen die bolivarianische Revolution gehört auch der Raub von Finanzvermögen und Goldreserven durch mehrere ausländische Banken, angefangen bei der Bank von England. Diese weigert sich 31 Tonnen Goldbarren, ein Schatz im Wert von rund einer Milliarde USD, an den rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben. Die Regierung in Caracas wollte den Erlös aus dem Verkauf an das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UN) überweisen, so dass er von den UN verwaltet und für den Kauf von Hilfsgütern wie medizinische Ausrüstung zur Bekämpfung des Coronavirus hätte verwendet werden können. (siehe kommunisten.de: Die Goldräuber)
Wie von den Putschisten der Opposition lautstark gefordert, haben Washington und Brüssel der Wirtschaft und damit dem Lebensstandard der Bevölkerung schweren Schaden zugefügt. Ihre zunehmend aggressiven Maßnahmen wirken sich auf die bereits kritischen Lebensbedingungen aus, die durch die COVID-19-Pandemie noch verschlimmert wurden. "Wie bei den Belagerungen mittelalterlicher Burgen versuchen sie, den Feind in Hunger und Not zu treiben und so eine Wirtschaftskrise zu erzeugen und zu vertiefen, um einen sozialen Aufstand gegen die Regierung zu provozieren", schreibt der Leiter der Arbeitsgruppe Lateinamerika der Partei der Europäischen Linken, Marco Consolo. [1]
Dazu kommen Putschversuche, die Versuche zur Ermordung zuerst von Chávez und dann von Präsident Maduro, massive ausländische Finanzierung der rechtsextremen Opposition, die Erfindung einer Parallelregierung "im Exil", mehrere Versuche einer Söldnerinvasion, … .(siehe z.B. kommunisten.de: USA erleben "Schweinebucht" in Venezuela)
Seit den Parlamentswahlen im Jahr 2015 ist das Parlament ein Instrument der Destabilisierung in den Händen der Vereinigten Staaten und seiner Verbündeten, um zu versuchen, die legitime Regierung zu stürzen. Im Jahr 2015 hatte sich die Rechte zu einem Bündnis zusammengeschlossen, um vereint gegen die Sozialisten zu gewinnen – mit Erfolg. In einem Erdrutschsieg erreichte die Opposition bei der Parlamentswahl 2015 zwei Drittel der Mandate und übernahm die legislative Macht. Und sie gewann mit demselben Wahlsystem, das immer noch in Kraft ist und dem heute instrumentell vorgeworfen wird, nicht zuverlässig zu sein.
Im Januar 2019 zog die Trump-Regierung mit der vollen Unterstützung der Europäischen Union und der internationalen Medien den damaligen Parlamentspräsidenten Juan Guaidò aus dem Hut, der sich selbst zum "Interimspräsidenten" des Landes erklärte. Obwohl die Selbsternennung ohne jede verfassungsrechtliche und rechtliche Grundlage erfolgte, wurde Juan Guaidò von der US-Regierung, der deutschen Regierung, der Europäischen Union und weiteren Verbündeten sofort anerkannt.
Seither widmeten sich Guaidò und seine in- und ausländischen Verbündeten der Umsetzung der vielfältigen Pläne eines "hybriden Krieges" der US-Regierung für den "Regimewechsel", um Maduro zu stürzen und den bolivarianischen Prozess abzuwürgen.
Spaltungen und Umgruppierungen bei der rechten Opposition
Während es Guaidó zunächst noch gelungen war, die rechte Opposition hinter sich zu vereinen, traten mit andauernder Erfolglosigkeit auch die Gräben zwischen moderaten Regierungsgegnern und Hardlinern wieder offen zu Tage. Die Entscheidung von Guaidó und anderen Hardlinern der Rechts-Allianz, die gescheiterte Strategie der Parallelregierung beizubehalten und die Wahlenthaltung erneut zu wiederholen, führte zu zahlreichen Spaltungen innerhalb der zerstrittenen Allianz der Parteien der Rechten. Ein Teil distanzierte sich von der Putsch- und Wahlenthaltungsstrategie und schloss sich mit den anderen Oppositionsgruppen zusammen, die an den Präsidentschaftswahlen 2018 teilgenommen hatten.
