17.09.2010: In einer der im Vordergrund stehenden Kernfragen der zionistischen Kolonisierung Palästinas - Fortsetzung des Siedlungsbaus im Westjordanland und in Ost-Jerusalem - zeigt sich die Regierung Netanjahu in den gegenwärtig angelaufenen Gesprächen zwischen der israelischen Regierung und den Vertretern der palästinensischen Autonomiebehörden (PA) unter Moderation und Vermittlungsversuchen der US-Regierung unnachgiebig. Dass dieser Positionierung eine Grundhaltung nach Hegemonie und Marginalisierung der palästinensischen Nation zu Grunde liegt, zeigen viele einzelne Aspekte der israelischen Politik gegenüber der palästinensischen Nation. Ein vor drei Tagen veröffentlichter Bericht der israelischen Menschenrechtsorganisation B'tselem fügt einen weiteren Nachweis hinzu.
In dem am 14.9. veröffentlichten Bericht dokumentiert B'tselem eine umfangreiche und akribische Untersuchung über die Behandlung von Tötungen palästinensischer Zivilisten im Westjordanland und im Gaza-Streifen durch israelisches Militär (IDF = Israel Defense Forces) in den Jahren 2006-2009. Die Menschenrechtsorganisation forderte in diesem Zeitraum von den zuständigen Organen der Militärpolizei Untersuchungen (MPIU) in 148 Fällen, bei denen es sich nicht um Tötungen in oder am Rande von kriegerischen Auseinandersetzungen handelte und wo dringender Verdacht auf kriminelle Handlungen bzw. schwerwiegende Verletzungen von international anerkannten Menschenrechten durch israelische Soldaten handelte.
Das Amt der obersten Militärstaatsanwaltschaft ordnete Untersuchungen in lediglich 22 dieser Fälle an. Dabei wurde der Beginn solcher Untersuchungen in der Regel monatelang, ja jahrelang hinausgezögert, was natürlich - wie B'tselem anmerkt - gesicherte Untersuchungen der Vorfälle schwierig, wenn nicht unmöglich macht. In 8 der zuvor genannten Fälle wurden die Untersuchungen erst über ein Jahr nach den betreffenden Tötungen von Palästinensern eingeleitet, 11 Vorkommnisse ereigneten sich 2006 und 2007. Von den 22 Untersuchungen wurden 2 ohne Anklageerhebung geschlossen, zu den anderen gab es bis zum Tag vor der Veröffentlichung des Berichts von B'tselem keine Entscheidungen der Militärstaatsanwaltschaft.
Bezüglich der anderen Tötungen, zu denen B'tselem militärpolizeiliche Untersuchungen forderte, stellt die Organisation fest: In 29 Fällen wurde von der Militärstaatsanwaltschaft mitgeteilt, dass keine MPIU erfolgen würde, zu 95 Fällen gab es nur die Auskunft, dass daran noch im Rahmen von Vorermittlungen gearbeitet würde. Von diesen 95 Fällen haben sich 89 in den Jahren 2006-2008 zugetragen. Zu 2 weiteren Forderungen von B'tselem nach Untersuchungen gibt bisher es seitens der Militärstaatsanwaltschaft überhaupt keine Auskunft.
B'tselem kommt auf Grund der Untersuchung zu dem Schluss, dass es bewusste Politik der israelischen Armee sei, die Tötung von palästinensischen Zivilisten nicht zu untersuchen und so die Soldaten von jeder Verantwortung zu entbinden, selbst dann, wenn der dringende Verdacht auf Straftaten vorliege. B'tselem kritisiert auch die seit der zweiten Intifada (2000) bestehende und der Situation in keiner Weise angemessene Behauptung der israelischen Armee, in den besetzten Gebiete handle es sich weiterhin und uneingeschränkt um einen "bewaffneten Konflikt". Diese Argumentation des israelischen Militärs sei quasi ein Freibrief für Soldaten und Offiziere bei "Verletzungen von Gesetzen", ermutige zu einer Haltung von lockeren "Fingern am Abzug" und zeige große "Missachtung menschlichen Lebens".
B'tselem dokumentierte in dem in dieser Woche veröffentlichten Bericht auch einige Vorfälle in allen bekannten Einzelheiten.
Text: hth / Foto: white ant