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alt14.04.2010:  Im Jahre 1867 bereits wies Karl Marx in einer Anmerkung in 'Das Kapital' zitierend darauf hin: "Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. ... für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens." Die Vorgänge um die nun seit drei Wochen im Golf von Mexiko sprudelnde Ölquelle des transnationalen Konzerns BP (und seiner Partner) beweisen erneut die Aktualität dieser Aussage. Allerdings wäre ihr auch die Ergänzung angemessen, dass bei entsprechendem Profit kein Naturgut und keine Naturgrundlage der menschlichen Gattung vor der Zerstörungsbereitschaft des Kapitals geschützt ist.

Am 21. April war die im Auftrag von BP (British Petroleum) betriebene Ölplattform 'Deepwater Horizon' nach einer Explosion gesunken. Dabei kamen elf Menschen ums Leben. Seither treten aus der Ölbohrung in 1500m Tiefe pro Tag etwa 800 Tonnen Rohöl aus und überziehen das Meer vor der Mündung des Mississippi mit einer beispiellosen Ölpest (siehe diese Bilder). BP hat bei den Ölbohrungen im Golf von Mexiko eine Vormachtstellung. Und erst im März hatte sich das Unternehmen von dem kleineren US-Ölkonzern Devon für 7 Mrd. Dollar neue Rechte für ähnliche Bohrungen gekauft, ein Teil davon allerdings vor der Küste Brasiliens.

Eine Woche nach der Katastrophe, die wohl eine der größten überhaupt in der Geschichte der Erdölindustrie werden dürfte, legte der BP-Konzern seinen geschäftlichen Quartalsbericht vor und präsentierte nach einem Krisenjahr 2009 'Traumgewinne', wie Finanzinstitutionen kommentierten. Der Umsatz sei 2009 um 54% auf 73,2 Mrd. Dollar gestiegen. Der sogenannte 'Überschuss' (also der Reinprofit nach Investitionen) stieg im ersten Quartal 2010 um 138% auf 6,2 Mrd. Dollar. Auch die Firma Transocean, die die Bohrinsel 'Deepwater Horizon' (eine von ihren 140 großen Bohranlagen) gebaut und an BP vermietet hatte, machte in 2009 gute Geschäfte. 2009 erzielte Transocean einen Umsatz von 11,6 Milliarden US-Dollar und einen Reingewinn von knapp 3,2 Mrd. Dollar.

Die zynische Grundhaltung gegenüber evtl. Unglücken bei Tiefseebohrungen machte gegenüber dem Nachrichtenportal '20 Minuten Online' Fabian Häcki, ein 'Analyst' der Bank Vontobel deutlich. "In dieser Branche können Super-GAUs passieren." Wie bei großen Fluggesellschaften gäbe es in der Ölindustrie ein statistisches Risiko für einen grossen Unfall. - Eine der größten vom Menschen erzeugten Naturschädigungen nur ein statistisches Problem! Und wenn man gut versichert ist, kann man mit diesem Risiko Anderer gut leben.

So rechnete Transocean vor, dass die Bohrinsel selbst mit 600 Mio. Dollar und die Entschädigungen für die Hinterbliebenen der Toten gut versichert seien. Gewinnausfall und Auftragsrückgang seien als eher marginale Anteile der Geschäfte verkraftbar. Obwohl ebenfalls versichert, sind die Folgekosten Dritter (Bewältigung der Zerstörung der Natur, der Schädigung der Fischerei, usw.) nur schwer zu schätzen. Aber BP gab schon Ausdruck, dass man auch 14 Mrd. Dollar noch gut verkraften würde. 33 Mio. Dollar kosten die Maßnahmen zur Schadensbegrenzung die BP derzeit täglich. Darüberhinaus ergeht man sich in dem Spiel, sich gegenseitig die Schuld an dem Unglück zuzuschieben.

Bei einer Anhörung hochrangiger Firmenvertreter von BP, Halliburton und Transocean wurde jedoch deutlich: keines der beteiligten Unternehmen hat sich auf eine Katastrophe wie diese gewissenhaft vorbereitet. "Ich erkenne den großen Aufwand, den Sie nun betreiben, um das Problem zu lösen", sagte die demokratische Senatorin Jeanne Shaheen aus New Hampshire. "Aber wäre es nicht besser, präventiv Lösungen zu suchen, wenn man doch weiß, dass solche Unfälle passieren können?" Eine Frage, auf die keine Antwort kam.

Dabei ist inzwischen klar geworden, dass die Plattformbetreiber mit einer wirklichen Organisation zur Risikovermeidung wenig am Hut hatten. So haben die Verantwortlichen auf der Plattform offenbar Warnhinweise vor der Explosion ignoriert und Sicherheitsmängel nicht beseitigt. In einem wichtigen Bestandteil des Ventils, der das Bohrloch nach der Explosion verschließen sollte, habe es ein Leck gegeben. Das Ventil habe nicht funktionieren und die Ölquelle verschließen können. Außerdem sei ein Sicherheitstest des Bohrlochdruckes wenige Stunden vor der Explosion fehlgeschlagen; die Arbeiten am Bohrloch seien dennoch fortgesetzt worden. Alle Konzepte und Versuche zur Schließung des Bohrloches und die Maßnahmen zur Bekämpfung des ausgetretenen Öls durch BP und seine Partner sind Ausdruck tiefer Hilflosigkeit und Verantwortungslosigkeit. Gipfelpunkt: der Aufruf der BP im Internet an Jedermann, technische Lösungsvorschläge zum Beenden des Ölaustritts einzubringen.