Die Regierung erleichterte ihre Teilnahme an der Parlamentswahl und akzeptierte die von der Opposition geforderten wichtigsten Änderungen des Wahlsystems, die zu einer Ausweitung des Verhältniswahlsystems und der Zahl der Abgeordneten führten. Die Zahl der zu wählenden Abgeordneten stieg von 167 auf 277, 52% der Sitze werden durch Listenwahl (von den Parteien festgelegt) und 48% durch namentlichen Wahlvorschlag gewählt. Präsident Maduro begnadigte mehr als hundert Gefangene, die im Zuge der gewalttätigen Auseinandersetzungen und Putschversuche verurteilt worden waren.
Sogar der bekannte Oppositionsführer Henrique Capriles - er war bei der Präsidentschaftswahl 2013 mit 49,07 % nur knapp dem Chavez-Nachfolger Nicolás Maduro unterlegen - war bereit, bei dieser Parlamentswahl anzutreten. Seine Bedingung war die Wahlbeobachtung durch die Europäische Union: Zum ersten Mal seit vierzehn Jahren sei sie von der Regierung eingeladen worden, Wahlbeobachter*innen nach Venezuela zu schicken. Europa habe eine historische Chance, dem Land dabei zu helfen, die Demokratie wiederherzustellen. Im Schlepptau der Trump-Regierung lehnte die EU unter dem fadenscheinigen Vorwand ab, wegen "Zeitmangels" keine Wahlbeobachter*innen für die Wahl am 6. Dezember entsenden zu können. Und das, obwohl die Einladung durch Venezuela bereits drei Monate vor dem 6. Dezember erfolgte. Die Regierung von Maduro lehnte die Verschiebung der Wahl aus verfassungsrechtlichen Gründen ab.
Die EU setzte wie die Trump-Regierung weiter auf die Putsch-Strategie und die Delegitimierung der Wahl durch Wahlboykott. So wurden sogar fünf Oppositionsführer wegen "Komplizenschaft" mit Sanktionen belegt, weil sie sich für die Teilnahme an den Wahlen entschieden hatten.
Trotz des Drucks aus Washington und Guaidós Boykottaufruf trat das rechte Parteienbündnis aus Alianza Democrática, Comité de Organización Política Electoral Independiente, Cambiemos Movimiento Ciudadano, Avanzada Progresista und El Cambio - darunter befinden sich auch die Schwesterparteien von CDU und SPD - zur Wahl an.
Bruchstelle nach links
Aber auch innerhalb des Gran Polo Patriótico Simón Bolívar (GPPSB), dem Dreh- und Angelpunkt des bolivarianischen Prozesses, hat es nach der Entscheidung der Kommunistischen Partei Venezuelas (PCV) einen Bruch gegeben. Die PCV hat in dieser heiklen Situation beschlossen, eine Alternativliste (Alternativa Popular Revolucionaria APR) vorzulegen, die ihren eigenen politisch-wählerischen Raum im bolivarianischen Prozess sucht. Der APR ist ein Phänomen, das durch ungelöste Spannungen innerhalb des Chavismus hervorgerufen wird, die im Wesentlichen mit der Reaktion der bolivarischen Regierung auf die Blockade, Unterschieden in der Wirtschaftspolitik, dem Regierungsmanagement in Sozial- und Arbeitsfragen, dem Vorwurf der Kriminalisierung des sozialen Protests gegen prekäre Lebens- und Arbeitsbedingungen zusammenhängen. In einem Interview mit amerika21 wirft Rafael Uzcátegui, langjähriger Generalsekretär von "Vaterland für Alle" (Patria Para Todos, PPT) der Regierung von Maduro vor, dass "die Sanktionen zum Vorwand geworden (sind), das sozialistische Projekt aufzugeben" und offen nach einer neoliberalen Lösung zu suchen. Die politische Führung des Landes seien nicht mehr die "jungen revolutionären Soldaten", sondern "Millionäre, die danach streben, bourgeois zu sein, mit dem Wort 'revolutionär' als Zusatz". [2]
Wahlsieg des »Gran Polo Patriótico«
In diesem neuen Szenario mit der Neuausrichtung der Kräfte sowohl in der rechten Opposition als auch im Regierungslager fand diese Parlamentswahl statt, bei der es um das Schicksal und die Zukunft des sozialistischen Projekts mit seiner partizipativen und protagonistischen Demokratie, um die kontinentale Integration, die sich nicht dem Willen des Imperiums im Norden unterordnet, ging.
