19.09.2013: Während die Verhandlungen zwischen Russland und den USA über die Vernichtung syrischer Chemiewaffen schneller voran kamen als erwartet und die russische Initiative international auf große Zustimmung stieß, ordnete die Kriegspartei in den USA ihre Reihen neu. Das war auch bitter notwendig, denn selbst nach zweiwöchigem intensiven Druck auf die Abgeordneten des US-Kongresses zeichnete sich dort keine Mehrheit für eine Kriegsresolution ab.
In einem Beitrag für die New York Times hatte Russlands Präsident Putin Mitte vergangener Woche die außenpolitische Linie Moskaus überzeugend dargelegt: "In Syrien geht kein Kampf für Demokratie vor sich, sondern eine bewaffnete Konfrontation zwischen der Regierung und der Opposition in einem multikonfessionellen Land". Putin erinnerte die US-Bürger daran, dass das US-Außenministerium Gruppen wie die 'Al-Nusra- Front' und den Al-Kaida-Ableger 'Islamischer Staat im Irak und in der Levante', die auf der Seite der syrischen Opposition kämpfen, als terroristische Organisationen eingestuft hat.
Meinungsumfragen belegen, dass er damit die Mehrheit der US-Bürger anspricht. "Wenn mehr Amerikaner in einer wichtigen außen- und sicherheitspolitischen Frage auf Putin als auf Obama vertrauen, kommt das einem Epochenbruch gleich", kommentierte das die 'Welt am Sonntag'. Auch die bewaffnete syrische Opposition sieht sich auf der Verliererstraße. Man werde die Vereinbarung zur Vernichtung der Chemiewaffen in Syrien "vollständig ignorieren und bis zum Sturz des Regimes weiterkämpfen", erklärte der Generalstabschef der sogenannten 'Freien Syrischen Armee' bei einem Treffen im türkischen Istanbul. Die FSA ist offensichtlich massiv von Zerfallserscheinungen erfasst und gerät zunehmend unter Beschuss der islamistischen Kampfverbände. Nach einem aktuellen Report des militärpolitischen Analyse-Zentrums IHS Jane’s in London rekrutiert sich die Hälfte der syrischen Oppositionskämpfer aus radikalen Islamisten. Charles Lister, Autor der Studie, hält die Vorstellung, dass "weltliche Oppositionsgruppen in diesem Konflikt kämpfen" für "unbegründet".
Dass die Sorge vor einem weiteren Erstarken islamistischer Kampfgruppen, die auch Russland und seine südlichen Nachbarn bedrohen, eine Konstante russischer Außenpolitik ist, haben westliche Medien in der Vergangenheit konsequent ausgeblendet. Stattdessen wurde gebetsmühlenartig Klage über eine angebliche russische 'Blockadepolitik' im UN-Sicherheitsrat geführt. Dementsprechend schwer tun sie sich nun mit der Erkenntnis, dass erst das konsequente russische und chinesische Nein zur US-Kriegspolitik eine Chance für Diplomatie eröffnet haben.
In den USA versuchen die lautstärksten Kriegseinpeitscher, wie die republikanischen Senatoren McCain und Graham, Obama vor sich her zu treiben, indem sie seine Diplomatie als "aufreizendes Zeichen der Schwäche Amerikas" denunzieren. Und der US-Präsident betont weiterhin das Vorrecht der USA, auch ohne UN-Mandat bei Bedarf in Syrien militärisch loszuschlagen.
Gleichzeitig wird versucht, in den Vereinbarungen über die syrischen C-Waffen einen Automatismus zur Gewaltanwendung gegen Syrien zu etablieren. Unterstützt von Frankreich und Großbritannien möchten die USA einen Blankoscheck des Sicherheitsrates, um bei zu erwartenden Konflikten, die sich nötigenfalls auch leicht organisieren ließen, eine Militäraktion zu starten, die sich auf die UN-Charta stützen kann.
Russland agierte zuletzt sehr zurückhaltend und verzichtete z. B. darauf, die Vereinbarungen mit der Forderung nach Einstellung der Waffenlieferungen für die syrische Opposition zu verbinden. Verletzungen der Vereinbarung will Russland im Sicherheitsrat diskutieren, sie müssen nach den Worten von Außenminister Lawrow dort "begutachtet, untersucht und verifiziert werden". Und erst "wenn wir sicher sind - zu hundert Prozent", wer die Regeln gebrochen habe, könne man in einer "neuen Sicherheitsratsresolution Strafmaßnahmen" beschließen. Gleichzeitig hat Russland seinen Flottenverband im Mittelmeer auf zehn Kriegsschiffe verstärkt.
Nach Einschätzung des Koordinators der US-Friedens- und Bürgerrechtsbewegung 'ANSWER Coalition', Brian Becker, ist die Kriegsgefahr nicht gebannt, haben die militaristischen Kräfte in den USA "wegen der gewaltigen heimischen und internationalen Opposition" lediglich einen anderen Weg zum Krieg eingeschlagen.
Das Wichtigste, das jetzt zu tun sei, ist "weiterhin alle Formen des öffentlichen Drucks zu organisieren zugunsten eines echten Friedens, der dem syrischen Volk erlaubt, sein eigenes Schicksal zu bestimmen, frei von Drohungen, Sanktionen, Subversion und Krieg".
Text: Arno Neuber (aus UZ vom 20.09.2013) Foto: mami
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Aufruf der Berliner Friedenskoordination zur Demonstration am Samstag, den 21.09.13
Nein zum Krieg gegen Syrien!
Die UNO hat den 21. September zum Weltfriedenstag ausgerufen.
Er soll ein Tag des Waffenstillstands und der Gewaltlosigkeit sein.
Demonstration am 21. September 2013
Beginn 13.00 Uhr am Wittenbergplatz in Berlin
Wir haben die Kriegshetze und die Lügen der NATO-Mächte und ihrer Medien zur Vorbereitung und Rechtfertigung ihrer Kriege nicht vergessen. Wir haben nicht vergessen, was diese Kriege besonders in Irak und Libyen angerichtet haben: Millionen von Menschen wurden getötet, verwundet, in die Flucht getrieben, die Infrastruktur zerstört, die Gesellschaft fragmentiert und die nationale Kultur liquidiert.
Die Gefahr eines Militärangriffs gegen Syrien ist mit der Roadmap zur Beseitigung der syrischen Chemiewaffen nicht gebannt. Die Kriegshetze der NATO-Mächte und ihrer Verbündeten in der Region, Saudi Arabien, Katar und Israel, und ihre Einmischung in die innersyrischen Angelegenheiten gehen unvermindert weiter.
Wir fordern die Bundesregierung auf, alle Aktivitäten zu unterlassen, die die Lage in Syrien weiter anheizen und jede direkte und indirekte Kriegshilfe zu verweigern.
Wir fordern die Bundesregierung auf, die Patriot-Raketen und AWACS-Besatzung aus der Türkei abzuziehen.
Wir fordern für Syrien einen Waffenstillstand und einen Stopp des Waffenexports an alle Seiten.
Sollte es trotz aller Bemühung und wider jede Vernunft nicht gelingen einen Militärangriff zu verhindern , fordern wir von der Bundesregierung die Sperrung des deutschen Hoheitsgebiets für die Vorbereitung und Logistik eines Krieges gegen Syrien und ein Überflugverbot über den deutschen Luftraum für alle Flugzeuge, die in diesem Angriffskrieg eingesetzt werden sollen, wie Österreich und Zypern es bereits für ihr Hoheitsgebiet getan haben.
Hände weg von Syrien!