Der Reigen profitorientierter Aktivisten des Kapitals beginnt sich zu schließen, wenn man noch eine Nachricht des Stern vom 14.5. hinzunimmt: "Wie die 'New York Times' am Freitag berichtet, hat eine US-Behörde zudem Genehmigungen für Ölbohrungen im Meer erteilt, ohne sich die vorgeschriebenen Umweltzulassungen einzuholen. Darunter sei auch eine Genehmigung für die im Golf von Mexiko verunglückte Förderplattform Deepwater Horizon. Wie das Blatt unter Berufung auf Unterlagen des Bundes und Angaben aus Mitarbeiterkreisen berichtete, holte sich die US-Behörde für Rohstoffverwaltung, der sogenannte 'Minerals Management Service' (MMS) in Hunderten Fällen nicht die gesetzlich vorgeschriebene Stellungnahmen der Wetter- und Ozeanografiebehörde (NOAA) ein. Diese ist zuständig dafür, bedrohte Arten und Meerestiere zu schützen. Zudem sei Druck auf die MMS-Wissenschaftler ausgeübt worden, die Ergebnisse ihrer Befunde zu ändern, wenn diese vor einem Unglück oder einer Bedrohung für die Tierwelt gewarnt hätten."

Und der Reigen schließt sich wirklich, wenn man hinzunimmt, dass die Freigabe von Tiefseebohrungen vor den us-amerikanischen Küsten lange Jahre (seit 1982) praktisch untersagt und nicht zugelassen war. Jedoch wurden diese Verbote schon früher für einen Teil des Golfes von Mexiko unter dem Druck der transnationalen Ölkonzerne und der USA-Bourgeoisie weich geklopft und im März dieses Jahres von US-Präsident Barack Obama aufgehoben. Offizielle Argumentation: man könne die Tiefseebohrungen jetzt technisch beherrschen, man wolle von Ölimporten (derzeit etwa 50% des US-Bedarfes) unabhängig werden und man würde damit Arbeitsplätze schaffen. Umweltschützer der USA waren entsetzt - noch 2008 hatte sich Barack Obama gegen solche Pläne des G.W. Bush (junior) zur Wehr gesetzt. Angesichts der jetzigen Ölkatastrophe hat Obama zunächst die Erteilung von Bohrgenehmigungen ausgesetzt - jedoch nicht abgesagt. Und als Vorsorgemaßnahme ist der US-Regierung für die Zukunft wenig mehr eingefallen, als die Erhöhung eines Treuhandfonds zur Schadenbeseitigung von 1 Mrd. auf 1,5 Mrd. Dollar.

Was allerdings soll man von der US-Bourgeoisie und ihrer Regierung erwarten, die bisher das Kyotoprotokoll zum Klimaschutz nicht unterzeichnete und umsetzt, die sich wirkungsvollen Verpflichtungen zur Verringerung des CO2-Ausstoßes verweigert (Kopenhagener UN-Klimagipfel 11-2009). Ölimportreduzierung durch massiv verstärkten, risikoreichen Abbau eigener Ölressourcen statt Ölimportreduzierung durch Verbrauchsreduzierung und Umstieg auf andere Energieträger ist da doch nur folgerichtig. Und wenn denn Tiefseebohrungen tatsächlich beherrschbar wären, wie sollte eine effektive Risikovorsorge und -vermeidung durchgesetzt werden, wenn nicht durch eine nicht am Profit orientierte gesellschaftliche Kontrollmacht außerhalb der beteiligten Unternehmen? Aber dann ginge es auch um die Eliminierung der Macht und Herrschaft derer, die Marx in seiner eingangs zitierten Anmerkung (s.u.) schon 1867 meinte.

Text: hth  /  Informationen zum weiteren Verlauf:  Gulf Oil Spill  des Smithsonian National Museum of Natural History


"Kapital", sagt der Quarterly Reviewer, "flieht Tumult und Streit und ist ängstlicher Natur. Das ist sehr wahr, aber doch nicht die ganze Wahrheit. Das Kapital hat einen Horror vor Abwesenheit von Profit oder sehr kleinem Profit, wie die Natur vor der Leere. Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens. Wenn Tumult und Streit Profit bringen, wird es sie beide encouragieren. Beweis: Schmuggel und Sklavenhandel."
 
(Karl Marx, Das Kapital I; Marx-Engels-Werke 23, Berlin: Dietz Verlag [1962] 1967, 799, Anm. 250).

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Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

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