19.08.2010: Am Freitag, 20. August, beginnt um 9.30 Uhr Ortszeit am Superior Court of the District of Columbia, dem Kammergericht von Washington DC, die Verhandlung gegen die Umweltaktivistin Diane Wilson. Während die für die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko verantwortlichen BP-Manager ohne Anklage bleiben, drohen ihr fast zweieinhalb Jahre Haft. Der Grund dafür ist ihr friedlicher Protest gegen den BP-Konzern im US-Senat.
Am 9. Juni fand eine öffentliche Sitzung des Energie-Ausschusses im US-Senat statt. Als Protest, vor allem gegen die republikanische Senatorin Lisa Murkowski, übergoss sich die Umwelt- und Politaktivistin Diane Wilson mit (nachgemachtem) Öl. Die Senatorin wollte eine Gesetzesvorlage blockieren, mit der die Haftungsbegrenzung von Öl-Firmen aufgehoben werden sollte. Diese lag zu dem Zeitpunkt noch bei $75 Millionen - bei weitem nicht genug, um die von BP angerichteten Schäden zu beheben. Diane Wilson empörte sich: "Wie kann sie es wagen, für ,Big Oil' Partei zu ergreifen und gegen die Amerikaner, die von diesem von Menschen gemachten Desaster so erschüttert sind?"
Daraufhin wurde Wilson, Garnelenfischerin im Golf von Mexiko, verhaftet und abgeführt. Allein für diese friedliche Meinungsäußerung, in offizieller Lesart "Störung einer Senatssitzung", soll sie 280 Tage ins Gefängnis. Als erster Gerichtstermin dazu wurde der 18. Juni festgelegt. Daraufhin forderte Medea Benjamin, neben Diane Wilson eine der Mitbegründerinnen der feministisch-pazifistischen Bürgerrechtsbewegung Code Pink: "Der BP-Geschäftsführer Tony Hayward sollte im Gefängnis sein, nicht eine verzweifelte Garnelenfischerin!"
Noch bevor es zur Verhandlung kommen konnte, protestierte Diane Wilson ein weiteres Mal gegen die Verantwortlichen von BP. Bei der Kongress-Anhörung des BP-Chefs Hayward forderte sie mit schwarz verschmierten Händen und Gesicht lautstark dessen strafrechtliche Verfolgung. Diese Unterbrechung der Kongress-Anhörung sowie Wilsons angeblicher Widerstand gegen ihre Verhaftung sollen wiederum mit jeweils 280 Tagen Haft geahndet werden. Über diese insgesamt 840 Tage wird am Freitag verhandelt.
Diane Wilson ist in langer Familientradition Fischerin am Golf von Mexiko, hat fünf Kinder und viele Enkel. Vor vielen Jahren wurde sie zunehmend erschüttert auf Grund der verheerenden Umweltzerstörung ihrer Fischgründe durch die ortsansässige Chemische Industrie. Nach und nach wurde aus der Fischerin eine Kämpferin für Ökologie, später dann auch für Frauenrechte und Frieden. Sie setzte sich ein für den Schutz ihrer heimatlichen Umwelt, für die Entschädigung der Bhopal-Opfer durch den nahegelegenen US-Konzern Union Carbide, gegen den Irak-Krieg, für Frauenrechte, für die Rechte von Gefangenen, für die Rettung des Klimas und für durch die Produktion gesundheitlich geschädigte Arbeiter - um nur einige Ihrer Themen und Aktionen zu nennen. Sie hat inzwischen ein Buch geschrieben (An Unreasonable Woman), das mit 40.000 verkauften Exemplaren eine bemerkenswerte Auflage erreichte. Im Moment hat sie ein wissenschaftliches Studium aufgenommen und arbeitet an einem zweiten Buch.
Nachdem die Menschen in ihrem Dorf sie zunächst als Spinnerin abtaten, stellten sie sich im Rahmen der voranschreitenden Verwüstung ihrer Fischgründe und ihrer Umwelt vor Ort mehr und mehr auf ihre Seite und schützten sie beispielsweise auch gegen die Verhaftung durch die Küstenschutz-Polizei. Ihr Mann allerdings hat sich bereits vor langer Zeit von ihr getrennt, weil ihren Wandel hin zum Einsatz für Umwelt, Frieden und Menschenrechte nicht mittrug.
Im Jahr 2006 verlieh die "ethecon - Stiftung Ethik & Ökonomie" den ersten Internationalen ethecon Blue Planet Award an Diane Wilson, weil sie ein herausragendes Beispiel dafür war, wie sich Menschen für die ethischen Grundlagen einsetzen, die entscheidend für den Erhalt unseres Blauen Planeten sind. Seitdem hat Diane immer wieder auch die Arbeit von ethecon unterstützt: Sie beteiligte sich maßgeblich an den Aktionen zur Übergabe der Internationalen ethecon Black Planet Awards an die Verantwortlichen von MONSANTO (2006), von BLACKWATER (2008) und FORMOSA PLASTICS (2009).
"ethecon - Stiftung Ethik & Ökonomie" betrachtet die Protestaktionen der Preisträgerin als Teil ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung und fordert, alle Anklagepunkte umgehend und bedingungslos fallen zu lassen. Axel Köhler-Schnura, Vorstand von "ethecon - Stiftung Ethik & Ökonomie", ist fassungslos: "Durch rücksichtslose Profitgier hat der BP-Konzern den Tod von elf Menschen und eine der schlimmsten Umweltkatastrophen aller Zeiten verschuldet. Die Macht der Konzerne ist so groß, dass die Täter unbehelligt bleiben, während die Opfer durch Gefängnisstrafen eingeschüchtert und mundtot gemacht werden sollen! Diane Wilson braucht jetzt unsere Solidarität und Hilfe. Zweieinhalb Jahre Gefängnis für nichts als einen harmlosen und friedlichen Protest - das ist der Versuch, einen Menschen, der sich gegen den Ruin unserer Welt wehrt, zu brechen.“
Quelle: ethecon - Stiftung Ethik & Ökonomie Foto: michaelmoore.com