Auf der chavistischen Seite wurde bis zum Erbrechen wiederholt, dass der Wille des Volkes, was immer es auch sein mag, respektiert wird. Bei allen vorangegangenen Wahlen habe die Regierung die Ergebnisse der Oppositionsparteien und ihrer Kandidat*innen akzeptiert. Als der Chavismus 2007 das Referendum zur Verfassungsreform verlor, hat Chavez seine Niederlage sofort anerkannt. Der venezolanische Präsident Nicolás Maduro versicherte mehrmals, dass er im Falle einer Niederlage seines politischen Bündnisses, des Großen Vaterländischen Pols (Gran Polo Patriótico Simón Bolívar, GPPSB), seine Niederlage anerkennen und von seinem Amt zurücktreten würde.
Das neben der regierenden Sozialistischen Einheitspartei PSUV acht weitere Parteien umfassende Bündnis »Großer Patriotischer Pol« hat am Sonntag die Wahl mit deutlichem Vorsprung gewonnen. Nach Auszählung von 98,63% der abgegebenen Stimmen erobert der GPPSB mit 68,43% der Stimmen 177 Mandate.
Weit abgeschlagen folgt auf dem zweiten Platz das Oppositionsbündnis der moderaten Rechten, »Demokratische Allianz«, mit 17,52% und 89 Mandaten. Weitere rechtsoppositionelle Kandidat*innen kamen auf ungefähr elf Prozent und 7 Mandate.
Die »Revolutionäre Volksalternative«, an der auch die Kommunistische Partei beteiligt ist, kommt mit 2,7% auf einen Parlamentssitz.
Partei | Stimmen | Prozent |
Mandate |
GPPSB: | 4.277.926 | 68,43 | 177 |
Alianza AD, Copei, CMC, AP, El Cambio: | 1.095.160 |
17,52 |
89 |
VU PV VPA: | 259.450 |
4,15 |
2 |
andere rechtsgerichteteParteien: | 405.017 |
6,48 |
5 |
Alternativa Popular Revolucionaria (Partido Comunista de Venezuela PCV, PPT u.a.): | 167.743 | 2,7 |
1 |
6.251.080 (98,63%) der Stimmen ausgezählt; Wahlbeteiligung: 30,5% |
"Vor fünf Jahren wurden die Wahlergebnisse verkündet, und auf dieselbe Weise habe ich damals die Niederlage anerkannt. Wir haben uns an die Verfassung gehalten. Heute, fünf Jahre später, nachdem das Volk erfahren konnte, was diese Versammlung getan hat, kann ich sagen, dass wir eine neue Nationalversammlung haben und dass wir einen enormen Wahlsieg errungen haben."
Nicolás Maduro
Trump-Regierung, deutsche Regierung und EU erkennen Wahl nicht an
Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), die verantwortlich ist für den Putsch in Bolivien und die folgenden Massaker, hatte bereits vor der Abstimmung in Venezuela erklärt, dass die Voraussetzungen für eine freie und faire Wahl nicht gegeben seien.
Nicht überraschend spricht auch die Trump-Regierung von Betrug - eigentlich eine Satire, wenn man den Vorwurf des Wahlbetrugs von Trump gegenüber seinem Herausforderer und Wahlsieger Biden bei der US-Präsidentschaftswahl und das anachronistische Wahlsystem der USA in Betracht zieht. Dessen ungeachtet twittert US-Außenminister Mike Pompeo: "Die Ergebnisse, die vom unrechtmäßigen Maduro-Regime bekannt gegeben werden, widerspiegeln nicht den Willen des venezolanischen Volks."
Auch die Europäische Union erklärt, dass sie das Wahlergebnis nicht anerkennt. "Diese mangelnde Achtung des politischen Pluralismus und die Disqualifizierung und strafrechtliche Verfolgung von Oppositionsführern erlauben es der EU nicht, diesen Wahlprozess als glaubwürdig, integrativ oder transparent und seine Ergebnisse als repräsentativ für den Willen des venezolanischen Volkes anzuerkennen." [3]
Auf der gleichen Linie liegt die Regierung in Berlin, obwohl sich die Schwesterparteien von CDU und SPD an der Wahl beteiligten. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts sagte bei Bundespressekonferenz: "Unsere Befürchtungen haben sich bestätigt." Die Wahlen seien "nicht fair und frei" gewesen. Die Wahl habe nicht "internationalen Mindeststandards" genügt. Die niedrige Wahlbeteiligung (31%) sei ein Ausdruck dafür, dass auch die venezolanische Bevölkerung wenig Vertrauen in diesen Wahlprozess gehabt habe.
Nun ist nicht bekannt, dass die Bundesregierung die Wahlergebnisse der US-Kongresswahlen 2014 in Zweifel gezogen hätte, weil sich nur 36,7% der Wahlberechtigten beteiligt hatten. Oder dass die Bundesregierung das französische Parlament nicht anerkenne, weil die Wahlbeteiligung am 18. Juni 2017 nur bei 42,6% lag.
Aber tatsächlich zeigt die niedrige Wahlbeteiligung, dass das Projekt der Bolivarianischen Revolution dramatisch an Unterstützung verloren hat, auch wenn die Wahlbeteiligung bei Parlamentswahlen immer niedriger als bei Präsidentschaftswahlen ist. Die Unzufriedenheit mit der harten sozialen Situation, dazu noch die Angst vor der Corona-Pandemie und der unzureichenden medizinischen Versorgung, die Transportschwierigkeiten und der Aufruf der extremistischen Opposition um Juan Guaidó führte dazu, dass so viele Menschen der Wahl fern blieben.
Internationale Wahlbeobachter*innen fordern die Anerkennung des Wahlergebnisses
Während unter anderem die Europäische Union die Einladung zur Entsendung von Wahlbeobachter*innen ausgeschlagen hatte, folgten mehr als 34 Staaten dem Ruf aus Caracas. 1.600 nationale und mehr als 200 internationale Beobachter*innen wachten am Sonntag über einen geregelten und fairen Ablauf der Abstimmung – unter ihnen Spaniens früherer Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero. Der forderte Brüssel dazu auf, den Kurs gegenüber Venezuela zu überdenken. Die vergangenen Jahre hätten klargemacht, dass "Sanktionen nicht weiterhelfen". Statt dessen brauche es einen "Ton des Respekts und der Nichteinmischung".
In einer gemeinsamen Erklärung der internationalen Beobachter*innen heißt es: "Wir lehnen die Einmischung von außen und die Erklärungen der Nichtanerkennung durch die Regierungen der Vereinigten Staaten, Kanadas und der Europäischen Union ab, die, nachdem sie mit allen Garantien eingeladen worden waren, die Wahlen zu prüfen und Zeuge zu sein, es vorzogen, keine Wahlbeobachtungsmissionen zu entsenden."
In diesem Sinne fordern sie diese Regierungen nachdrücklich auf, die Ergebnisse anzuerkennen.
Dilemma für die Guaidó-Unterstützer*innen
Völlig unhaltbar wird die Haltung der EU und der Bundesregierung aber, wenn sie weiterhin an der Anerkennung von Guaidó festhalten. Maduro werden sie weiterhin nicht als Präsidenten anerkennen wollen. Doch es wird künftig wohl auch nicht mehr möglich sein, an Guaidó festzuhalten. Da der selbst ernannte Interimspräsident nicht zu dieser Wahl antrat, verlor er auch seinen einzig legitimen Posten, den des Präsidenten der venezolanischen Nationalversammlung.
Werden sie tatsächlich einen "Präsidenten" anerkennen, der nun wirklich völlig zweifelsfrei keinerlei Posten mehr innehat, der ihn für das Amt eines "Interimspräsidenten" legitimieren würde?
Dialog für ein nationales Abkommen
Präsident Maduro hat bereits vor der Wahl die Opposition zum Dialog aufgerufen. Jetzt könnte die neue Nationalversammlung den Dialog zu einem nationalen Abkommen fördern, um dem sozialen und wirtschaftlichen Notstand zu begegnen und das Recht auf ein würdiges und friedliches Leben einzufordern. Es wäre ein erster Schritt auf dem Weg zur institutionellen Normalisierung des Landes und zur Verteidigung der Abstimmung als Instrument zur Ausübung und Bekräftigung der Volkssouveränität.
Kein leichter Weg, angesichts der Aggressivität des von Washington, der Europäischen Union, der OAS mit ihrem Präsidenten Luis Almagro und der so genannten Lima-Gruppe unterstützten ultrarechten Putschisten. Ein erster Schritt war, dass die rechtsextremen Hardliner isoliert und sich ein großer Teil der Rechten an der Wahl beteiligten.
Ein Problem ist, dass die Kräfte, die für eine Vertiefung des revolutionären Prozesses eintreten, nicht gestärkt aus diesen Wahlen hervorgehen.
Anmerkungen
[1] http://www.rifondazione.it/primapagina/?p=44891
[2] https://amerika21.de/analyse/245921/venezuela-wahlen-6-d-linke-alternative
[3] Rat der EU | Pressemitteilung 7. Dezember 2020
https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2020/12/07/venezuela-declaration-by-the-high-representative-on-behalf-of-the-european-union-on-the-elections-for-the-national-assembly/